Zweifel

20 1 0
                                    

"Mickey?!" Ian rief durch die Nacht, auf dem Weg nach Hause. "Mick!" Er sah ihn nicht. Er erreichte das Gallagher Haus. Alles war dunkel. Leise schlich er nach oben in ihr Schlafzimmer. Leer. Er war nicht hier.
Ian zog sein Handy aus der Tasche und wählte Mickeys Nummer. Es klingelte drei Mal, bevor die Mailbox ran ging.

Mickey kippte den ersten kurzen wie Wasser und schob das Shoglas wieder zu Kev, der wortlos auffüllte.
"Ärger im Paradies?" Fragte Kev nach dem dritten Shot. Mickey zog die Augenbrauen nach oben und kippte den Vodka.
Wieder klingelte Mickeys Handy und auf dem Display erschien Ians Foto. Dieses dümmlich grinsen, diese verkackte Mütze. Dieser Mittelfinger. Diese verfluchten grünen Augen. Dieses Bild... Ein weiterer Flashback. Das Milkovich Badezimmer. Das Sportmagazin hinter dem Spülkasten, diese Bild zwischen Spiegel und Holz, Scherben, blutende Fingerknöchel, Tränen und eine beschissene Leere in der Brust.
Mickey nahm das Glas, setzte an und warf den Kopf in den Nacken. Dann nahm er sein Handy und ging richtung Toilette. Sein Kopf drehte sich leicht, als er in die freie Kabine wankte. Er klappte den Klodeckel zu, setzte sich darauf und öffnete seine Hose. Er hatte Ians Foto auf dem Bildschirm und begann seine Errektion zu wichsen. Es war eine Aktion aus Frust heraus.
Wollte er ihn nicht mehr? Hatte er Angst, er würde es wieder vergessen wenn sie fickten? War er nicht mehr... attraktiv? Mickeys Gedanken drehten sich, während er einem Orgasmus immer näher kam. Es war nicht das erste Malereien, dass Ian ihn auf dem trockenen sitzen ließ. In den vergangenen Tagen war es fast täglich dazu gekommen, doch Ian brach immer wieder ab. Tränen füllten seine Augen, als er auf das Bild sah und der Flashback tat sein übriges. Plötzlich spiegelte sich sein eigenes Gesicht im Telefon und die Tränen bahnten sich ihren weg. Wie war er nur so tief gesunken? Wie konnte nur so eine scheiße passieren? Was zum fick war los mit diesem Milkovich, der sich auf dem Klo vom Alibi auf ein uraltes Foto von seinem Freund einen wichste? Er schmetterte das Handy zu Boden, sodass es in mehrere Teile zerbrach, stand auf, zog sich an und ging an die Bar zurück.
Er knallte Kev 50 Flocken auf den Tresen, griff dahinter und nahm sich eine Flasche Jägermeister. Dann nahm er den beschissenen Rucksack und verließ die Bar.
Er war weich geworden. Was war nur aus dem Southside Boy geworden, der jeden zusammengeschlagen hatte, der ihn schief angeschaut hatte? Bei dem die Straßenseite gewechselt wurde, nur weil er Milkovich hieß. Bei dem jeder zitternde Knie bekam, nur weil er ihm eine Sekunde zu lang in die Augen geblickt hatte? Was war aus diesem Mickey geworden?
Jetzt hatte er manchmal das Gefühl die Leute würden hinter seinem Rücken lachen. Sich lustig machen. Ihn auslachen und darauf warten, dass er rosa Pullies trug und nach Frauenparfüm stank.
Nicht noch ein Flashback. Svetlana, ein Umschnalldildo, die Küche der Milkovichs. Sein Kopf fühlte sich schwammig an und seine Knie zitterten. Er setzte sich an eine Bushaltestelle und öffnete die Flasche. Er blickte ins Leere.
War er wirklich so soft geworden durch Ian? Scheint wohl zu stimmen was man sich erzählt... 'je öfter man in den Arsch gefickt wird, desto schneller wird man zur pussy'.
Mickey sah zu Boden. Er saß da und dachte über die Erinnerungen nach, die er heute dazu gewonnen hatte. Was war das schon? Ein bisschen ficken auf dem Baseballfeld, ein Outing im Alibi das nebenbei noch erzwungen war, eine russische Prostituierte die er innerlich hasste, aus welchem Grund auch immer, ein Foto von dem Rotschopf an seinem Badezimmerspiegel. Was war das schon? War das sein Leben? Wollte er wirklich so weitermachen? Und an was erinnerte er sich nicht? Er wusste, dass sie einige Zeit nicht zusammen waren. Er wusste, dass Ian ihn fallen gelassen hatte. Sich einen anderen geangelt hatte. Wer garantierte ihm, dass er es nicht wieder tun würde? Wer sagte, dass diese Verlobung nicht in einer Scheidung und viel beschissenem Herzschmerz enden würde? Er dachte über all das nach und zweifelte stark an der gesamten Beziehung.
Etwa eine halbe Ewigkeit und eine halbe Flasche später stand er auf. Er wollte Ian all das sagen. Jetzt.
Wankend lief er Richtung Gallagher Haus. An der Verandatreppe blieb er stehen. Hier hatte Ian ihn damals verlassen. Und Mickey wusste: Ian wird es wieder tun.
Er setzte sich auf die untere Stufe und setzte die Flasche an, als hinter ihm die Tür aufging. Ohne sich umzudrehen wusste Mickey, wer dort die Stufen herunter kam und sich neben ihn setzte.
"Mick, es-"
"Spar dir das gelaber, Gallagher" blaffte Mickey und merkte erst jetzt, wie er lallte.
