VII. Kapitel

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Alberta, Kanada
28. Dezember

  
   Skye

   „Scheiße, was machst du da draußen?", entfährt es ihm.

   Er überragt mich um einen Kopf, trotzdem kann ich die wechselnden Emotionen in seinem Gesicht sehen - Schreck, Unglauben ... Besorgnis?

   Seine Augen sind ganz weich wie das graue samtene Fell meiner Stoffkatze und auf einmal möchte ich wieder weinen.
   In den Arm genommen werden wie ein kleines Kind, sogar wenn es von Ash sein muss.

   Scheißgefühle.

   Ash scheint sich zu fangen, denn er schiebt mich sanft, aber bestimmt ins warme Innere und schließt die Tür hinter mir.

   „Du bist ja kalt wie Eis", murmelt er und in seiner Stimme schwingt eine Brise Angst mit.

   Ich will antworten, doch mein Mund kann keine Worte mehr formen.

   Als wäre ich wirklich zu Eis erstarrt.

   „Gott, deine Lippen sind ganz blau. Und du hast ja nichtmal eine Jacke an", stellt er fest und unsere Augen treffen sich wieder.

   Du legst wie selbstverständlich Deinen Arm um meine Schultern, wohl um mich zu wärmen, und geleitest mich vorsichtig durch den Flur.
   Dann in das Wohnzimmer, in dem die einzige Lichtquelle der Kamin ist und alles in Gold und Schatten taucht.

   „Was hast du nur da draußen gemacht?", murmelst Du wie zu Dir selbst.
   Du scheinst keine Antwort von mir zu erwarten.
   Jedenfalls jetzt gerade nicht.

   Obwohl ich zu kaum einer Sinneswahrnehmung in der Lage bin, nehme ich Deinen herben Duft nach Kiefernwald und Rauch wahr und wie Dein weicher Pulli an meinem Nacken reibt.

   Unter anderen Umständen hätte ich Dich sofort von mir gestoßen.
  
   Doch ich bin gerade viel zu schwach und ich brauche den Körperkontakt.
   Jemanden, der sich um mich kümmert.
   Ich fühle mich als wäre ich wieder sieben Jahre alt.

   Ich hoffe Du bemerkst nicht, wie ich meine Wange in Deinen weichen Pulli presse um die Tränen zu verbergen, die nun doch meine Wangen runterlaufen.

   Du drückst mich sacht auf die Couch  vor dem wärmespenden Feuer und lässt mich los um wegzugehen. 
   Vielleicht um eine Decke zu holen oder Lea Bescheid zu geben.

   Doch ich kralle mich in Deinen Pullover so gut wie meine kältesteifen Finger es erlauben und schüttel nur immer wieder den Kopf.

   „Skye...", versuchst Du es mit gedämpfter Stimme.
   Unglauben schwingt mit.

   „Ich möchte nur kurz eine Decke für Dich holen. Komm, lass schon los."
   Du redest mit mir als wäre ich ein kleines Kind, doch ich schüttel weiterhin den Kopf.

   Du seufzt schließlich ergeben. „Na gut... wir müssen Dich trotzdem irgendwie aufwärmen."

   Du lässt Dich auf die Couch sinken und legst vorsichtig beide Arme um mich, sodass ich vollkommen von Dir und Deinem warmen gut duftenden Körper eingehüllt werde.
  
   Du scheinst noch zögerlich, Deine Arme liegen nur ganz seicht auf meinem Körper auf, doch ich dränge mich stärker gegen Deinen starken Körper, kuschel mich ein, bis wirklich kein Blatt Papier mehr zwischen uns passen würde und ich Deine heiße Haut unter dem Stoff spüren kann.

   Der Körperkontakt beruhigt mich langsam und die Tränen versiegen.
  
   Am Ende komme ich doch nie gegen die Flut an, egal was ich mache.

   Vor allem, wenn ein gewisser jemand meinen vereisten Staudamm zum Schmelzen bringt.

   „Gib mir Deine Hände", murmelst Du.

   Zaghaft löse ich meine Hände aus dem Klammergriff.
   Erst jetzt bemerke ich, dass wir auf der Couch liegen und dass ich meinen Körper immer noch an Dich gepresst habe, und Du mich wärmst indem Du Deinen Körper um mich geschlungen hast.

   Etwas verlegen schiele ich hoch zu Deinem Gesicht. Du scheinst genauso verwirrt zu sein wie ich und Deine grauen Augen treffen meine, fragend.

   Ich wende den Blick schnell wieder ab und starre stattdessen auf Deine großen Hände, die gerade meine kleineren kalten Hände umschließen.

   Deine Handflächen sind warm und rau und Du reibst immer wieder über meine Hände.
   „Wir müssen die Durchblutung anregen. Sie sind immer noch eiskalt", stellst Du beinahe zu sachlich für unsere Situation fest.

   Ich nicke nur und genieße das Gefühl von Deinen Händen an meinen.
   Ich fühle mich seit langer Zeit wieder geborgen und umsorgt.
   Dieses Gefühl ist besser als jede Klinge der Welt.

ASH & SKYEWhere stories live. Discover now