Kapitel 36 - Chaos

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Mit dieser direkten Frage hatte ich nicht gerechnet. Ertappt wich ich ihrem Blick aus.
„Ich weiß nicht", wiederholte ich mich bloß leise. Diese gesamte Situation überforderte mich schon seit Tagen.
„Das musst du ja glücklicherweise auch gerade nicht. Du hast hier ja noch Zeit für dich und kannst in Ruhe darüber nachdenken."

Lou hätte nicht falscher liegen können. Zwar hatte ich hier in La Push Zeit für mich, doch die Konflikte in mir standen Schlange. In Ruhe nachdenken war demnach in weite Ferne gerückt, solange ich nicht wusste, was heute bei diesem Kampf passierte – oder vielleicht schon passiert war.

„Weißt du, Julie", hörte ich Lou wieder sagen. „Dillon ist ein klasse Kerl. Ob er nun tatsächlich der Eine ist, das kannst nur du beurteilen, aber ich für meinen Teil bin ihm schon jetzt dankbar. Vielleicht ist er auch einfach nur der Mensch, der dich nach Lahote wieder auf die richtige Spur gebracht hat und diesen Idioten endlich verbannt hat. Wenn das also seine Rolle in deinem Leben ist, ist das auch okay. Wie gesagt, ich würde mich für euch freuen, aber zwing dich zu nichts. In diesem Fall sollte man einfach absolut keine Kompromisse eingehen."

Dankbar lächelte ich meine beste Freundin an.
Sie war so in Sorge um mich und auch sie zerbrach sich den Kopf über meine Gefühle – bloß, dass sie das ein oder andere Detail nicht kannte.
Dennoch hatte sie in so manchem Punkt in ihrer kleinen Rede nicht Unrecht gehabt.

Ich wollte nicht mehr bereit sein, Kompromisse einzugehen – nicht in Sachen Liebe.
Was das für mein Leben zu bedeuten hatte und wo genau ich mit Dillon stand, konnte ich in diesem Moment trotzdem nicht sagen.

„Ich weiß", nickte ich bloß. „Ich muss vermutlich bloß nochmal in mich gehen."
Ermutigend streichelte Lou einmal über meinen Handrücken auf dem Küchentisch und lächelte mich an.
„Tu das. Ich will dich endlich mal wieder glücklich sehen."

Gerne hätte ich Lou diesen Wunsch erfüllt, doch solange ich nicht wusste, was in den Reihen der Wölfe vor sich ging, stand ich weiterhin vollkommen neben mir.
Sicherlich würde ich mich besser auf Dillons und meine Zukunft konzentrieren können, wenn ich die Jungs, Leah und Bella erstmal in Sicherheit wusste.

Auch für den Rest des Tages konnte ich nur schwer bei der Sache bleiben und Lou folgen, oder zumindest den Anschein erwecken.
Es war bereits spät abends, als ich schließlich am Höhepunkt meiner Nervosität angelangt war und mich unter einem Vorwand von Lou losreißen konnte.
Einen ruhigen Abend mit meinem Dad hatte ich vorgeschoben und fand mich wenig später auf der Hauptstraße La Pushs wieder.

In all den Stunden mit Lou hatte ich versucht, meine Überlegungen halbwegs zu verdrängen, doch schon mit dem ersten Schritt hinaus auf die Straße hatte ich den Startschuss gegeben.
Meine Gedanken liefen Amok, kaum war ich allein.

Der Kampf musste doch inzwischen beendet sein. War es ein gutes Zeichen, dass ich noch nichts gehört hatte?
Oder hätte ich es nicht vielleicht sogar spüren sollen, wäre Paul tatsächlich etwas zugestoßen? Wer wusste schon, wie weit diese Prägung gehen konnte.

Unruhig wollte ich zuerst den Weg nach Hause einschlagen, um mich dort gänzlich von meinen düstersten Vorstellungen von dem, was möglicherweise auf dem Schlachtfeld passiert war oder immer noch passierte, erschlagen zu lassen.
Letztendlich hatte ich mich aber doch für den kleinen Bungalow der Blacks entschieden.

Ich bezweifelte, dass ich dort Jacob antreffen würde, doch zumindest Billy Black sollte von seinem Angeltrip mit Charlie zurück sein und mir womöglich eine kurze Auskunft geben können.
Er war hier im Reservat einer der Wenigen, mit denen ich offen reden konnte und der auch ohne sich selbst verwandeln zu können von den Gestaltwandlern wusste.
Doch es sollte ohnehin anders kommen.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now