Psycho-Wüste

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»Los, Kugelfang«, mit einem metallischen Klacken, stieß der Soldat den Ellenbogen, gegen seinen Arm. Bloodhound stand in weißen Lettern auf dessen Helm. »Bist bereit für die Jagd, aye? In zwo Minutn gehts rund, lad! Wär gelacht, wenn wa das Gewürm nich dazu kriegn, uns dies verdammte Waffenlager zu zeign, aye?«

Melvin antwortete nicht, Bloodhound mit seinem schwer verständlichen Akzent ging ihm auf den Keks. Er hatte das Gefühl, die anderen im Trupp hielten ihn manchmal für etwas minderbemittelt. Das taktische Display, das sein Gesicht verdeckte, zeigte ihm den Countdown bis zum Ausstieg in roten Lettern an. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Parameter sowie einer Miniaturkarte, auf der sich sechs Punkte einer Kleinstadt mitten in der Wüste näherten. Der Stadtrand war übersät mit rotblinkenden Flecken. Ihre Feinde. Und ihr Auftrag war ihm bekannt, schließlich hatte er gemeinsam mit den anderen in der Operationsbesprechung gesessen.

An deren Stelle hätte er bei einem Kampfcyborg, der jeden der Elitesoldaten um einen Kopf überragte, einen etwas respektvolleren Ton angeschlagen. Aber inzwischen hatte er gelernt, dass die anderen in der Truppe ihre Nervosität vor dem ersten Feindkontakt mit lockeren Sprüchen und Schmähungen des Gegners überspielten.

»Würdest du dich mehr an diesem Machogehabe beteiligen, würden die anderen dich eventuell auch als Mensch betrachten«, merkte die androgyne Stimme in seinem Kopf an.

Konnte die KI sich nicht darauf beschränken, ihm hilfreiche Informationen für den Kampf zu liefern anstelle von sinnvollen Ratschlägen?

»Das tue ich. Für den Kampfeinsatz ist es gut, wenn der Trupp zusammenhält. Dein Schweigen wird von den anderen als Ablehnung und Arroganz interpretiert.«

Jaja. Du mich auch. Leider konnte er seine KI, eine künstliche Intelligenz, die in seinen Roboterkörper integriert war, nicht abschalten. Von wegen taktische Hilfe. Eine Psycho-KI war das.

»Du vergisst, dass dein neuer Körper zu neunzig Prozent künstlich ist. Dir fehlt die menschliche Biochemie fast vollständig. Ohne mich wärst du schon lange verrückt geworden.«

Immer wieder die gleiche Leier. Angeblich war das auch der Grund, warum er keinerlei Erinnerung an sein Leben vor dem Militär hatte. Um ihn zu »schützen«. War klar.

»Jetzt sei nicht so ...«

In diesem Moment unterbrach ein kurzes Hornsignal den inneren Dialog und die Kabine wurde in rotes Licht getaucht. Gefechtsbeleuchtung. Das metallische Hämmern des Maschinengewehres, das oben auf ihrem Truppentransporter montiert war, und dumpfe Detonationen erklangen. Sie waren angekommen. Die Zeit für tiefschürfende Gedanken und sinnlose Diskussionen mit seiner Psycho-KI war vorbei. Er ignorierte das weitere Gequassel und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.

»Yeppie Yaj Ye! Ah, des klingt doch fein, aye?«, rief Bloodhound neben ihm, während sie von einer Bodenwelle durchgeschüttelt wurden. »Gleich geht's los, Kugelfang. Gut, dass ma dich vorschickn kennan.«

Melvin konnte sein Gesicht nicht sehen, da er ebenfalls das Visier geschlossen hatte, genauso wie vor und neben ihm auf den Bänken die anderen: Ghostfang, Riptide, Frostbite und ihr Captain, Warhammer. Sein eigener Rufname im Einsatz war Razorclaw. Nicht ganz unpassend, wie er zugeben musste.

Sie trugen sandfarbene Kampfanzüge mit schusssicheren Westen, beige Sturmgewehre. Dazu Vollhelme, deren herunter geklappte Visiere an Ameisenköpfe mit leuchtend blauen Augen erinnerten. In dieser Montur hatte jeder von ihnen etwas Roboterhaftes an sich. Das Gestänge und die Panzerplatten von Melvins Roboterkörper zeigten ebenfalls Tarnflecken, die mit der Wüstenlandschaft verschmelzen würden.

Das Monster Emeralds (ONC 2024)Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu