Perfekte Banane

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Schon bevor ich die Tür ganz geöffnet habe, kann ich das gedämpfte Gequengel meiner kleiner Schwester hören, was meiner Laune einen kleinen Dämpfer verpasst.

»Kannst du das Seepferd vom Flurschrank mitbringen?« sind die ersten Worte, die mir meine Mutter als Begrüßung entgegenwirft.
Grummeln greife ich das blaue Kuscheltier und laufe mit Lennox im Schlepptau ins Wohnzimmer.

Meine Schwester sitzt auf dem hellgrauen Teppich und meine Mutter neben ihr.
Verzweiflung steht ihr übers ganze Gesicht geschrieben, während sie versucht den kleinen Quälgeist mit ihren Lieblingsspielzeugen zu beruhigen - vergebens.
Doch als sie das flauschige Pferd in meiner Hand sieht, verstummt sie und man hört nur noch leises Schluchzen, während sie danach greift.
Ich bücke mich um es ihr zu geben, doch sie ist schneller und packt es so abrupt, dass sie versehentlich an meinen Haaren zieht.
»Verdammt.« fluche ich, bekomme dafür einen bösen Blick von meiner Mutter.

Der Vulkan wird heißer und ich beiße meine Zähne zusammen, bis es unangenehm wird.
Als sie das Haarbüschel nicht aus ihren kleinen, verschmierten Händen bekommt, fängt sie wieder an zu heulen.
»Das ist nicht dein Ernst.« sage ich.
»Hilf deiner Schwester bitte.«
»Wobei? Meine Haare aus ihrer ekligen Hand zu pullen? Nee, danke.«

Bevor ich noch wütender werden kann, stehe ich lieber auf. Ich bin jetzt schon so angespannt, dass ich Angst habe, auszurasten.

Als ich wieder im Flur bin - wo Lennox immer noch wie angewurzelt steht - schüttel ich nur seufzend den Kopf.
»Du bist kein Gefangener und kannst dich frei bewegen, schon vergessen?«
Er lacht verlegen. »Jaa, aber ich kann nicht gut mit Kindern und das merken die.«

»Komm einfach mit.« brumme ich und ziehe in mir mir in die Küche.
»Hast du Hunger?« Frage ich, als ich den Kühlschrank öffne.
»Nope.«
Ein kleines Lavablässchen läuft die Vulkanwand hinab. Ich hasse es alleine zu essen, habe aber Hunger und außerdem ist der Tag durchgeplant und-
Wo ist die Banane?!

Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als ich hektisch durch Lebensmittel wühle.
Durch den Kühlschrankgeruch wird mit übel und meine Schenkel brennen in dieser Position auch schon nach kurzer Zeit.

Wo ist die verdammte Banane?! Verfickte Scheiße.
Und der Vulkan läuft über.

Um mir ganz sicher zu sein, scene ich trotz meiner Wut erneut jedes einzelne Fach, bevor ich die Tür zuknalle und ins Wohnzimmer stürme.

»Wer hat die Banane gegessen und warum?!« fauche ich.
Meine Mutter sieht mich irritiert an.
»Deine Schwester. Sie mag die doch so gerne.«
»Ich mag sie auch! Und ich hab sie mir extra aufgehoben und dir gesagt, dass du sie bitte mir lassen sollst! Dieses Biest hatte fünf und ich wollte nur eine, verdammt!«

»Okay, okay, vielleicht setzt du dich erstmal und-«
»Ich will mich nicht setzen. Ich will wissen, warum du es vergessen hast.«
»Hab ich nicht aber sie-«
»Sie was?! Huh? Muss sie immer ihren scheiß Willen kriegen?«

Ein Teil von mir weiß, dass ich überreagiere aber ich kann und will es in dem Moment nicht aufhalten.
Ich hatte diesen Tag - so wie alle anderen auch - essens-technisch durchgeplant.
Ich habe es geplant und sie haben es kaputt gemacht.
Mal wieder waren ich und meine Bedürfnisse ihr völlig egal.

»Nicht fluchen.« sagt sie streng.
Mein Körper wird so heiß, dass ich glaube die Lava würde wirkich über meine Haut laufen.
»Bei mir war's damals aber okay, huh? Du wirst sie verkacken, so wie du mich versaut hast du dumme-«
Mir vergeht die Lust aufs reden oder schreien.
Ich schnappe mir vom naheliegender Sofa - voller Kinderspielzeug - ein Kissen, welches ich nach dieser unfähigen Frau werfen will.

Doch bevor ich das tun kann, hat sich Lennox von hinten meinen Arm gegriffen.
Das hasse ich am meisten. Noch mehr als das Bedauern und die Schamgefühle nach einem Ausbruch, hasse ich, wenn ich gar nicht erst ausbrechen und meine Wut rauslassen kann.
Wenn ich diese kurzzeitige Befriedigung nicht bekomme, werd ich zum Tier.

»Finger weg, Lennox.« knurre ich bedrohlich.
»Sorry, Sunny. Ich hab einen Vorschlag, könnte ich mir ihre Tochter vielleicht für ein paar Tage ausleihen?« fragt der rosa-haarige charmant und obwohl ich ihn nicht sehe, weiß ich, dass er ihr vermutlich zulächelt, was mich noch mehr anpisst.

Meine Mutter seufzt und fährt sich durch das fettige Haar, während meine kleine Schwester - die sich endlich beruhigt hat - mit tränenverschmierten Gesicht dumm in der Gegend rumglotzt.

»Das ist eine gute Idee. Sie ist in letzter Zeit so...schwierig und mit der Kleinen ist mir das echt zu viel. Aber ich warne dich Fräulein-« dabei sieht sie mich an, die alles an Willenskraft aufbringt, um nicht nochmal einen Werfversuch zu unternehmen.

»-wenn du Schule schwänzt, erfahre ich das. Alles klar?«
Da ich wirklich einfach hier weg und zu meinem besten Kumpel will, zwinge ich mich zu einem stockigen Nicken.

»Gut, dann geht.«
Das lasse ich mir nicht zwei mal sagen, ich reiße mich von ihm los, stürme aus dem Raum und direkt auf mein Zimmer zu.
Dort werfe ich einen Rucksack aufs Bett und fange an Zeug für die nächsten Tage hineinzuwerfen.

An meinen unschuldigen Klamotten lasse ich meinen Zorn heraus, doch es beruhigt mich kaum.

Als Lennox dann Sekunden später mit zaghaften Schritten das Zimmer betritt und unschlüssig auf seiner Lippe rumkaut, wäre ihn ihm am liebsten an den Kragen gesprungen.
Doch anders als meine Mutter, hat der Junge mit dem so verdammt sanften Herz, ernsthaft gute Absichten. Und das weiß auch mein zorniges Ich.

»Ich bin nicht sauer.« murmle ich, während ich durch meine Schublade gehe, auf der Suche nach meinen Lieblingskaugummis.
»Äh, klar. Du strahlst grade wirklich viel Lebensfreude aus.«
»Gut, ich bin angepisst aber nicht auf dich. Hätte ich sie wirklich abgeworfen, hätte ich wahrscheinlich nicht zu dir gedurft also...«

Er schenkt mir ein erleichtertes Lächeln.
»Wir können einfach schell noch zum Supermarkt und dir 'ne Banane holen.«
Oh Mann, ich hatte mich wirklich darauf gefreut und jetzt- verdammt, das macht mich immer noch sauer.
»Ne, ich hatte diese extra perfekt reifen lassen und dann in den Kühlschrank gelegt, damit sie schön kalt ist. Ich esse jetzt einfach gar nichts mehr.« brumme ich und bin froh, als ich endlich nach den Kaugummis greife, mir einen in den Mund stecke und die Packung danach in den Rucksack lege.

Ich bevorzuge mein Essen perfekt. Makellos und lecker. Eine grüne, warme Supermarkt Banane würde mich nur noch mehr zum blubbern bringen.

Mit schnellen und festen Bissen kaue ich den scharfen Kaugummi.
Es ist meine Lieblingssorte, weil sie hart ist und man da richtig seine Wut auslassen kann und weil sie so scharf sind, dass ich mich nur darauf konzentrieren kann.

»Oh, komm schon! Ich dachte wir machen einen Filmeabend. Ich hab Linsenchips und eingelegtes Hähnchen mit Gemüsesoße zu Hause und du hast heute kaum was gegessen..«
Ich sehe an seinem Blick, dass er wirklich besorgt ist, was mich rührt, weil er da der Einzige ist.
Aber eigentlich reicht mir das. Ein wirklich guter Freund ist so, so wertvoll.

Als ich nichts sage, redet er weiter.
»Meine Mom hat's gekocht und es ist richtig gut und auch gesund!«
Seine Mutter kocht wirklich gut - viel besser als meine. Und bei Lennox ist die Stimmung am Essenstisch auch um einiges besser und harmonischer.

»Da kann ich nicht Nein sagen.« antworte ich ruhig, während alles in mir schreit, meinen Plan zu befolgen, der Buchstabensuppe sagt.
Umgesünder aber kalorienärmer und es war eben geplant, weil meine Mutter ewig nicht einkaufen war und kaum noch was anständiges da ist.

Lennox grinst zufrieden und hilft mir dann beim packen. Er kennt mein Zimmer so gut wie sein eigenes und nur hier fühlt er sich in unserer Wohnung wohl. In allen anderen Räumen steht er immer wie ein Fremder oder eine Salzsäule herum.

»Hast du noch Gras?« Frage ich, woraufhin er den Kopf schüttelt. »Nope aber ich hab gestern Brownies und Cookies gebacken und davon sind noch ein paar da.«
»Okay, dann nehm' ich trotzdem noch was mit.«
Weil ich garantiert nicht einfach so Brownies esse.
Klar, manchmal schon. Eigentlich esse ich sogar recht häufig Süßigkeiten aber nur wenn es eingeplant war und wenn es in mein Kalorienlimit passt.
Einmal hab ich an einem Tag sogar nur Schokolade gegessen - Ziemlich lecker aber war die Übelkeit dann doch nicht wert.

Wenig später habe ich alles gepackt und nach einem kurzen und halbherzigen "Tschau" verlassen wir die Wohnung und machen uns auf den Weg zu Lennox.

Firefly | Eren x Reader Where stories live. Discover now