1 - 𝐀𝐆𝐀𝐏𝐄

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Ein praller Hintern bahnte sich in Seokjins Blickfeld, wohlgeformt, passgenau in die lederne Hose eingegossen und einen wahren Blickfang darstellend. Das perfekte Ziel, um einen Pfeil darin zu versenken.

Seokjin atmete tief durch, konzentrierte sich und fokussierte das gut dargestellte Hinterteil, spannte die Saite des Bogens und - ein Paar Beine im Weg. Genervt stöhnte der Amor auf.

„Komm schon", murmelte er mehr zu sich selbst und hoffte, dass sich der Störenfried aufgrund seiner nicht hörbaren Gebete zur Seite bewegen würde. Es war nicht so, als könnte Seokjin seine Pfeile nur in pralle Gesäße abschießen. Es hatte seiner Meinung nach nur eine ganze Menge an Stil, einen Pfeil der Kategorie „leidenschaftlich" in einem Hintern zu versenken.

Den unwissentlich Störende schienen seine Bitten jedoch nicht zu erreichen. Er zündete sich seelenruhig eine Zigarette an und tippte irgendetwas auf seinem Handy ein.

Deutlich lauter nun stöhnte der Amor auf und verließ seine hockende Position, um wieder Augen auf sein auserkorenes Opfer der Liebe werfen zu können. Dieses stand immer noch neben der an der Wand lehnenden Person, die augenscheinlich deutlich zu viel getrunken hatte.

Seokjin trat ein paar Schritte nach links und in diesem Moment wanderte der Störenfried ein paar Schritte nach links. „Ja klar", seufzte der Amor und ging wieder in die Knie, den Hintern abermals auf perfekter Schusshöhe. Gerade, als er aufs Neue den Bogen spannen wollte, streifte ihn ein Mann im Vorbeigehen.

„Hey!", rief Seokjin erbost auf und flatterte mit seinen kleinen, rosa Flügeln, doch der Mann konnte ihn eh nicht hören; wenigstens wurde er von seinen Freunden dafür ausgelacht, dass er ohne jeglichen ersichtlichen Grund über seine eigenen Füße gestolpert war.

Eigentlich war es ja gut, dass kein Mensch einen Amor sehen konnte, wenn sie ihre Flügel auffalteten und ihrer Arbeit nachgingen; hier hätten ihn die Partygänger vermutlich einfach passend zum Etablissement gefunden. Seokjin hatte bemerkt, dass in diesem Gay-Club oftmals eher auffällige Outfits angesagt waren. Vielleicht hätten sie sich aber auch über ihn lustig gemacht, da er - laut seiner Freunde - keine allzu imposant wütende Erscheinung war. Aber Seokjin wusste, dass keine Rosafärbung seines Haars oder seiner Flügel seiner wirklichen Wut ihren Platz rauben konnte.

Nun ja, das war alles nur in der Theorie und lenkte ihn von seinem Auftrag ab, der weiterhin unverdeckt neben der nun sitzenden Person kniete. Gut, das machte den Hintern nur zum noch besseren Ziel.

Seokjin atmete also einmal tief ein, richtete den Pfeil, sicherte sich noch einmal kurz ab, ob dieser auch aus der richtigen Kategorie war, spannte den Bogen und schoss den Pfeil mit einem Ausatmen zielgenau in den lederhosenbedeckten Hintern des Mannes.

Dieser jaulte nicht, er schrie nicht auf, er kratzte sich nicht einmal an der Stelle, sondern redete nur weiter mit der Person. Für einen Moment verweilte der Amor noch, sah dem Pärchen zu - obwohl er wusste, dass der Pfeil seine Wirkung nicht sofort ausfalten würde - und spielte mit dem Gedanken, ob er sich zu ihnen gesellen sollte.

Schließlich war es nicht per se verboten, mit seinen Zielen zu interagieren. Man sollte keine Beziehung mit ihnen aufbauen und sie ihre durch den Pfeil ausgelösten Gedanken und Gefühle selbst entdecken und ergründen lassen, aber ein Gespräch mit ihnen war nicht verboten. Außerdem sah die zweite Person wirklich unglaublich miserabel aus.

Seokjin richtete sich also auf, sah sich zu seinen Seiten um - nicht, dass er wie aus dem Nichts plötzlich vor einem Menschen auftauchen würde -, hing sich seinen Bogen um die Schulter und faltete die Flügel wieder ein. Er strich sich kurz über seine weiße Seidenbluse, richtete sein Haar und ging dann auf die beiden zu.

SEMPER FIDELIS ǁ ᵀᴬᴱᴶᴵᴺWhere stories live. Discover now