Kapitel 11 - Ein völlig eigenständiger Mensch

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Doch noch bevor Dillon etwas erwidern konnte, ließ mich ein Klopfen an meiner Zimmertür aufschrecken. Vorsichtig stieß mein Dad die weiße Holztür auf und sah mich fragend an, um wohl ein Zeichen zu bekommen, ob er gerade störte.
Lächelnd zeigte ich ihm an, mir nur eine Sekunde zu geben.
„Ich muss auflegen, Dillon. Klar, ich meld' mich. Viel Spaß, bis dann."

Strahlend legte ich das Telefon beiseite und widmete mich von nun an voll und ganz meinem Dad.
„Was gibt's?"
Seufzend trat er in mein Zimmer und rieb sich unsicher die Hände, als er mitten im Raum stand.
Mein Vater war kein großer Redner. Wenn er also mal aktiv auf mich zukam und hier auf meiner Türschwelle stand, dann sicher nicht ohne Grund.

Auffordernd sah ich ihn an, sodass er sich endlich neben mich auf die Matratze saß.
Auf einen Schlag fühlte ich mich wieder wie damals, als ich dreizehn war und mein Vater den Drang verspürt hatte, plötzlich Vater-Tochter-Gespräche mit mir führen zu müssen. Ähnlich unangenehm war es auch wieder in dieser Situation – für ihn, als auch für mich.

„Okay, Julie", seufzte er und schien damit das Gespräch eröffnen zu wollen. Ich tappte vollkommen im Dunkeln, was der Anlass für diese Unterhaltung sein sollte, immerhin war in letzter Zeit nichts vorgefallen. Wir hatten uns wunderbar verstanden, wie immer.
„ich denke, ich sollte es einfach frei von der Leber weg sagen. Julie, ich bin nicht blöd. Ich sehe doch, was hier vor sich geht – und es gefällt mir ganz und gar nicht."

Fragend und irritiert sah ich ihn an. Er sah also, was hier angeblich vor sich ginge und damit war er mir definitiv einen Schritt voraus.
„Okay", runzelte ich verwirrt die Stirn. „Und was wäre das?"
Deutlich hörbar atmete Dad durch, als würde er bedauern, es nun selbst aussprechen zu müssen. Allerdings tappte ich völlig im Dunkeln, wovon er reden könnte. Etwa von Dillon? Er kannte ihn doch überhaupt nicht. Oder doch von meiner fehlenden Zukunftsplanung?

Ernst musterte mich mein Vater. „Du bist inzwischen alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen, allerdings ist das hier immer noch mein Haus. Und was unter diesem Dach passiert, geht mich immerhin doch noch etwas an. Ich dulde Paul Lahote in diesen vier Wänden nicht."

Mit offenem Mund saß ich neben ihm und starrte ihn an – zu perplex, um irgendetwas zu erwidern. Was Dad eben von sich gegeben hatte, war einfach so willkürlich und zusammenhangslos.
„Wie bitte?", war alles, wozu ich im Stande war zu hinterfragen.

„Wie gesagt, ich bin kein Idiot, Julie. Wann immer ich das Haus verlasse, drückt sich Paul Lahote vor unserem Grundstück herum. Ich fahr' zur Arbeit, er steht auf der Straße vor dem Haus. Ich komm' nach Hause, er verschwindet hier um die Ecke. Es war früher schon offensichtlich und das ist es auch heute noch."

Ich traute meinen Ohren kaum. In letzter Zeit hatte ich es geschafft, keine unnötigen Gedanken an Paul zu verschwenden und nun saß hier mein Vater neben mir und warf den Namen „Paul Lahote" in den Raum – noch dazu mit derartigen Unterstellungen.

„Moment mal, Dad", hob ich einhaltend die Hand, um mich für eine Minute zu sortieren und seine Worte sacken zu lassen. „Willst du mir gerade sagen, dass du denkst, ich hätte wieder was mit Paul?"
Als hätte ich soeben nur das Offensichtliche wiederholte, sah er mich tadelnd an.
„Schatz, ich hab' schon einmal zusehen müssen, wie dich dieser Nichtsnutz kaputt gemacht hat und das werde ich mir nicht noch einmal ansehen. Du musst deine eigenen Entscheidungen treffen, aber nicht unter meinem Dach, nicht in meinem Haus."
Er verlieh seiner Stimme mit jedem Wort mehr Nachdruck und sah mich ernst, nahezu flehend an.

Tatsächlich, er war der festen Überzeugung, ich wäre wieder schwach geworden und Paul hätte mich einmal mehr um den Finger gewickelt.
Die Jahre, in denen ich mich emotional immer mehr von Paul abhängig gemacht hatte, waren auch für ihn kein Spaziergang gewesen und wieder erkannte ich in seinen Augen, wie hart es für ihn gewesen war, dass er damals tatenlos dabei zusehen musste.
Keine warnendes, gut gemeintes Wort hatte mich damals erreicht, ich hatte Paul sogar stets vor ihm in Schutz genommen. Er hatte mich schließlich schweren Herzens nach England gehen lassen, nachdem selbst ihm klar war, dass ich mich ohne räumlichen Abstand niemals von Paul hätte lösen können.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now