25.Kapitel

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Am nächsten Tag schrieb ich einen Brief an George. Ich teilte ihm mit, dass ich wohlbehalten in London angekommen war und dass ich nun im Hause seines Vaters wohnen würde.

Während ich im Haus des Lords lebte, versuchte ich mich so nützlich wie möglich zu machen. Ich reinigte die Zimmer und half bei der Zubereitung der Mahlzeiten für die Kriegsveteranen, spülte Geschirr und half bei allem wo ich benötigt wurde.

Ich war glücklich und dachte nicht mehr an meine Familie. Aber der Krieg war hier in London noch allgegenwärtiger. Auf den Straßen tummelten sich Soldaten und Offiziere, Zeitungen verkündeten zu jeder Stunde die neusten Informationen vom Schlachtfeld und überall hingen Flugblätter, die neue Soldaten anwerben sollten.

Es war mittlerweile Spätherbst und überall in Londons Parks färbten sich die Blätter der Bäume Orange und rot. Ich liebte es am Abend Spazieren zu gehen, dann war die Luft mild und kühl und ich konnte es einfach genießen in der Hektik der Stadt ein paar ruhige Minuten zu finden.

Drei Wochen nach meiner Ankunft in London traf George endlich ein. Es war ein eiskalter Tag mitten im November. Wie an jedem Tag stand ich an einem der Fenster des oberen Stockwerks und spähte durch einen Spalt in den Gardinen auf die Straße herab. Mein Herz machte jedes mal einen aufgeregten Hüpfer als ein Automobil sich näherte. Jeden Tag hatte ich vergeblich gewartet weshalb ich unglaublich erleichtert war, als ich endlich George die Stufen zum Haus hinauf steigen sah.

Es läutete an der Tür. Ich ließ alles stehen und liegen und hastete die Treppe nach unten. In genau diesem Augenblick öffnete der Diener die Tür. Und ich stand George gegenüber.
Er wirkte müde und abgemagert. Trotzdem sah er in diesem Augenblick glücklich aus. Seine Augen strahlten, als er mich auf der Treppe erblickte.

Ich konnte nicht anders als auf ihn zu zurennen und ihm in die Arme zu fallen. In diesem Moment war es mir egal, ob der Diener uns sah, und was er sich dabei dachte.

Während George und ich gemeinsam in London verweilten, behandelte er mich wie eine echte Lady. Es erleichterte mich, dass es ihm egal war, wo ich herkam...
Wir speisten immer gemeinsam im großen Speisesaal des Hauses. Gingen tagsüber spazieren, oder einkaufen. Er zeigte mir die wunderschönsten Straßen, Gebäude, Parks und Läden Londons. Und Ich war begeistert von all den neuen Eindrücken und Erfahrungen, die ich machte.

Ich trug feine Kleider und besuchte mit ihm gemeinsam das Theater und die Oper. Wir besuchten verschiedene Ausstellungen und Museen. Ich muss zugeben, dass ich persönlich sehr froh war, dass uns nie jemand zu erkennen schien. Denn ich wollte lästige Fragen und große Klatsch und Skandalgeschichten vermeiden.

Oft verbrachten wir die Abende in der Bibliothek vor dem Kaminfeuer. Wir lasen uns gegenseitig vor und diskutierten den Inhalt. Oder wir lasen beide schweigsam vor uns hin. Ich liebte es mit deinem Großvater zu diskutieren, denn er vertrat seine Meinungen immer sehr bestimmt. Und ganz besonders liebte ich es, mich mit ihm zu unterhalten. Denn ich hatte immer das Gefühl, dass er alles verstand, was ich ihm erzählte.

Ich hatte mir gewünscht, dass die Zeit stehen bleiben würde, oder das der Krieg so schnell wie möglich vorbei gehen würde. Aber es kam wie es kommen musste und viel zu schnell brach der letzte Abend an.

George und ich lagen zusammen gekuschelt im großen Himmelbett in seinem Schlafzimmer. Er hielt mich in seinen starken Armen und ich hatte den Kopf auf seine Brust gelegt. "Ich habe vor meiner Abreise mit meiner Mutter gesprochen" flüsterte er und strich mir zärtlich über den Kopf.
"Worüber habt ihr gesprochen?" George hielt inne und atmete tief durch.
"Über uns" sagte er, "meine Mutter hat dich sehr gern. Und sie freut sich, weil ich glücklich bin. Dennoch bezweifelt sie, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben könnten."

Ich richtete mich auf und sah ihm tief in die Augen, "warum, denkt sie so?"
"Sie glaubt, dass du nicht geeignet bist eine Cauntess zu sein. Weil du nicht gelernt hast, wie man sich in der feinen Gesellschaft benimmt. Und weil du angeblich nicht die richtige Bildung bekommen hast..."

Ich nickte, das waren all die Dinge, die ich schon immer wusste. Und ich hatte schon immer gewusst, dass niemand mich für eine geeignete Ehefrau halten würde.
George unterbrach meine Gedanken indem er fortführ: "ich habe meiner Mutter gesagt, dass das nichts wäre, was man nicht nachholen könnte und ich habe sie gebeten, dir alles nötige beizubringen, solange ich nicht da bin...."

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now