Sie verstehen mich nicht

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Sie zwang mich dazu? Ich sollte wieder mit diesen Menschen reden?!

Meine Schulleiterin schien die Reaktion bemerkt zu haben, denn sie lächelte mir ermutigend zu. „Wir wollen nur dein bestes, Hallee. Es wäre wirklich zu schade, wenn eine so gute Schülerin vom Weg abkommt, nur, weil sie wegen Problemen verhindert wird, am Unterricht teilzunehmen", sie stand auf, meine Tante erhob sich ebenfalls, bevor sie sich die Hände schüttelten.

Ich ließ die Worte sacken.

Sie verstanden es wirklich nicht, oder?

In ihren Augen war ich ein Problemfall, welcher wegen dem Tod ihrer eigenen Mutter den Faden verloren hatte.

Ja, ihr Tod hatte ein riesiges Loch in mein Leben gerissen – das gab ich sogar zu! Aber es war eher das Drumherum, was dafür sorgte, dass ich die Kontrolle verlor.

Ich machte es nicht extra! Ich wollte nicht zu spät kommen! Es waren immer diese Kleinigkeiten, die mir einen Strich durch die Rechnung machten – vergessene Hausaufgaben, ein verschwundenes Fahrrad, ein Unfall... mir wurde alles noch schwerer gemacht.

Doch sie sahen nur eine unglückliche Teenagerin, welche im liebevollen Haus ihrer Verwandten aufgenommen worden war, nachdem ihre Mutter verstarb – andere Sichtweisen zogen sie nicht in Betracht.

„Ich danke Ihnen für Ihre Güte, Mrs. Davis", verabschiedete sich meine Tante gerade, als ich mich ebenfalls vom Stuhl erhob, „Wir werden uns bei Ihnen melden, sobald wir Neuigkeiten haben."

Sie war nicht dankbar – eher was sie enttäuscht.

„Ich freue mich auf Ihren Anruf, Mrs. Jones", ich musste meiner Schulleiterin die Hand geben, „Ich hoffe, bald gute Nachrichten über dich zu hören Hallee."

Ich hatte zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass es die letzten Worte gewesen waren, die ich je von ihr gehört hatte.

Ich hätte mir nie denken können, dass ich sie an jenem Tag zum letzten Mal gesehen hatte – doch ihr Lächeln war die letzte Geste gewesen, die ich wahrgenommen hatte, bevor die Tür ins Schloss gefallen war.

Wenige Tage später fand man sie tot – sie war in ihrem kleinen Bungalow brutal ermordet worden.

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„Passen Sie auf Ihre Familien auf – schließen Sie Fenster und Türen gut ab!"

Die Stimme der Nachrichtensprecherin hallte durch das Haus, als ich gerade aus dem Badezimmer trat. Ich blieb für einen Moment stehen, während ich lauschte.

„Diese Nacht wurden zwei Personen in North Bend, Washington, umgebracht. Bei den Opfern handelt es sich um ein junges Ehepaar, sie wurden bei ihrem nächtlichen Spaziergang brutal niedergestochen. Am Tatort fand man ähnliche Hinweise, wie sie auch bei den anderen vorzufinden gewesen waren – unter anderem war auch wieder der grausame Spruch: ‚Go To Sleep!' neben die Leichen geschrieben worden."

Es gab einen Mörder – und die Polizei konnte ihn nicht schnappen. Seit vier Tagen brachte er ohne erbarmen Menschen um. Selbst meine Tante, die sonst sehr gefasst war, hatte auf einmal ihre Nerven verloren – sie hatte in all dem Trubel vergessen, mein Leben zur Hölle zu machen.

Kein Wunder, Mrs. Davis war einen Tag nach unserem Gespräch ebenfalls ermordet worden – doch ihr Fall hatte nicht so sehr die Runde gemacht.

Der Grund: Es gab keine Hinweise.

Laut mündlichen Überlieferungen war sie in ihrem Haus gefunden worden – das Verrückte: kein Tropfen Blut war in ihrem Körper gewesen.

Ihre Haut hatte eine leere Hülle bedeckt, aufgrund des Mangels hatte sich ihre Haut weiß verfärbt, ihre Augen waren vor Schreck geweitet gewesen.

Man wusste, dass sich dieser Mordfall von den restlichen unterschied – die Polizei ging davon aus, dass es sich um zwei verschiedene Mörder handelte.

Während der eine immer bekannter wurde, hielt sich der andere jedoch zurück.

Er hatte bis jetzt noch nicht wieder zugeschlagen – der Mord sollte ungeklärt bleiben.

Zumindest in ihren Augen.

In meinen sah die Welt ein wenig anders aus.

Ich spürte die Gänsehaut, welche meinen Nacken hochkroch.

Alleine, wenn ich schon daran dachte, wurde mir wieder schlecht – ich hatte das Gefühl, dass ich mich übergeben musste.

Die Polizei mochte vielleicht keine Hinweise gefunden haben...

... aber ich hatte trotzdem eine Verdächtige.

Denn es gab etwas, was den Mord aufdecken konnte – es gab ein Beweismittel.

Es lag in meinem Schrank.

Ich hatte keine Erinnerung – keine Ahnung.

Doch die blutbefleckten Stoffe sprachen Bände – sie bewiesen meine Schuld.

Ich war eine Mörderin.


Golden Blood | Eyeless JackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt