Kapitel 11

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ELODIE

Nachdem Tante M. nichts weiter gesagt hatte und wir schweigend unseren Tee genossen, lief ich querfeldein zurück nachhause. Heute war noch die Geburtstagsparty von Svenja. Es reizte mich gerade absolut nicht und die verlockung mich ins Bett zu legen und hoffentlich von Golan zu träumen, war beinahe zu gross. Innerlich verfluchte ich mich gerade, zur Geburtstagsfeier zugesagt zu haben. Könnte ich jetzt noch streiken? Schon suchte ich nach glaubwürdigen Ausreden. Das wäre irgendwie unfair gegenüber von Mel, so kurzfristig abzusagen. Vielleicht es würde meine Gedanken etwas ablenken und das konnte ich gerade gebrauchen. Es war doch verrückt, früh zu Bett zu gehen, um von einem Mann zu Träumen.
Ich hatte mit Mel abgemacht, dass sie mich abholt und wir dann zusammen zu Svenja fahren. Ich hüpfte schnell unter die Dusche, zog dann eine enge schwarze Jeans an und eine schlichte elegante Bluse. Die nassen Haare kämmte ich durch, liess sie dann aber machen, was sie wollten. Das taten sie ja sowieso.
Schon hupte auf dem Vorplatz ein Auto und ich schlüpfte in meine braune Lederstiefel und schnappte mir meine Jacke. Ich trat aus der Tür und konnte mich gerade noch davon abhalten stocksteif stehen zu bleiben. Wer sass denn jetzt bei Mel im Auto? Samael? Ihr Ernst? Ich schloss hinter mir die Tür. Das gab mir gerade genug Zeit um mich zu fassen. Ich wollte doch heute Abend abschalten und jetzt war Samael unsere Begleitung. Tief einatmen, umdrehen und auf das Auto zugehen. Samael war in der Zwischenzeit ausgestiegen und hielt mir die Beifahrertür auf. "Hi Samael" begrüsste ich ihn mit einem freundlichen Lächeln und stieg ein. Er schloss die Tür sachte und setzte sich auf die hintere Bank, hinter mich. "Hey Mel." begrüsste ich nun auch Mel fröhlich, warf ihr aber einen vielsagenden Blick zu. Sie lächelte nur süffisannt und tat als wüsste sie nicht, was dieser Blick bedeuten soll.

Die Fahrt über stimmten wir uns mit Partymusik auf Svenjas Geburtstag ein. Sie war so laut, dass man kaum miteinander reden konnte und das fand ich gut so.
Es war nicht weit bis zu Svenja. Sie wohnte etwas mehr in der Stadt, etwa 30 Minuten von mir Daheim entfernt.
Kaum hatte Mel das Auto geparkt und unsere Musik verstumm, so nahmen wir schon den Bass der Party wahr. Mel hüpfte regelrecht aus dem Auto und steuerte zielstrebig auf die lauterwerdende Musik zu. Samael und ich beeilten uns, um mit ihr Schritt zu halten. Vor der Haustür auf der Veranda standen bereits ein Paar Freunde mit Getränken in der Hand und unterhielten sich ausgelassen. Es beeindrukte mich jedes Mal, wenn ich vor Svenjas riesen Haus oder eher Villa stand. Es war bereits dunkel draussen und im Haus brannte überall Licht.
Mel stürmte die Stufen hinauf und direkt durch die Eingangstür. Als wir oben ankamen, war sie bereits in der Menge verschwunden. Wir standen also beide für einen Moment im Türrahmen und unsere Blicke schweiften durch die Menge. "Elodie, schon viel zu lange nicht mehr gesehen!" Svenja viel mir um den Hals. "Hey Svenja, da bin ich vollkommen deiner Meinung und alles Gute zu deinem Geburtstag." ich drückte sie fest. Als sie sich dann löste von mir, gleitete ihr Blick zu Samael. "Oh du hast mir garnicht gesagt, dass du einen Freund hast." rief sie freudig überrascht und streckte ihm die Hand hin. "Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Svenja." Samael nahm ihre Hand und schüttelte sie freundlich. Ich wartete drauf, dass er ihre Bemerkung richtig stellte. Er war nicht mein Freund. "Ganz meinserseits, ich bin Samael und möchte dir auch gratulieren."
Hinter seinem Rücken zog er ein Kleines Geschenk hervor und überreichte es ihr. "Das ist von uns beiden." meinte er dazu.
Ich blickte doppelt überrascht zu ihm auf. Keine Richtigstellung unserer Beziehung und jetzt noch ein Geschenk von uns beiden, von dem ich nichts wusste? Er ignorierte meinen Blick und schenkte Svenja ein Lächeln. Diese strahlte über beide Ohren und bot uns was zu trinken an. Wir zogen hinter ihr her durch die Menge, bis wir in ihrer Küche waren. "Was wollt ihr trinken? Wir haben quasi Alles da."
Sie strahlte uns abwächselnd an.
"Einen Martini?" schlug sie vor und hielt die Flasche hoch. Ohne unsere Zustimmung abzuwarten goss sie davon in drei Gläser und warf noch ein paar Eiswürfel hinein, ehe sie uns die Gläser anbot und selber auch eines hochhielt. "Auf mich?" schertzte sie. "Ja auf dich!" Wir stiessen miteinander an und nahmen einen Schluck. Sie wusste einfach was ich mochte.
"Svenjaaa." rief jemand nach ihr und sie tauchte in die Menge und liess uns alleine in der Küche zurück.
"Was ist in dem Geschenk, dass du Svenja gegeben hast?" richtete ich mich am Samael.
"Eine Halskette mit einem dazu passenden Armband." "Wauw" Das gefällt ihr bestimmt, aber wieso hat er ihr gesagt es wäre von uns beiden? "Aber es ist nicht von uns beiden." Stellte ich richtig. "Mel ist mit eurem Geschenk davongerannt und da standest du ohne da." Er zuckte nur mit den Schultern. Ein echt süsser Zug von ihm. Meinem Ex Alex, wäre das nie aufgefallen. Ich sollte mich ja eigentlich bei ihm bedanken aber ich hatte ihn nicht um Hilfe gebeten also...
Mein Blick wanderte über die Menschen um uns herum. Die meisten waren im Wohnzimmer oder auf den Fluren und immer wieder kamen einzelne in die Küche und beluden sich mit Getränken für sich und ihre Freunde. Es waren nur Gesichter die ich nicht kannte. Svenja studierte jetzt an irgendeiner Hochschule in der Stadt und hatte haufenweise neue Freunde, die ich nicht mehr kannte. Als wir noch in der Grundstufe waren und da Partys gefeiert hatten, kannten wir immer beinahe alle Anwesenden. Nun hatten wir uns etwas auseinandergelebt und ewig nicht mehr miteinander gefeiert. "Ich werde Mel suchen gehen." sagte ich zu Samael. Ich wollte nicht noch länger neben ihm in der Küche stehen und wusste gerade nicht was ich sonst mit ihm reden sollte. "Ich komme mit."
Ohne etwas zu erwiedern ging ich auf die Menge zu und drängte mich hindurch, in Richtung Wohnzimmer. Samael war dicht hinter mir. Er konnte problemlos über die Menge schauen und griff mich plötzlich an den Schultern. Ich stoppte und drehte mich zu ihm. Er beugte sich dicht zu mir und musste dennoch beinahe schreien, dass ich ihn verstand. "Da hinten ist Mel."
Mit dem Finger deutete er in die eine Ecke des Wohnzimmers. Also schlugen wir den Weg in diese Richtung ein.
Die einen waren schon etwas betrunken und erschwerten mir das durchkommen.
Zwischen zwei Köpfen kam mir plötzlich ein Gesicht bekannt vor.
Alex.
(beschreiben?)
Er blickte genau in meine Richtung und schon hatte er mich entdeckt. Er nickte mir lächelnd zu und bahnte sich nun einen Weg zu mir durch die dicht gedrängten Leute zwischen uns.
Scheisse.

Es war nicht so, dass er mir etwas getan hätte. Ausser Schluss zu machen, aber das konnte man nicht so recht zählen. Er hatte mir mein Selbstbewusstsein genommen ohne das zu wollen. Ich war nicht gut genug für ihn. Das war es jedenfalls, was mein Unterbewusstsein wusste. Mein Kopf kämpfte dagegen an und auch meine Familie und Freunde sagten, es läge nicht an mir. Ich wollte ihnen so gerne glauben, aber es gelang mir lange nicht. Nun nach über einem Jahr ging es mir gut aber jedes Mal, wenn ich ihn sah, fing alles wieder von vorne an.
Mein Selbstbewusstsein bröckelte wie eine alte Steinmauer voneinander.
Jetzt noch so zu tun, als hätte ich ihn nicht gesehen wäre kindisch. Somit bleibt mir nichts anderes übrig, als den Schein einer selbstsicheren Frau zu wahren.
Ich kippte kurzerhand den restlichen Martini runter und stellte das Glas auf ein kleines Tischchen neben uns.
"Hallo Elodie, schon lange nicht mehr gesehen." schon war er da. Bemüht fröhlich grüsste ich ihn zurück und zwang mich zu einer kurzen, lockeren Umarmung. Ich hasste es ihm nahe zu sein. Es erinnerte mich an damals und mittlerweile wusste ich, dass wir niemals dahin zurückkehren konnten. Anfangs nach unserer Trennung hoffte ich so sehr, er käme zurück und würde um mich betteln. Aber je mehr Zeit verging, desto klarer wurde mir, dass ich nicht so wichtig gewesen war für ihn, wie er für mich. Das traf mich dann nochmals hart.

