Kapitel 27 - Ein Schweigen sagt mehr als tausend Worte

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Mit zügigen Schritten näherten wir uns schließlich dem Strand. Der Wind trug bereits den angenehmen, heimischen Duft des Salzwassers und der Fische heran, während er mir das dunkle Haar aus dem Gesicht blies.
Umso besser erkannte ich dafür auch das rege Treiben dort am Wasser.

Wie erwartet hatten sich die üblichen Verdächtigen am First Beach ausgebreitet, waren aber anscheinend gerade dabei, aufzubrechen, um auf die Klippen umzusiedeln.
Ich erkannte Sam, Emily, Quil, Jared, Kim, Paul, Embry, Bella und – ich traute meinen Augen kaum.
Irritiert blinzelte ich ein paar Mal, um sicher zu gehen, dass mich meine Sinne nicht täuschten.

Zu meiner Überraschung waren Emily, Kim und Bella nicht die einzigen weiblichen Personen dort am Strand.
„Ist – Ist das etwa –"
„Ja, das ist Leah", nickte Jacob, ehe ich meine Frage vollständig formulieren konnte. „Sie ist seit ein paar Tagen bei uns."

Perplex starrte ich weiterhin auf die junge, muskulöse Frau, die sich in den letzten Monaten so strikt im Haus ihrer Familie verschanzt hatte. Wie mir Lou berichtet hatte, war sie, nachdem Sam sie für Emily sitzen gelassen hatte, in ein tiefes Loch gestürzt und war seither kaum mehr sie selbst gewesen.
Umso mehr überraschte es mich in diesem Moment auch, sie jetzt in Sams Reihen, noch dazu mit ihm und Emily, zu sehen.

„Das heißt also, dass es auch weibliche... Gestaltwandler gibt?", versuchte ich mein Bestes, die Situation zu verstehen.
Neutral zuckte Jake mit den Schultern und vergrub seine Hände in den Taschen seiner Shorts.
„Wir waren genauso überrascht wie du. Aber anscheinend schon."

Das Rudel war soeben dabei, den Strand zu verlassen. Nur mehr Quil stand in Sichtweite und schien auf Leah zu warten, während sich der Rest in Richtung Klippen entfernte.
Dasselbe hatte auch Jake soeben beobachtet.
„Bestimmt will Bella wieder von diesen verfluchten Klippen springen", brummte er missmutig und fasste die steilen Abhänge ins Auge.

Er selbst hingegen, ließ sich am Anfang des First Beach nieder.
Hier hatte man die toten Baumstämme und einiges an Treibholz gesammelt, welches Jacob jetzt als willkommene Lehne diente.
Seufzend tat ich es ihm gleich, als ich meinen Blick noch einmal kurz zu Leah, die inzwischen auch immer weiter in die Ferne rückte, schweifen ließ.

So egoistisch es auch klingen mochte, konnte ich Jacobs Sorge um Bella im Moment nicht teilen. Zu sehr war ich damit beschäftigt, zu versuchen mich in Leahs Lage hineinzuversetzen.
Es musste unerträglich sein, mit dem Menschen, der einem so sehr das Herz gebrochen hatte, plötzlich wieder verbunden zu sein – ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben.

„Geht Leah gerade nicht absolut durch die Hölle?", fragte ich Jacob, der gerade noch starr das Treiben des Meeres beobachtet hatte. „Ich meine... Ich weiß, sie hat ja keine Wahl. Aber es ist bestimmt schon katastrophal genug, wieder mit Sam zu tun zu haben. Ihn dann auch noch die ganze Zeit über mit Emily vor der Nase zu haben, ist doch..."

Seufzend lenkte Jake seinen Blick vom Meer wieder zu mir und musterte mich einen Augenblick schweigend.
„Das ist kompliziert, Julie", murmelte er schließlich leise. „Aber sie hat ihm verziehen."
Unkontrolliert lachte ich spöttisch laut auf.
„Klar", sagte ich ironisch und tippte mir mit dem Finger gegen die Schläfe. „Hat sie das gesagt? Ich schwöre dir, das hat sie nicht! Das redet sie sich ein, weil sie keine andere Wahl hat."

Mein Herz war oft genug gebrochen gewesen. Ich wusste, wovon ich sprach.
Egal wie oft ich mir in London eingeredet hatte, Paul sein Verhalten zu verzeihen, ihm neutral zu begegnen und diesen neuentwickelten Hass auf ihn hinter mir zu lassen, um die Situation zurück in La Push erträglicher zu machen – ich hatte nie ehrliche Absichten gehabt, das auch umzusetzen.

Jacob hingegen schien nicht überzeugt von meiner Einschätzung, was Leahs Gefühle betraf.
Ähnlich wie es Paul getan hatte, als er offiziell diese unglaublichen Geheimnisse unseres Stammes enthüllt und erklärt hatte, versuchte er mir immer wieder in die Augen zu sehen, brach den Blickkontakt jedoch genauso oft wieder ab, um auf seine Hände zu starren.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now