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Mehrere Tage waren vergangen, seit Jimins Besuch, und die Provokationen, die der pinkhaarige Gast hinterlassen hatte, musste Jungkook nun ausbaden.
Die Türen knallten, als Taehyung mit schlechter Laune hereinkam und so seine Wut symbolisierte. Die schlechte Stimmung zeigte sich nicht nur in seiner Mimik, sondern in seinem gesamten Auftreten. Taehyung raubte Jungkook den Schlaf, indem er morgens über die Lautsprecher ohrenbetäubende Musik abspielte. Abends wiederum verhinderte er, dass der Blonde zur Ruhe kam, indem er den Fernseher auf volle Lautstärke aufdrehte.
Lehrbücher flogen aus den Regalen und machten Bekanntschaft mit dem Boden. Die heiß geliebten BL-Manga von Jungkook büßten einige ihrer kostbaren Seiten ein, deren Fetzen er schweren Herzens aufsammeln musste. Sogar sein Make-up vom Schminktisch fand ungewollt den Weg zum Boden. Bilder von Jungkook und Jimin, die die Regale schmückten, zersprangen plötzlich, und die CD-Sammlung musste mühsam vom Boden aufgekratzt werden.

Das Badezimmer glich einem Schlachtfeld – Handtücher und schmutzige Wäsche lagen verstreut herum, Pflegeprodukte flogen wild herum, und riesige Wasserpfützen bildeten sich, wenn Taehyung aus der Dusche trat. Seine Kleidung war überall verstreut, und generell vergaß Taehyung, Ordnung zu halten, und hinterließ nur Chaos. Jungkook räumte hinter ihm auf, um zu verhindern, dass seine Eltern von dem schlechten Verhalten ihres Gastsohnes etwas mitbekamen. Jungkook fühlte sich für die schlechte Laune seines Mitbewohners verantwortlich, also musste er es auch wieder in Ordnung bringen – zumindest dachte das der Blonde.
Es war für Jungkook ein einziger Albtraum. Er wurde mit tödlichen Blicken gestraft und mit noch abfälligeren Worten beschimpft als ohnehin schon. Eigentlich fehlte nur noch, dass Taehyung gewalttätig wurde, und das war bisher nicht der Fall – noch nicht. Dabei hatte sich der Blonde die größte Mühe gegeben, seinen Austauschpartner zufriedenzustellen, gab keine Widerworte und ertrug den Terror mit einem Lächeln.

Gerade als er dabei war, die Erde einer umgekippten Pflanze aufzuwischen, da diese Taehyung wohl im Weg stand und versehentlich umgekippte, atmete er tief durch und nahm es stillschweigend hin. Es machte ihn zwar traurig, aber er wusste nicht, wie er diese Situation ändern könnte. Taehyung kam nur hinter der Trennwand hervor, um Jungkook Hose und Oberteil ins Gesicht zu werfen, bevor er wieder verschwand.
Seufzend schob Jungkook das Shirt von seinem Gesicht und sah Taehyung hinterher. Er wünschte sich einfach, dass er seinem besten Freund niemals etwas erzählt hätte, denn Taehyung war noch wütender als zuvor und zerstörte alles, was für ihn unwichtig aussah.

Als dann auch noch das Licht einfach ausging und es dunkel wurde, rollte eine einzelne Träne über Jungkooks Wange. Verzweiflung und Frustration durchzogen ihn, und er hätte am liebsten laut losgeheult. Mit Taehyungs Kleidung in der Hand stand er auf und ging zum Bett, auf dem der Dunkelhaarige lag, wie immer mit dem Laptop auf dem Schoß.
Jungkook ballte die Fäuste und biss die Zähne so fest zusammen, dass sein Kiefer schmerzte. Er starrte einfach nur den Jungen an, der nur vom Bildschirm des Laptops erhellt wurde, und dieser schenkte ihm keinerlei Beachtung, als wäre er gar nicht Existenz. Jungkook kämpfte mit sich selbst. Sollte er ihn anschreien und ihm sagen, dass es genug war, oder sollte er einfach wieder gehen? Doch je mehr er über die letzten Tage nachdachte, wie Taehyung ihn behandelt hatte, desto wütender wurde er.

