Prolog

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Heya

Ich bin gerade dabei die Gästelisten der nächsten Wochen durchzusehen und werde zum dritten Mal dabei unterbrochen. Ich knurre meinen Lieblingssatz aus dem "Bastard-Operator-of-Hell" vor mich hin: "Wieso klingelt das Telefon? Ich dachte, ich hätte das repariert?" Dann lächele ich, nehme ab und säusele meine Standardbegrüßung in die Muschel. "Hallo, sie sprechen mit Heya, der Chefin höchstpersönlich, was kann ich für sie tun?"

Paul meldet sich im Gegensatz zu mir natürlich ordnungsgemäß, aber er klingt dabei leicht belustigt und ein breites Lächeln legt sich auf mein Gesicht, denn ich liebe diese feine aber sichtbare Veränderung. Seit er mit Neo zusammen ist, hat seine Steifheit eine Nuance von Fröhlichkeit erhalten, die ihn noch liebenswerter macht und seiner professionellen Freundlichkeit einen persönlichen Glanz verleiht. Erneut fällt mir ein, dass ich mit Phedoka über eine Lohnerhöhung für ihn sprechen muss. Aber eigentlich müssten wir alle Gehälter mal anpassen. Am Besten ich bitte meinen Schnuffel um Vorschläge. Ich wette, er hat schon eine passende Excel-Liste in petto für solche Fälle.

"Ich habe Yves Moreau in der Leitung. Er braucht unsere Hilfe und ich denke, du bist diejenige, die hier am schnellsten helfen kann." Ich nicke und schicke dann ein "Okay, stell ihn durch" hinterher, als mir klar wird, dass wir noch immer kein Bildtelefon haben. Wieso eigentlich nicht? Ich muss mal mit Val darüber reden, oder ist Zander dafür verantwortlich? Man, je größer wir werden, umso schwerer ist es, den Überblick zu behalten.

Paul lässt mich noch wissen, dass er sich an Yves Zimmerbestellung erinnern kann und vermutet, dass er nicht unbedingt mit Geld um sich werfen kann, bevor er durchgestellt wird. Guter Mann, er weiß, dass ich solche Informationen liebe, weil sie mir meine Entscheidungen erleichtern.

"Hallo Yves, du brauchst meine Hilfe? Sag mir welche und ich sag dir, was wir tun können." Mein fröhlicher Tonfall wird dieses Mal von einem echten Lächeln begleitet.

"Ahem, ja, Hallo Heya!" Ich warte geduldig, bis er sich von meinem 'Überfall' erholt hat. Die Sache ist die. Wenn jemand zu mir durchgestellt wird, dann nur, weil unser Personal meine Hilfe oder eine Entscheidung braucht, die sie alleine nicht bewältigen können. Das bedeutet, diese Gäste haben bereits das Herz meiner Leute gewonnen und sie wollen, dass ihnen geholfen wird. Warum soll ich mich da noch mit Siezen aufhalten, was ich sowieso nicht mag? Ich will keinen Abstand zu ihnen aufbauen, sondern Nähe erzeugen, die es ihnen erleichtert, um Hilfe zu bitten und sich von Anfang an hier wohl zu fühlen, und das geht viel besser mit einem Du.

Ein Möchtegern, der verlangt, eine Chefin zu sprechen, weil ihm die Antwort unseres Personals nicht gefällt oder er sich für ach so wichtig hält, würde nicht zu mir durchgestellt oder nur mit einer entsprechenden Warnung. "Nein" sagen kann bei uns jeder ganz ohne dass Phe oder ich Händchen halten müssen.

"Es geht um die Mini-Suite, welche du - Ich darf doch du sagen? - ab nächste Woche für zwei Wochen gebucht hast, richtig?"

Es bleibt ruhig und ich stelle mir vor, wie er nickt, bevor ich ihn leise auflachen und dann zustimmen höre. Verdammt dieses Bildtelefon hätte wirklich was für sich, oder?

"Meinem Partner geht es nicht so gut und da man ihm gerade fristlos gekündigt hat, würde ich gerne die Buchung des Zimmers um ein paar Tage nach vorne verlängern. Ich selbst werde außerdem vielleicht etwas später kommen, weil ich hier ein paar Dinge gerade rücken möchte, bevor ich mich ganz auf den Urlaub konzentrieren kann. Aber Paul meinte, dass mein gebuchtes Zimmer vorher schon ausgebucht ist."

Oh Schnuckel, was Paul vor allem meinte ist, dass er dir unnötige Ausgaben ersparen will.

"Yves, natürlich finden wir eine Lösung. Was ist denn passiert? Und was braucht dein Freund jetzt vor allem anderen?"

