𝟎𝟎

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Voller Freude schaue ich auf die Uhr.

5..4.. 3.. 2.. 1..

Pünktlich klingelt das Telefon. Mit einem Lächeln nehme ich den Hörer ab.

"Hier spricht Adelia, Sie sind mit dem Telefonseelsorgedienst verbunden. Was ist Ihr Anliegen?"

Der ältere Mann am anderen Ende der Leitung fängt an zu lachen. "Ich rufe dich jeden Tag an, liebe Adelia, und doch antwortest du, als wäre es das erste Mal."

Jeden Tag ruft mich der ältere Mann an, dessen Namen ich nicht kenne, um mit mir zu sprechen. Es entstand eine Freundschaft.

Ein alter Mann und eine junge Frau im Alter von 22 Jahren, die in der Telefonseelsorge arbeitet. Darüber sollte ein Buch geschrieben werden.

"Was kann ich heute für dich tun?" Ich schnappe mir Stift und Papier und fange an zu kritzeln.

"Mir geht es immer schlechter, Adelia" Ich presse meine Lippen zusammen. "Hast du wieder Blut gespuckt?" Er atmet aus. "Ja"

Einen Moment lang herrscht Stille. "Ich schaffe es nicht mehr lange"

Diese Tatsache macht mich traurig. Er war mein Highlight gegen Ende des Tages. Seine Gespräche haben mich immer aufgemuntert.

"Sag sowas nicht" "Oh doch, meine liebe Adelia, ich kann es fühlen"

Er beginnt leise zu lachen. "Und sag nicht, dass alles besser wird, ich bin ein weiser alter Mann, du kannst mich nicht täuschen"

Ich verdrehe die Augen und schüttele den Kopf. "Aber ich würde deine Anrufe vermissen" das stimmt tatsächlich..

Vor 5 Monaten rief er zum ersten Mal bei der Selbsthilfe-Hotline an und wurde zu mir durchgestellt.

Seitdem ruft er jeden Tag um 17 Uhr an. Und wenn er mit jemand anderem verbunden wird, besteht er darauf, mit mir zu sprechen.

"Ich vererbe dir Geld, Aktien, Autos, meine Firma und ein Haus." "Natürlich tust du das", sage ich ironisch.

Er macht immer diesen Witz. "Dieser Witz ist nicht mehr lustig"

Ich schaue auf meine Zeichnung. Ein Gänseblümchen, wie süß.

"Ich mache keine Witze, Adelia", sagt er ernst. Ist klar.

"Das ist ein Abschied, liebste Adelia." Ich runzle meine Brauen. "Warum sagst du das?"

Ich mache große Augen. "Du hast gesagt, du wirst dich nicht umbringen!"

Als er mich zum ersten Mal anrief, wurde bei ihm Leukämie diagnostiziert. Er war so traurig, dass er sich umbringen wollte, aber ich konnte ihn vom Gegenteil überzeugen.

"Ich werde mich nicht umbringen, aber ich spüre, wie das schwarze Loch mich einholt"

Das schwarze Loch. Er und ich beschlossen, den Tod "schwarzes Loch" zu nennen. Tod klingt so ... grausam.

"Du wirst heute Nacht nicht sterben, versprich es mir"

Ich höre ihn ausatmen. "Das kannst du nicht entscheiden, und ich kann es nicht entscheiden. Das Schwarze Loch nimmt alles und jeden mit. Es spielt keine Rolle, wo und wann."

Ich weiß.. Gott und wie ich es weiss..

"Du hast mir einmal das Leben gerettet, liebe Adelia, aber es wird kein zweites Mal funktionieren"

Ich lege meinen Stift beiseite und massiere meine Schläfe. "Ich habe dein Leben nicht gerettet. Ich habe nur deine Entscheidung beeinflusst."

Einen Moment lang herrscht Stille. "Du rettest jeden Tag Leben. Sei nicht so bescheiden."

Im Hintergrund höre ich ein Rascheln. "Ich muss jetzt auflegen, aber meine liebe Adelia, versprich mir etwas"

Ich bin gespannt, was sein Anliegen sein wird.






"Rette ihn. Sei sein Licht der Hoffnung und ziehe ihn aus seinem schwarzen Loch."

Schwarzes LochWhere stories live. Discover now