28.Kapitel

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"Hat die Lady sich noch an ihr Versprechen erinnert?" Fragte Charlotte, während wir beim Abendessen saßen.

Den Speiseraum hatte man schon für die bevorstehende Geburtstagsfeier prächtig geschmückt. Und noch viele weitere Verwandte waren angereist. Der Raum wurde vom lauten geschnatter unzähliger Kinder erfüllt. Die Erwachsenen unterhielten sich kultiviert über Politik und die Damen klatschten.

"Ja, die Lady hat sich an ihr Versprechen erinnert" sagte ich, "aber ich werde dir die ganze Geschichte erzählen: etwa eine Woche nach meiner Ankunft war ich wieder im Alltagstrott der Dienerschaft.
Ich reinigte Zimmer, trug Essen in den Speiseraum und wartete Lady Violette auf. Die Erholung der letzten Wochen hatte ich bereits vollkommen vergessen.

An einem Montag Vormittag putzte ich mit den anderen Mädchen den Speiseraum. Während wir die ganze Zeit von unserer Hausdame angetrieben wurden.

Keine von uns hörte, wie Lady Bentley den Raum betrat. Als ich mich umdrehte, um mir einen Staubwedel zu holen, stand sie plötzlich hinter mir. "Miss Carson, folgen sie mir bitte. Ich habe etwas wichtiges mit ihnen zu besprechen."
Bei diesen Worten sank mir das Herz in die Hose. Ich war mir sicher, dass die Lady mich nun doch entlassen würde. Mit gesenktem Haupt folgte ich ihr in den Salon.

Grazil setzte sich die Dame auf eines der teuren roten Sofas und wies mich an, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Dies war ungewöhnlich, denn uns Dienstboten war es strengstens verboten uns auf den Stühlen, Sofas, Sesseln oder Betten der Herrschaft hinzusetzen.
Einen Augenblick lang musterte sie mich, und sprach schließlich: "ich muss gestehen, dass keiner von uns besonders erfreut über diese Verlobung ist..."

Augenblicklich fühlte ich mich noch elender und wurde wahrscheinlich wie immer in solchen Situationen Kreidebleich. "Aber ich möchte, dass meine Kinder glücklich werden. Deshalb tolleriere ich eure Verbindung" sagte die Lady etwas gezwungen, aber dabei lächelte sie mir freundlich zu. Auch ich lächelte erleichtert.

Plötzlich wurde sie wieder ernst und fuhr fort: "allerdings gibt es eine Hürde, die sie noch überwinden müssen. Sie haben nicht die richtige Ausbildung und Erziehung genossen um in einer Gemeinschaft wie der unsrigen zu bestehen."

Die Lady beobachtete jede meiner Reaktionen genau aus ihren warmen braunen Augen. "Ja, my Lady" stimmte ich ihr mit gesenktem Kopf zu, "aber das ist nichts, was man nicht aufholen könnte."

"Der Meinung bin ich auch..." Sie lächelte mich freundlich an, und ab diesem Moment war ich mir bewusst, dass ich die Gunst der Lady nicht verloren hatte.

"Mein Sohn und ich, trafen vor seiner Abreise eine Vereinbarung. Ich soll aus ihnen eine Lady machen, sie richtig erziehen, bilden und ihnen die Regeln unserer Klasse beibringen."

"Vielen Dank, my Lady." In diesem Augenblick war ich unendlich glücklich, denn es schien so, als würde ich meinem Traum von einer gemeinsamen Zukunft mit George endlich näher kommen.

Nach diesem Gespräch ließ mich die Lady wieder zu meiner Arbeit zurückkehren... Doch am Nachmittag würde ich zum ersten mal von ihr unterrichtet werden.

Die anderen Mädchen bestürmten mich, mit Fragen. "Was wollte die Lady?" "Hat sie dich gelobt oder gescholten?" "Warum hat sie kein anderes Mädchen sprechen wollen?" Es bereitete mir große Mühe den Fragen geschickt auszuweichen, denn die Lady hatte mich darauf hingewiesen, dass ich niemanden etwas von der Vereinbarung erzählen dürfe.

"Warum durftest du nichts erzählen? Es wussten doch alle, dass du irgendwann Georges Frau werden würdest" unterbrach mich Charlotte, während sie lustlos in ihrem Essen herumstocherte.

Ich legte meine Gabel zur Seite und antwortete: "damals wusste ich nicht, warum ich niemandem davon erzählen durfte. Keiner glaubte, dass George und ich jemals heiraten würden. Denn sie glaubten, dass der Lord uns niemals seine Zustimmung geben würde. Außerdem dachten sie, dass George irgendwann zur Besinnung kommen und doch eine vermögende Erbin heiraten würde. Und die gesellschaftlichen Unterschiede schienen jedem unüberwindbar..."

"Wenn ich euch damals gesehen hätte, dann hätte ich an euch geglaubt." Wieder einmal hatte Charlotte mich zum lächeln gebracht. Sie hatte einen so guten Charakter, glaubte immer an das Gute und war oft sehr naiv. Und mir wurde wieder einmal bewusst warum sie meine Lieblingsenkelin war.

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now