Mit einem Ausdruck grenzenloser Frustration schleuderte Jungkook die Kleidung, die er noch immer in der Hand hielt, mit voller Wucht auf den sitzenden Taehyung und fixierte ihn mit einem wütenden Blick. "Weißt du, du kannst dir nicht alles erlauben, Taehyung!", schrie Jungkook plötzlich.
Die Wut brodelte in Jungkook hoch, als er seine Gedanken aussprach. "Mich nervt dein Verhalten so sehr. Du tust, was du willst, und zerstörst wahllos meine Sachen. Weißt du eigentlich, wie verletzend dein Verhalten ist?", fragte er mehr verzweifelt als wütend. Er stampfte sogar, wie ein beleidigtes Kind, mit dem Fuß, er wusste, dass dieses Verhalten kindisch war, doch es passierte einfach, ohne dass er es kontrollieren konnte.
Die Tränen stiegen in ihm auf, doch er kämpfte verzweifelt darum, sie zurückzuhalten. "Du kannst mich nicht ausstehen, ich habe es verstanden Taehyung, wirklich. Du hasst mich und findest mich ekelhaft. Ich hab's kapiert, also bitte, hör auf, alles zu zerstören, und sei erwachsen", flehte Jungkook.
Taehyung hatte mittlerweile seinen Laptop beiseitegestellt und setzte sich am Bettrand nieder, um der Predigt zuzuhören. "Woher der plötzliche Mut, mir zu widersprechen?", fragte Taehyung herablassend, während ein spöttisches Lächeln sein Gesicht zierte. Jungkook schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen weg. "Das ist kein Mut, das ist pure Verzweiflung", versuchte der Blonde zu erklären.

Jungkook kämpfte darum, seine Tränen zurückzuhalten, obwohl sie bereits liefen. Er versuchte das drückende Gefühl in seinem Hals hinunterzuschlucken, während seine zusammengeballten Fäuste vor Anspannung zitterten. Er war wütend – wütend auf Taehyung. Wütend darüber, dass er sich nicht durchsetzen konnte, wütend darüber, dass er erst an den Rand gedrängt werden musste, bis seine Gefühle explodierten. Und besonders wütend war er auf sich selbst. Noch wütender darüber, dass er ihm nicht einfach eine verpassen konnte, denn er war nicht gewalttätig und wusste auch, dass er ohnehin keine Chance gegen Taehyung hätte – viel zu schmächtig war er dafür. Und am meisten hasste er sich dafür, dass er vor Taehyung weinte.
"Denkst du nur, weil du heulst, habe ich Mitleid mit dir?", fragte Taehyung kühl, sah den Jungen vor sich weiterhin gleichgültig an, während er sich erhob. "Das zieht bei mir nicht."
"Darum geht es doch gar nicht!", brüllte Jungkook. "Ich sage doch auch nichts gegen dich. Ich verurteile dich nicht dafür, dass du ein Arschloch und unausstehlich bist! Ich versuche alles, um dir den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu machen. Ich bin nett zu dir und lasse dich in meinem Bett schlafen, anstatt auf der unbequemen Couch. Ich ändere sogar mich selbst, damit du dich wohler fühlst. Ich verlasse sogar den Raum, wenn du ihn betrittst, damit du mich nicht ansehen musst", ließ Jungkook all seinen aufgestauten Frust raus. "Was muss ich denn noch tun?", fügte er die Frage weinerlich hinzu.

Taehyung hatte mittlerweile seinen Blick von den Blonden abgewendet und starrte in die Dunkelheit. Der Laptop-Bildschirm, der in diesem Moment die einzige Lichtquelle war, hatte sich mittlerweile in den Stand-by-Modus versetzt und ging aus – zu Taehyungs Glück. Denn so konnte Jungkook nicht sehen, dass er sich das, was er ihm sagte, zu Herzen nahm und ernsthaft darüber nachdachte. "Beruhig dich erst mal", sagte Taehyung.
Jungkook schluckte schwer, versuchte verzweifelt tief durchzuatmen und wischte sich immer wieder die neuen Tränen weg, die aufstiegen. "Ich will mich nicht beruhigen", flüsterte Jungkook und griff wie ein Reflex nach Taehyungs Oberteil und krallte sich hinein. Er lehnte seine Stirn gegen die Schulter des leicht Größeren und schniefte einmal.

Taehyungs Körper verkrampfe sich schlagartig und seine Fäuste spannten sich an, aber schubste den Jungen nicht von sich. "Ich will einfach nur, dass diese asoziale, respektlose Art aufhört. Ich habe dir doch nichts getan. Es ist verletzend", flüsterte Jungkook weiter.
Der Dunkelhaarige spürte, wie Jungkook am ganzen Körper zitterte, obwohl sie sich kaum berührten. Dann sagte Taehyung etwas, womit wohl beide niemals gerechnet hätten. "Tut mir leid."
Jungkook weitete überrascht seine Augen, aber hob seinen Kopf nicht an, lächelte dann schwach und entfernte sich wieder von ihm. "Tut mir auch leid, dass ich dich einfach berührt habe. Ich weiß, dass du es nicht magst", entschuldigte sich Jungkook und ging dann wieder in den vorderen Teil des Zimmers und schmiss sich auf die Couch.

Taehyung seufzte leise und ließ sich auf das Bett sinken, während er darüber nachdachte, was gerade passiert war. Jungkook auf der Couch fühlte sich innerlich zerrissen. Seine Gefühle schwankten zwischen Wut, Frustration und einem Hauch von Erleichterung. Warum war alles so kompliziert zwischen ihnen? Wieso konnte Taehyung nicht einfach verstehen, wie sehr er sich bemühte und wie sehr ihn sein Verhalten verletzte?

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Austauschschüler - one year ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now