Endlich konnte ich etwas Platz zwischen uns schaffen als er mich losliess und trat einen Schritt zurück. Er aber machte einen Schritt zur Seite und neben ihm erschien eine bildschöne Frau. Ihr Haar war perfekt frisiert das Gesicht mit ein wenig Schminke so natürlich schön und ihr Kleid betonte ihre hinreissende Figur. "Darf ich dir Akemi vorstellen." perplex glitt mein Blick zurück zu ihrem Gesicht. "Freut mich dich kennenzulernen Akemi." brachte ich gerade noch heraus bevor es in einem komischen Schweigen enden konnte. Dazu ergriff ich ihre Hand und schüttelte sie.
Seine neue Freundin, hallte es in meinem Kopf.
Hübscher. Klüger. Selbstsicherer. Perfekter.
Alex sagte etwas zu mir, aber nichts davon gelangte in meinen Kopf.
Perfekter. Nicht gut genug. Hallte in meinem Kopf wieder und wieder.

Da spürte ich ein Hand an meiner Hüfte und sachte zog mich jemand zu sich hin.
"Möchtest du mich denn nicht auch vorstellen Schatz?" Überrascht blickte ich zu Samael hoch. Er hielt mich locker im Arm und schenkte mir ein verschmitztes Lächeln. Danach wandte er sich zu Alex umd streckte ihm seine Hand hin. "Ich bin Samael, Elodies Freund." Erklärte er sich und strahlte ihn an. Danach schüttelte er auch Akemis Hand. Mein Blick blieb aber auf Alex gerichtet. Seine Selbstsichere Haltung knickte ein klein wenig ein. Vielleicht bildete ich mir das nur ein aber ich meinte zu sehen, wie er für einen kurzen Moment eingeschüchtert wirkte.
Samael überragte ihn knapp um einen Kopf und plauderte ganz locker mit den beiden. Akemi hing ganz offensichtlich an seinen Lippen und für Alex wurde es zusehends unangenehmer. Ich war föllig überfordert mit der Situation. Mein Blick streifte zwischen den dreien umher und versuchte daraus schlau zu werden. Was lief hier?
Die Unterhaltung die sie führten, zog an mir vorbei.
Samael hatte sich schon wieder als mein Freund ausgegeben.
Er stand dicht bei mir.
Er stand viel zu dicht bei mir.
Seine Hand ruhte noch immer auf meiner Hüfte.
Vis a vis stand mein Ex.
Und daneben seine perfekte neue Freundin.
Was für ein toller Abend.

Ich muss hier raus.
"Würdet ihr mich entschuldigen?" ohne auf eine Antwort zu warten, entzog ich mich Samaels Arm und tauchte in die Menge ein.

Durch die Menschenmenge drängte ich mich so schnell wegg von den dreien, wie ich nur konnte. Ich wollte Mel finden und nach Hause gehen. Wieder rempelte mich jemand an und ich duckte mich unter den Ellbogen durch. Samael war mit uns gefahren. Schoss es durch meinen Kopf. Schlagartig veränderte sich der Plan in meinem Kopf. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drehte mich kurz im Kreis. Nach Mel hielt ich nicht mehr ausschau. Die Tür war jetzt mein Zielobjekt. Schnell entdeckte ich sie und drehte in ihre Richtung ab. Endlich stiess ich sie auf und kühle Nachtluft kam mir entgegen. Erleichtert trat ich heraus. Die Menschen auf der Veranda beachtete ich überhaupt nicht. Ich hastete darüber und nahm die Stufen zum Vorplatz. Ich setzte in Richtung Strasse. Ich würde zu Fuss nach Hause gehen. Ich zog, während ich schon mehrere Strassenlampen passiert hatte, mein Handy aus den Taschen und schrieb Mel eine kurze Nachricht und liess es zurück in die Tasche gleiten. Die Strasse war praktisch tot. Mitten in der Nacht war es ruhig und nur zwischendurch bellte irgendwo ein Hund. Im Licht der Strassenlampen fühlte ich mich immer so ausgestellt. Ich sah nur soweit das Licht reichte aber aus jeder dunkler Ecke sah man in das Licht. So bog ich in eine dunkle Seitengasse ab. Es war eine Abkürzung und zudem konnte ich mich verborgen halten.




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