Yves seufzt und fährt dann etwas entspannter fort. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie ein freundliches Wort und ein offenes Ohr anderen schon mal die Last von den Schultern nehmen können. Ich grinse zufrieden vor mich hin, denn das ist es, was mir so Spaß an meinem Job macht. Mit Leuten kommunizieren und ihnen etwas Gutes tun. Wenn sie glücklich sind, strahlen sie das aus und das wirkt sich auf jeden um sie herum, sie selbst und auch auf mich aus.

"Die Sache ist die", erklärt er und ich weiß schon vorher, dass er mir vermutlich mehr erzählen wird, als üblich. Tja, so ist das leider mit mir. Ich bringe Leute zum Reden.

"Mein Mann wurde in den letzten Tagen nicht gerade fair behandelt und ich denke, je eher er hier rauskommt, desto besser. Ich mache mir wirklich Sorgen. Er braucht unbedingt ein gesundes und freundliches Umfeld, damit er wieder zu sich kommen kann."

"Mobbing also? Und auch noch erfolgreich, wenn ihm gekündigt wurde, richtig? Okay." Während ich mit ihm spreche, klicke ich schon in den Buchungsinformationen herum und den Wartelisten, die wir haben. Dann greife ich mir ein Blatt mit unserem Resort-Logo oben rechts in der Ecke und einen roten Stift - ich liebe es in rot zu schreiben. Phedoka lacht immer, weil ich sonst ja eher dunkle und gedeckte Farben bevorzuge.

"Das ist dein Innerstes, das nach Farben schreit!" Vielleicht hat sie recht.

"Okay, wenn ihm ein bisschen Lärm nichts ausmacht, dann kann ich ihm Zimmer 286 anbieten. Die anderen Zimmer auf dem Gang sind von einer Gruppe Junggesellen gebucht, die einen von sich in die Ehe verabschieden wollen, da kann es schon mal zu nächtlichen Ruhestörungen kommen. Dafür ist es ein hübsches kleines Zimmer mit viel Komfort und auch etwas Platz, um sich darin aufzuhalten, wenn man sich mal zurückziehen möchte. Hier könnte ich ein besonderes Angebot machen, wegen der zu erwartenden Lärmbelästigung."

Ich klicke weiter und notiere mir eine weitere Möglichkeit.

"Oder alternativ Zimmer 437. Es ist kleiner, aber etwas luxuriöser ausgestattet und somit etwas teurer und liegt außerdem in einem der ruhigen Gänge mit tollem Ausblick auf die Berge."

Yves muss wohl nicht lange überlegen. "Phoenix wird sich auf keinen Fall in einem ruhigen, abgelegenen Zimmer wohl fühlen", lacht er leise und gesteht mir, dass er ihn sehr gern dort sehen würde, damit er sich entspannt. Aber er kennt seinen Schatz zu gut, um ihm das anzutun. Ich mag ihn. Yves ist seinem Liebsten eindeutig sehr zugetan und würde scheinbar vieles in Kauf nehmen, damit es diesem besser geht. Allein dass er das billigere Angebot nicht annimmt, obwohl es schlechter zu seinem Geldbeutel und seinem eigenen Geschmack passt, dafür aber zu seinem Liebling, sagt schon viel über ihn aus. Und was für einen schönen Namen sein Partner hat. Ob er wie besagter Vogel kurz davor ist zu verbrennen? Nun, wir werden ihm helfen, gestärkt aus der Asche wieder aufzuerstehen. Geduldig wickle ich die neue Buchung ab und dann mache ich ihm gleich noch ein weiteres Angebot.

"Sobald du weißt, wie viele Tage du später kommst, sag mir Bescheid. Ich habe hier ein Paar aus der näheren Umgebung, das nur darauf wartet, eine Mini-Suite für eine oder zwei Nächte in dieser Zeit mieten zu können. Und solltest du dann doch eher kommen, kannst du auch für eine Nacht bei deinem Schatz schlafen, da sind wir nicht so."

Während wir die Daten und Termine festzurren, kann ich spüren, wie Yves ein Stein vom Herzen fällt, man hört ihn regelrecht auf den Boden poltern. Solche Liebe muss man fördern und unterstützen, oder nicht?

Nachdem ich aufgelegt, die veränderten Buchungen ins System eingetragen und entsprechende Vermerke an alle gesendet habe, die davon wissen müssen, erhebe ich mich träge, strecke mich und mache mich dann auf den Weg zu Paul. Ich will, dass er sich besonders um den jungen Mann kümmert, wenn dieser hier ankommt.

"Das beste Mittel gegen Mobbing ist Verwöhnung. Und bitte sag allen, sie mögen ein Auge auf ihn halten. Nicht dass es mit ihm so weit kommt wie damals mit Daryll. Rufst du mich dazu, wenn er kommt? Ich würde ihn gerne persönlich begrüßen und mir ein Bild von ihm machen."

Resort de la Pheya 16 - PhoenixWhere stories live. Discover now