19 - Miro und Elena Part IV

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MIRO

Der viele Schnee hat Sankt Petersburg in ein paar Winterwunderland verwandelt. Weiße Hauben auf den Dächern, große Haufen die sich neben den Straßen türmen. Die Newa ist mit einer dicken Schicht Eis überzogen, auf der Mann Schlittschuh fahren kann. Für jeden der diese Stadt zur Weihnachtszeit besucht, sollte dies wohl ein echter Traum sein. Die Lichter strahlen bei Nacht wie Kinderaugen an Heiligabend, erhellen die Stadt in goldenem Licht. Aus dem Penthouse hat man einen fantastischen Ausblick über den Weihnachtsmarkt und die Dächer der Stadt. Dort wo Himmel und Erde eins werden, gibt es nur Schnee.
»Mit der musst du vorsichtig machen Alina«, spricht Elena zu unserer Tochter. Ich sehe ihre Spiegelung in der Scheibe vor mir. Die beiden stehen vor dem hell erleuchteten Weihnachtsbaum und hantieren mit Glaskugeln. »Kann ich sie nicht Yuri geben?«
»Nein Schatz, er ist noch zu klein dafür.«
Alina stößt ein seufzen aus. Als ich mich umdrehe, hängt sie die Bordeauxrote Kugel gerade an einen Ast. Elena reicht ihr die nächste und das kleine Mädchen streckt und hüpft in die Höhe, aber erreicht einfach nicht den Ast, an den sie sie hängen will. Frustriert dreht sie sich zu mir um und hält mir die Kugel entgegen. Ich lächle. »Kannst du mir helfen Papa?«, fragt sie mich schmollend und ich hebe sie wortlos an, damit sie ihre Kugel ganz weit oben platzieren kann. Zufrieden drückt sie mir einen Schmatzer auf die Wange. »Danke«, grinst sie mir entgegen und schlingt ihre kleinen Arme um meinen Hals. »Kein Problem, möchtest du noch eine hinhängen?«, frage ich sie und bekomme von Elena einen Karton mit sechs Kugeln gereicht. Zwei davon fehlen bereits. Begeistert nickt sie und greift nach der nächsten Kugel. Ich trete ein paar Schritte zur Seite und lasse sie dort ein paar hinhängen. Während Alina auf meinem Arm beschäftigt ist, gleitet mein Blick hinunter zu Elena, die mit Yuri auf dem Teppich sitzt und zu mir aufsieht. Den Blick in ihren Augen kenne ich zugut. Sie denkt an den Raub und ich kann es ihr nicht verübeln. Sie muss schrecklich nervös sein aber hat überhaupt keinen Grund dazu. Ja, sie sollte sich etwas entspannen. Vielleicht ein heißes Bad? Räuspernd lege ich den leeren Karton aufs Sofa und setze Alina wieder ab. »Die anderen schaffst du allein, oder?«

Sie nickt, so selbstverständlich wie ein großes Mädchen. Das ist sie immerhin auch. Sie ist schon vier und wenn ich so darüber nachdenke, war sie gestern noch ein Neugeborenes für mich. Die Zeit verfliegt wie nichts. Auch Yuri wird schon zwei. Ausatmend setze ich mich auf den Teppich und betrachte meinen Sohn. Er lacht herzlich auf, als Elena eine Grimasse schneidet. Er ist ein verdammt glückliches Baby.
Kichernd dreht er sich und stolpert, und ich fange ihn gerade so, bevor er mit dem Tannenbaum Bekanntschaft macht. »Wow kleiner Wirbelwind«, sage ich und schnappe ihn mir. Yuri lässt die Kugel fallen und Elena fängt sie auf bevor sie zu Bruch geht. Erleichtert legt sie sich eine Hand ans Herz, und packt das gute Stück zurück in die Schachtel. »Das sind die guten Kugeln die uns deine Mom geschenkt hat«, erzählt sie mir und ich erkenne sie tatsächlich wieder. Früher einmal, waren sie Teil unseres Baumes zuhause, heute gehören sie meiner eigenen Familie. »Die sollten dann lieber ganz oben an den Baum«, scherze ich und erhebe mich wieder. Mit Yuri im Arm laufe ich um das Sofa herum, an Poodle vorbei -der wie fast immer schläft, wenn er nicht durch die Wohnung fegt- und hinein in die offene Küche. »Lass uns mal Abendessen machen, hm?«, lächle ich meinen Sohn an und drücke ihm eine Packung geriebenen Käse in die Hand. Er quetscht sie freudig in seinen Händen, während ich mich am Kühlschrank bediene und alle Zutaten zusammensuche. Während ich das Essen mit einer Hand zubereite, beobachte ich Elena und Alina im Wohnzimmer. Feuer knistert im Kamin und der Hund schläft neben dem Baum. Ich hätte mir nicht perfektes vorstellen können.

