Prolog ♪ My song

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Du tust mir nicht gut, tust mir nur weh.

Trittst in mein Herz bis es schreit. Machst mich kaputt.

Doch nichts von all dem tut mir leid.

Komm lüg' mich bitte noch mal an.

Küss mich bis ich's besser kann.

Komm sag schon was ich hören will, dass deine Welt in meine will.

[ Rosenstolz ]



MARA ║ Kann ein Song dein Leben retten?

Eine Frage, die eigentlich ganz simpel klang. Zumindest im ersten Moment. Obwohl es bei einer gemütlichen Runde unter Freunden eine eher nebensächliche Frage gewesen war, hatte ich lange darüber nachgedacht.

So auch jetzt.

Es lag nicht etwa daran, dass meine Beine direkt in den Abgrund baumelten. Das ich auf dem Dach eines Hochhauses saß und eine winzig kleine Bewegung ausreichte, damit ich fiel. 

Neben mir standen zwei Dosen Coke. Ich hatte eigentlich billigen Fussel kaufen wollen, aber die Macht der Gewohnheit hatte mich dazu verleitet brav zu Koffein zugreifen. Meinen Fehler hatte ich erst bemerkt, als ich den Kiosk schon verlassen hatte. Da ich nicht rauchen konnte und nur peinlich vor mir hin hustete, hatte ich Nikotin einfach Nikotin sein lassen.

Verlassen auf dem Hochhaus spürte ich den kalten Wind, der an meiner Jacke zerrte. Die Tränenspuren auf meinen nassen Wangen brannten. Ich wischte mir mit den Ärmel über das Gesicht und unterdrückte den Schluckauf. Langsam sollte ich das letzte Bisschen Stolz in mir wieder finden und aufhören zu heulen. 

Doch es gelang mir nicht. 

Ich war erbärmlich.

Wenn ich zumindest einen wirklichen Grund dafür hätte, mich so lächerlich zu verhalten. Doch den hatte ich nicht. 

Mein Blick glitt über die nächtliche Londoner Aussicht. Sie hätte mich trösten sollen, so wie es nächtliche Schönheit sonst auch tat. Ich liebte die Nacht, denn dann konnte ich verschwinden.

Untertauchen.

Es war schon seltsam, denn die Nacht spiegelte eigentlich alles wieder, was ich wahr. Versteckt, unauffällig und fähig jegliche Existenz meinerseits zu verschlucken. Der Schatten war mein Zuhause. Dort hielt ich mich auf. 

Ich war das Mädchen im Hintergrund. Das Mädchen, dass niemanden auffiel, das einfach im hektischen Alltag verloren ging, auf das niemand richtig achtete.

Ein bitterer Geschmack machte sich auf meinen Lippen breit und ich musste zynisch lachen, denn obwohl ich mich im Schatten wohl fühlte, hasste ich ihn gleichermaßen. Manchmal wollte ich gesehen werden. Den Schritt ins Licht machen und das die Leute Notiz nahmen. Aber dann kehrte bei mir üblicherweise die Feigheit zurück und ich schluckte meinen kümmerlichen Mut herunter.

Niederlagen schmerzten und ich tröstete mich dann regelmäßig mit einem einzigen Gedanken: Die Geschichten meiner Mitmenschen, die sich im Schatten befanden, die konnte ich sehen.

Ich hatte Talent dafür die Geschichte zu finden, die ein jedes Herz erzählte.

Nicht jede Geschichte war schön. Manchmal waren sie so traurig, dass ich wünschte, sie nie gefunden zu haben. Doch hin und wieder war sie so hell und hoffnungsvoll, dass ich bedauerte, dass derjenige sein Glück nicht zu schätzen wusste.

Your Song [ Buch 1 ] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt