3.Kapitel

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"Eines Morgens half ich wie an jedem Tag, meiner Mutter beim abräumen des Frühstückstisches.
Wie immer hatte mein Vater die Zeitung offen auf dem Tisch liegen gelassen. Normalerweise interessierte mich die Zeitung nicht im Geringsten. Doch mein Vater hatte die Seite mit  den Stellenanzeigen aufgeschlagen  auf dem Tisch liegen gelassen. Bevor meine Mutter die Zeitung wegräumen konnte, ließ ich sie schnell hinter meinem Rücken verschwinden. Den ganzen Tag brannte ich darauf endlich die Anzeigen durchsehen zu können. Und während ich meine Arbeit verrichtete konnte ich an nichts anderes denken, als die Chance, die sich mir hoffentlich bald eröffnen würde.

Nach dem Abendessen hatte ich es eilig nach oben in meine Kammer zu verschwinden. Heute weiß ich nicht mehr, ob sich meine Eltern deswegen sorgten oder nicht. Denn es war sehr untypisch für mich zu solch früher Stunde zu Bett zu gehen. Gewöhnlich verweilte ich noch ein wenig bei meinen Eltern im Wohnzimmer. Manchmal unterhielten wir uns mit gedämpften stimmen damit die kleinen nicht aufwachten oder ich las in einem Buch, bis meine Eltern mich zu Bett schickten.

Mit rasendem Herzen und zittrigen Fingern entdeckte ich eine Anzeige. Im Hause des Lords Bentley wurde ein Dienstmädchen gesucht. Dieses Mädchen musste nicht zwangsläufig Erfahrungen in ähnlichen Stellen haben. Sie musste nur fleißig sein und die Probezeit überstehen. Ich wusste, dass dies meine Chance war.

Am nächsten Morgen setzte ich noch vor dem Frühstück ein Bewerbungsschreiben auf. Ich schreib mit einem alten Federhalter, den ich von meiner Großmutter geschenkt bekommen hatte. Die Feder kratzte und wenn man unachtsam war, kleckste sie Tinte über das Papier. Ich brauchte einige Anläufe, bis ich das meiner Meinung nach, perfekte Schreiben erstellt hatte. Während ich schrieb, saß ich an einem kleinen Tisch, im Wohnzimmer. Von diesem Tisch aus konnte ich in den Obstgarten hinaus schauen.

"Was schreibst du?" Fragte plötzlich jemand hinter mir. Hastig drehte ich mich um. Hinter mir stand Katherine. Sie sah schon damals wunderschön aus, mit ihren langen, braunen Locken und dem niedlichen Gesicht. Sie lugte mir über die Schulter. "Nichts wichtiges" brummte ich, "nur Hausaufgaben..." Katherine zuckte die Schultern und sagte kein Wort mehr dazu. Es war mir ein Rätsel, wie ich diesen Brief unbemerkt zur Poststelle im Dorf bringen konnte. Doch es gelang mir.

Wir Kinder gingen selten ins Dorf

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Wir Kinder gingen selten ins Dorf. Und wenn dann nur um die Schule zu besuchen. Doch es war Sommer, weshalb keiner von uns zur Schule ging. Stattdessen halfen wir unseren Familien bei der Feldarbeit. Und auch die Kinder, deren Eltern keinen Hof hatten, halfen immer mit. Jeden Tag kamen sie zu den Höfen und halfen für Güter, wie Milch, Eier, Fleisch, Käse oder Kartoffeln. Und wenn wir nicht arbeiteten waren wir am Teich baden oder ich las im Obstgarten.

Aber mir bot sich einige Tage später die perfekte Gelegenheit. Meine Mutter schickte mich ins Dorf, um ein paar Besorgungen für sie zu erledigen. Ich sollte für sie beim Schuster, Jims Schuhe reparieren lassen, neues Salz auf dem Markt kaufen und ein Paket an Verwandte an der Poststelle aufgeben. In meiner Schürzentasche hatte ich den Brief verborgen.
Ich war mir sicher, dass ich die Sache geheim halten sollte. Denn meine Eltern hatten andere Pläne für mich. Außerdem würde ich sie nur unnötig in Aufregung versetzen. Und es war doch recht unwahrscheinlich, dass sie mich einstellen würden. Da musste ich den beiden auch keine Hoffnung machen.

Das Dorf war eines dieser malerischen, kleinen und wunderschönen englischen Dörfer. Mit Backstein Häusern, blühenden Gärten und niedlichen Kirchen. Die Menschen waren freundlich und hilfsbereit. Und jeder kannte jeden.

Als der Schuster mich herein kommen sah, begrüßte er mich freundlich und erkundigte sich nach meiner Familie. Er war ein liebenswerter, kleiner, Alter Mann, der eine runde Brille auf der Nase trug.

Mein Herz raste, als ich das Postamt betrat. Über der Tür bimmelte ein Glöckchen. Eine rundliche Dame trat hinter den Tresen und begrüßte mich. Zu erst gab ich das Paket auf. Und danach übergab ich ihr den Brief, der nach Highclere Castle geschickt werden sollte.

Die nächsten Wochen waren eine Qual für mich. Jeden Tag wartete ich darauf, dass die Postkutsche an unserem Hof halten würde. Doch sie tat es nicht. So verrichtete ich meine Arbeit wie an jedem Tag. Aber ich wurde von Tag zu Tag trauriger und mutloser. Nach knapp einem Monat hatte ich die Hoffnung ganz aufgegeben.

Als ich am Morgen das Rumpeln der Kutsche hörte, spähte ich erwartungsvoll aus dem Fenster. Meine Mutter, die ebenfalls auf einen Brief wartete, lief über den Hof auf die Kutsche zu und nahm die Post entgegen. Aufgeregt kam sie ins Haus zurück.

"Clara" rief sie mich, "wer schreibt dir denn?" Mit wehendem Kleid rannte ich auf sie zu und riss ihr den Brief aus der Hand. Mit zittrigen Fingern, öffnete ich vorsichtig den Umschlag  Und was ich dann las, ließ mein Herz einen Sprung machen. Sie hatten mich für die nächste Woche zu einem Vorstellungsgespräch nach Highclere Castle eingeladen.

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now