𝟒𝟎

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𝐀𝐝𝐞𝐥𝐢𝐚 𝐂𝐚𝐫𝐭𝐞𝐫

Mein Körper zittert. Mein kleiner wehrloser Körper. Meine Wange tut weh. Meine Narbe.

Hände, die kaum größer sind als meine, versuchen, die Blutung an meiner Wange zu stoppen. Wessen Hände sind das?

Ich schluchze unkontrolliert. Ich möchte zu Mama. Ich möchte zu Baba. "Psh", die kindliche Stimme versucht mich zu beruhigen. Die Angst in dieser Stimme ist deutlich.

Wo bin ich? Ich kenne diese kleine Hütte gar nicht. Das ist nicht unser Haus. Das ist nicht mein Zuhause!

Schüsse fallen. Wir zucken beide zusammen. Klammern uns fest aneinander. Er zittert. Ich zittere. Unser Atem erfolgt in kurzen Stößen.

Ein weiterer Schuss. Schreie. Mama? Baba? Meine Hände bedecken seine Ohren, während er versucht, das Blut zu stoppen, das aus meiner Verletzung fließt.

Wer bist du? Ich möchte sein Gesicht sehen, aber das lila Tuch hält mich davon ab. Wer bist du?

Die Geräusche draußen werden intensiver, als ob die Welt um uns herum in einem gewaltigen Chaos versinkt. Schüsse werden zu explosionsartigen Eruptionen, Schreie zu verstörenden Crescendos, und die Schmerzen scheinen sich in den Wänden der Hütte zu verankern.

Die Angst, die uns umgibt, wird erdrückend. In einem verzweifelten Versuch, Trost zu finden, beginne ich, leise Gebete zu Allah zu flüstern.

Meine Worte sind ein Flüstern der Hoffnung inmitten der Dunkelheit, ein zartes Flehen um Erlösung. "Bismillah, ar-Rahman, ar-Rahim. Allah, der Barmherzige, der Gnädige, beschütze uns vor den Wirren dieser Welt. Verleihe uns Stärke in Zeiten der Angst und gewähre uns Frieden inmitten des Sturms. Ya Allah, wir suchen Zuflucht bei Dir vor allem, was uns bedroht, und flehen um Deine unendliche Barmherzigkeit."

Während meine Gebete in die Stille der Hütte flüstern, spüre ich, wie der Atem des Jungen sich beruhigt. Sein unregelmäßiges Keuchen wird zu einem sanften, rhythmischen Fluss, als ob die Worte, die ich in die Dunkelheit hauche, seine Seele erreichen und Trost spenden.

Wir umarmen uns fest. Atmen. Atmen. Die Tür wird aufgerissen. Geschrei. Wütende Schreie. Ich werde heftig mitgerissen. Ich möchte nicht. Lass mich bei dem Jungen. Ich möchte bei ihm bleiben.

Das Lila Tuch, das ihn bedeckte, wird jetzt über mich gelegt. Meine Sicht verdunkelt sich.

"Verzeih mir, vergib mir Lichtbringerin", murmelt die Stimme des Mannes. Der Teufel.

"Du musst etwas essen", bittet mich die Dame mit dem Kopftuch. Ich schüttele hartnäckig den Kopf. "Tante, wo ist meine Familie?" Sie zuckt mit den Schultern und reicht mir mein Abendessen.

"Ich weiß nur, dass uns viel Geld gegeben wurde, damit wir dafür sorgen, dass eine gute Familie dich aufnimmt", erklärt sie mir.

"Aber... aber warum sollte mich eine Familie aufnehmen? Ich habe Mama und Baba?" Ich verstehe das nicht. "Möge Allah deine Seele beschützen.", murmelt sie traurig und streichelt mein Haar, bevor sie geht.

Das ist alles so verwirrend für mich. Meine kleinen Beine führen mich zum Fenster. Sehnsüchtig schaue ich auf den Hof, wo die anderen Waisenkinder spielen. Aber ich gehöre nicht hierher?

Ich habe schließlich Eltern. Geschwister.

Ich habe einen Bruder. Ich...ich habe einen Bruder. Ich habe einen Bruder. Ich habe einen Bruder.

Meine Lider fliegen auf, und die Dunkelheit um mich herum scheint undurchdringlich, nur vom silbrigen Glanz des Mondes durchbrochen, der durch die weitläufigen Panoramafenster ins Zimmer dringt.

Schwarzes LochWo Geschichten leben. Entdecke jetzt