Ian schwieg.
"Weißt du Ian. Ich bin toll. Ich bin ein ziemlich guter Freund." Begann er und nahm noch einen Schluck.
"Mick, du solltest nicht-" Ian versuchte die Flasche zu greifen, doch Mickey sprang auf, wirbelte herum und schmetterte die Flasche mit einem lauten Geräusch auf den Boden. Die braune Flüssigkeit rann Richtung Bürgersteig und die grünen Glasscherben glitzerten im Schein der Straßenlaterne.
"Verfammte scheiße Ian! Ich brauch niemanden der Krankenschwester spielt" Mickeys Stimme war wütend und seine Augen fixierten den Rothaarigen. Ian musste doch wissen, was er meinte.
Ian nickte langsam.
"Verdammt. Ich bin ein guter Freund. Ich war verfickt nochmal immer für dich da. War an deiner Seite, als du Hilfe gebraucht hast. Der Teufel weiß, wann ich noch für dich da war und du mich verlassen hast." Mickey funkelte ihn böse an, dann brach er auf die Knie, Blut mischte sich in den Jägermeister, als er auf den Glasscherben kniete und sich vor Schmerz den Kopf hielt. Diese beschissenen Flashbacks.
"Ich geh zur Army."
"4 Jahre, mindestens"
"Wenn ich dir nicht vollkommen egal bin, sagst du diese Hochzeit ab."
Schreie mischten sich unter Ians Stimme. Blut quoll aus seinen Beinen.
"Du musst mich nicht reparieren, weil ich nicht kaputt bin."
"Ja Mick, ich warte auf dich."
"Wenn ich jetzt gehen soll, brauchst du später nicht wieder zu kommen"
Mickeys Schädel drohte zu explodieren. Er sah kurz auf seine Hände hinab. Blut. Überall Blut.
"Lass mich alleine!" Ian schrie gepresst durch die Laken, Mickey stand in der Türe und sah den Rotschopf im Bett liegen.
"Ich hab nen Porno gedreht." Ians lächeln brach ihm das Herz.
Mickeys Blut mischte sich mit Tränen. Ian war neben ihm. Er konnte die Wärme spüren, doch er stieß ihn heftig nach hinten. Er wollte ihn jetzt nicht.
"Ich hab das alles nicht verdient! Hörst du? Ich bin ein verfickt guter Freund. Und du? Du hast mich immer wieder im Stich gelassen. Ich war immer für dich da. Du hast mich fallen gelassen. Immer und immer wieder! Warum zum Teufel bist du noch hier? Du hast mich nicht verdient!" Mickey schrie ihn an und Ian, der auf dem kalten Asphalt saß, konnte ihn nur ansehen. Er starrte in die Blauen Augen und nickte.
"Dad! DAD! LASS IHN IN RUHE!" Gerangel auf der blauen Ledercouch. Schmerzen und Fäuste, die immer wieder sein Gesicht trafen. Blut. Viel Blut.
"Du hast mich verfickt nochmal nicht verdient. Und das weißt du! Gibs zu, dir wär es am liebsten gewesen, ich würde mich nicht erinnern. Ich hätte für immer meine Erinnerung verloren. Du hättest mir nur die schönen Seiten von unserer Beziehung erzählt und wir wären für immer über den Regenbogen gehüpft."
Mickeys Kopf tat weh wie die Hölle und eine Spur Nüchternheit mischte sich hinein.
"Schick die Russin" Terrys Stimme klang nüchtern, als Svetlana zu ihm ging. "Fick ihn solange, bis es ihm gefällt." Er sah Ian an. Er brauchte ihn. Er hätte ihn gebraucht, doch er sah weg. Ian konnte es nicht ertragen. Ian war eine Pussy. Mickey brauchte ihn um das durchzustehen. Aber Ian... Er sah weg. Ließ ihn im Stich.
"Du hast mich so oft verlassen. Und du wirst es wieder tun. Hab ich recht? Du wirst mich wieder verlassen. So wie damals mit Svetlana, nach der Hochzeit, als du den Porno gedreht hast, als du depressiv warst, als du mich verlassen hast." Mickey wischte sich Tränen und Blut aus dem Gesicht. "Du wirst mich wieder verlassen. Also warum hast Du es nicht schon längst getan Ian? Im Krankenhaus, als ich im Koma lag. Als ich dich und uns vergessen hatte." Mickey sah ihn angewidert an "Es wäre so leicht gewesen zu gehen. Also, warum bist du noch hier?" Mickey versuchte aufzustehen. Zog einzelne Glasscherben aus seiner Haut. "ANTWORTE MIR! Warum bist du noch bei mir?" Mickeys Stimme wurde laut und Tränen strömten aus seinen Augen. Ian konnte ihn nur ansehen.
Egal was er sagen oder tun würde, es wäre nicht genug. Er wollte nicht lügen. Er wollte ehrlich sein, doch die Wahrheit hätte Mickey zu sehr verletzt. Also schwieg er.
"Das dachte ich mir." Mickeys Stimme war ein flüstern. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und wandte sich Richtung Zaun. Ian stand auf, doch bewegte sich nicht weiter. Er war wie gelähmt.
"Nicht-" brachte er nur heraus. Mickey drehte sich um. "Was nicht?" Schmerzlich vertraut war diese Szene für beide, doch Ian schüttelte nur den Kopf. "Nur-" Mickey wandte sich ab und ging.
Ians Herz schmerzte. Es tat weh und fühlte sich leer an. Seine Augen waren rot und nass und seine Knie zitterten. Dann wurde ihm etwas bewusst. Er lief. Er rannte so schnell er konnte in die Richtung in die Mickey verschwunden war und als er den Schwarzhaarigen entdeckte rief er seinen Namen.

22 first dates - remember meWhere stories live. Discover now