Spät am Abend als die beiden endlich schlafen, stehe ich mit Elena im Badezimmer. Hinter mir plätschert das Wasser in die Badewanne und steigt dampfend in die Luft. Sie hat eine Badebombe hineingeworfen und so hat sich das Wasser lila gefärbt und Schaum geschlagen. Während wir uns ausziehen und sie sich die Schminke vom Gesicht wischt, muss ich an unser Vorhaben, und ihr Gesicht vorhin denken. Natürlich ist sie sich noch immer unsicher und nervös. Ich kann es ihr nicht verübeln. Und sie so zu sehen, lässt mich unglaublich schlecht fühlen.
Mit zusammengebunden Haaren, ist sie die erste die ins heiße Badewasser steigt, ich folge ihr und lehne mich gegenüber von ihr gegen den Rand der Wanne. Der Schaum türmt sich bis über ihre Schultern und im Gegensatz zu mir, versinkt sie fast darin. »Bist du okay?«, frage ich sie. Elenas Stirn legt sich kraus und ich spreche weiter.
»Ich meine wegen unserem kleinen Vorhaben. Kommst du klar?«

Sie rutscht seufzend zu mir hinüber und verdrängt jegliches Wasser zwischen unseren Körpern. »Mhm, ich bin nur unsicher«, gesteht sie mir und sieht zu mir auf. Ihre runden Augen sind so weit und tief wie das Universum. Wenn sie mich so anschaut, würde ich alles für Sie tun.
»Ich hab Angst das etwas passiert«, gesteht sie wispernd und schiebt den Schaum von meiner Schulter, damit sie sich dagegen lehnen kann. Unterwasser schließe ich meine Arme um ihre Taille und presse sie dicht an mich. Ihren Körper so nah an meinem zu fühlen, lässt mich wie einen Teenager denken. Sie macht mich wahnsinnig.
»Das wird es nicht. Du musst uns vertrauen, okay? Wenn du das tust, wird nichts passieren. Ich verspreche dir wir sind pünktlich zum Abendessen im Haus meiner Eltern. Vorher lassen wir die Kids von einem Chauffeur hinfahren und wir machen unseren Job. Du denkst zu viel darüber nach«, flüstere ich an ihr Ohr. »Ich würde dich nie mitnehmen, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass alles gutgehen würde«, mache ich ihr klar. Ich würde Elena doch nie auf eine Selbstmord Aktion mitnehmen. Nein, wäre ich mir meiner Sache nicht sicher, hätte ich sie nie gefragt. Seufzend dreht sie sich endgültig zu mir und schaut mich ernst an. »Ich vertraue dir Miro. Das habe ich immer getan«, antwortet sie und ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln. Vorsichtig hebe ich meine nassen Hände an ihre Wangen und ziehe ihr Gesicht dichter vor meins. »Und ich liebe dich, Elena Rochevsko. Du wirst schon sehen, es wird alles wie am Schnürchen laufen.«

24 days til christmas | 18+Where stories live. Discover now