Kapitel 11

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♠Yves♠

Nachdem ich von Liam nach Hause komme und in meine Einfahrt biege, trifft mich fast der Schlag.

Was zum Teufel soll das denn?

Die Außenwände unserer Garage sind verschmiert mit schwarzer und bunter Farbe. Eine Pride Flag wurde aufgemalt und mit schwarz durchgestrichen. Daneben ein Lagerfeuer, in das zwei Menschen springen oder von zwei anderen gestoßen werden. Zumindest scheint es so, als sollte es das bedeuten. Darüber steht in hässlicher Schrift: "Verbrenen solt ihr schwuchtlen"

Als ich den Satz lese fange ich lauthals an zu lachen, denn ich habe noch nie so viele Fehler in einem Satz, geschweige denn so eine miese Höhlenmalerei gesehen.

Doch der Sinn dahinter lässt mich gleichzeitig sauer und traurig werden und das Lachen bleibt mir im Hals stecken. Ich weiß dass die Toleranz heutzutage viel besser geworden ist als früher, doch leider gibt es immer noch so viele homophobe Arschlöcher auf dieser Welt. Ich frage mich, wer es war. Jemand aus dem Wahlkampfbüro? Was nicht abwegig wäre, denn so wie sie sich in letzter Zeit Phoenix gegenüber verhalten haben, kann ich mir das gut vorstellen. Oder war es doch einer der Nachbarn? Immerhin hatte Phoenix auch diese schlimmen Alpträume mit ihnen in der Hauptrolle, von deren Inhalt er mir letztendlich dann doch erzählt hatte.

Seufzend steige ich aus dem Auto aus und schlage die Autotüren zu, meinen Blick auf das Haus meiner Nachbarn geheftet. Am Küchenfenster steht die Nachbarin und sieht mich angeekelt an. Seit wann bitte ist sie so offensichtlich? Normalerweise grüßt sie immer freundlich, zumindest mich. Kopfschüttelnd drehe ich mich um und trete nach kurzer Wegstrecke in unser Haus.

Nachdem ich mich umgesehen habe, wer weiß was man uns vielleicht durchs Fenster geworfen hat, setze ich mich mit einer Flasche Bier auf das Sofa, trinke einen Schluck und lasse das Gespräch mit Liam Revue passieren.

Ein "Pling" von meinem Handy lässt mich darauf schauen. Phoenix hat ein neues Video gepostet.

Als ich das Video von seiner Ankunft im Resort gesehen habe, war ich erleichtert, dass es ihm gut geht und er gefallen am Resort gefunden hat.

Jetzt sind ein paar Stunden vergangen. Ich schätze, dass er sich ein wenig hingelegt hat, denn als ich ihn zum Zug gebracht habe, war er schon erschöpft. Die Nacht war wieder ein einziges Chaos.

Ich öffne seinen Account und sehe mir die Videoclips an.

Stirnrunzelnd verfolge ich, was in jedem einzelnen Clip passiert. Phoenix im Arm eines Fremden. Phoenix, der Bruderschaft mit Küsschen trinkt. Irgendein Fremder, der an Phoenix herumfummelt und ihm letztendlich sein Netzshirt und die rote Hose, die ich so an ihm liebe, auszieht, während ein anderer ihm am Hals leckt. Macht er ihm einen Knutschfleck? Was zum Teufel läuft da?

Wütend schleudere ich mein Handy auf den Sessel, der mir gegenüber steht. Dann stehe ich auf und laufe hin und her, während ich mir mein Hirn zermartere. Ich habe Phoenix nicht dort hingeschickt, damit er sich vollaufen und fremdgehen kann.

Nein! Halt, Stop! Ich vertraue meinem Mann. Flirten ist sein Leben und ich bin mir seiner Liebe sicher genug, um das auszuhalten. In den Videos, die ich bis jetzt gesehen habe, hat er außerdem niemals die Initiative ergriffen. Auch wenn er sich kläglich bis gar nicht gewehrt hat. Trotzdem macht es mich unfassbar sauer. Was er da macht ist zumindest mal verantwortungslos. Was, wenn jemand seinen Zustand ausnutzt? Er mag mich in diesem Fall nicht betrügen, aber sich so gehen zu lassen und alles zu riskieren? Ist das nicht auch eine Art von Betrug?

Ich schnappe mein Handy und wähle Phoenix Nummer. Einmal, zweimal, ein drittes Mal und auch da geht er nicht ran. Verdammte Scheiße!

Dann klingelt mein Handy und ohne auf das Display zu schauen, gehe ich ran.

"Moreau?"

Ich kann es nicht ändern, aber meine Stimme zeigt meinem Gegenüber, dass ich wütend bin.

"Gott, Yves, es tut mir so leid. Ich versuche schon die ganze Zeit, ihn zu erreichen. Du auch? Ging er bei dir ran?"

Ich höre die Verärgerung in Easys Stimme, aber noch mehr seine Besorgnis. Ob um seinen besten Freund oder um mich, das weiß ich nicht, doch ich bin froh, dass es mir nicht alleine so geht.

"Das ist eindeutig der Phoenix von früher, Yves. Ich mache mir Sorgen, dass er wieder in das Muster von damals fällt, bevor er dich kennengelernt hat. Der Abend ist noch jung. Ich will nicht wissen, was da noch so abgeht."

"Easy, lass es gut sein. Ich will es auch nicht wissen. Ich vertraue Phoenix zu hundert Prozent. Den fremden Typen allerdings nicht, und auch nicht dem Alkohol. Ich bete einfach, dass er bald an sein Handy geht."

"Ich auch, ich auch."

Während Easy und ich telefonieren, schreibe ich ein paar Nachrichten an Phoenix, in der Hoffnung, dass er wenigstens diese liest, doch das ganze Telefonat über bleiben die Haken grau.

***

An Schlaf war kaum zu denken. Die Nacht zog sich elend lang hin und meine Gedanken machten mich wahnsinnig. Immer wieder schaute ich auf Phoenix Social Media. Die Party uferte immer mehr aus. Irgendwann filmte er, oder auch jemand anderes, denn man kann gut sehen, dass sein Handy immer wieder den Besitzer wechselt, wie zwei der Gäste sich gegenseitig einen blasen.

Am nächsten Morgen denke ich nur, Gott steh ihm bei, wenn er aufwacht und die Ernüchterung ihn einholt. Ich hoffe so sehr, dass er dann im Resort jemanden hat, mit dem er sprechen kann und er mit seinem Gewissen und den folgenden Konsequenzen nicht ganz alleine ist.

Immer wieder versuche ich ihn anzurufen. Bis er endlich rangeht. Und ich kann nicht sagen, ob ich erleichtert oder einfach nur wütend bin, denn er scheint so viel getrunken zu haben, dass er nicht einmal einen Hauch einer Ahnung davon hat, was passiert ist.

Doch ich spüre jetzt schon sein Leid, das auf ihn zukommen wird. Er war angespannt, verwirrt und ziemlich ratlos und ich wünsche mir nichts sehnlicher als jetzt bei ihm zu sein und ihn zu halten und zu stützen, wenn er zusammenbricht.

Ich konnte ihm nicht einmal von Liam, oder den Nachbarn erzählen, obwohl ich das eigentlich machen wollte, doch jetzt muss Phoenix erstmal mit seiner Schmach kämpfen, bevor ich ihn noch tiefer ziehe. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ihn alleine ins Resort zu schicken.

Resort de la Pheya 16 - PhoenixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt