Familienessen

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Die Tage vergehen und in Nu wird aus Montag Donnerstag.
Ich mochte Donnerstage immer, weil die wie Freitage sind, nur unperfekter.
Aber dann fand ich Levi in seiner eigenen Kotze und leicht blau angelaufen - an einem Donnerstag.
Seitdem mag ich Donnerstage nicht mehr. Eigentlich mag ich keinen Wochentag mehr so richtig, da sie ja eh immer wieder kommen und somit nichts besonderes sind.

»Sunnyyyy.« quengelt Lenny neben mir.
Zur Abwechslung sind wir mal bei mir zu Hause, da meine Mutter darauf bestanden hat ihn mal wieder einzuladen.
Sie mag ihn, vermutlich weil ich vor unserer Freundschaft ein totaler Außenseiter war und außer meinem Bruder nichts hatte.

»Hm, ja?«
»Was wollen wir morgen mitbringen?«
»Äh zu was?«
»Zur...ähm..Chill-Smoke Session?«
»Oh, eh kein Plan. Chips.«
Lenny starrt mich nur verwirrt an.
»Was? Jeder mag Chips. Gut, Psychos mögen Salzstangen lieber aber komm schon..«
»Ich dachte eher an Alk.«
»Gut, dann so.«
»Was ist heute los mit dir?« fragt er und richtet sich in die "ernste Gespräche"-Haltung auf.

»Die Woche ist bloß so komisch und schnell vergangen.«
»Wir haben morgen noch Schule, weißt du schon.«
»Ja, aber trotzdem.«
»Bist du vielleicht nervös oder ängstlich wegen morgen?«
Das Gefühl des Unwohlseins, was ich mir die ganze Woche nicht erklären konnte, macht plötzlich Sinn.

»Kann sein.«
Ja, der Gedanke an eine kleine intime Runde, die ich nicht kenne, sie dafür schon jetzt meine schlechte Seite, ist leicht stressend.
»Wir müssen nicht gehen.« schlägt er vor.
»Doch, ich will ja neue Leute kennenlernen. Es ist halt nur scary, weißt du?«
Wie immer nickt er verstehend und greift nach meiner Hand, um diese leicht zu drücken.

»Wir gönnen uns vorher einfach nen Shot, dann passt das.« lacht er.
»Gute Idee.«

»Kinder, Essen!« ruft meine Mutter und ich seufze.
»Sie hat dein Lieblingsessen gemacht. Tortellini in Käsesoße.«
»Sie liebt mich.«
»Mehr als mich auf jeden Fall.« antworte ich lachend, kriege aber nur einen ernsten Blick von dem blauäugigen.
»Was? Das war nh Trauma Witz, du darfst ruhig lachen.«

»Vielleicht, wenn's dir irgendwann wirklich nicht mehr weh tut.« entgegnet er und steht vom Bett auf.
Ich folge ihm stumm in die geräumige Küche wo schon mein Vater sitzt und mit grummelnder Miene auf das Essen wartet.

Meine Mutter, die gleichzeitig auch meine Schwester im Arm hat, stellt mit der anderen das Essen hin, was traurig mit anzusehen ist und ich beschließe ihr zu helfen.
Lenny tut es es mir gleich also sind wir in Windeseile fertig.
»Danke, Kids.« sagt sie und wir setzen und alle hin.

Wie immer verlangt mein grummelnder Vater, dass wir ein Tischgebet sagen, was wenn man seinen Charakter, die Art wie er denkt und lebt kennt, nur zum Lachen ist.
Aber irgendwie haben wir alle - selbst Lenny - ein bisschen Angst vor ihm, weshalb wir uns gegen einen Streit und für vorläufigen Frieden entscheiden.

Besagter Frieden hält allerdings nur so lange, bis man den Fernseher aus dem Wohnzimmer leise über Politik sprechen hört.

»Ha, die AFD hat schon wieder Stimmen dazu gewonnen. Richtig so.«
»Du weißt schon, dass die dir bei deinem Mindestlohn nur schaden? Und dass die Partei sexistisch ist, du aber drei Frauen in deiner Familie hast?«
Er grunzt nur. »Hmpf mir doch egal. Hauptsache raus mit den Ausländern und Schwuchteln.«
»Äh, von Schwulen Abschiebung war nie die Rede? Und was haben dir zum Beispiel Kinder getan? Oder irgendwer?«

Ich weiß, dass eine Diskussion mit ihm nichts bringt aber direkt neben mir sitzt mein queerer bester Freund und da nichts zu sagen, wäre falsch.

»Ja, die nicht aber ihre faulen Eltern!«
»Hat dir nicht vor ein paar Jahren eine marokkanische Ärztin das Leben gerettet?«
Wieder grunzt er, diesmal aber ohne eine Beleidigung danach zu sagen.
Ich notiere das als Sieg und spürte auch Lenny's leichtes Grinsen.

»Reichst du mir mal die Soße?« fragt meine Mutter, die jetzt zum ersten Mal spricht.
Ich hebe die Soße an und reiche sie ihr, streife dabei leicht ihre Hand.
Sie ist warum und leicht rau - fast wie Leder.
Und sofort sehne ich mich nach zärtlichen Berührungen, die ich nie hatte.

Levi auch nicht. Er spürte nur Härte als meine Mutter ihn fest hielt, so dass mein Vater ihn verprügeln konnte.
Ich stand ängstlich am Türrahmen und habe geweint und geschrien, dass sie aufhören sollen.
Kein einziges Mal hörten sie auf mich.

Mich rührten sie körperlich fast nie an, fanden aber andere grausame Methoden mich zu bestrafen.
Mit Worten, Taten und Psychospielchen - bis ich selbst völlig Psycho im Kopf wurde.

Nie spürte ich ihre Liebe. Nie fütterte sie mich so sanft, wie sie es jetzt bei meiner Schwester tut.
Mir wurde der Löffel in den Mund gerammt und dann wurde ich beschimpft, wenn ich geweint habe.

Meine Schwester lächelt und schmatzt zufrieden.
Und ich möchte brechen.

Gedankenverloren stochere ich auf meinem Teller herum und bemerke zu spät, wie sich meine Mutter an Lennox wendet.
»Na Lennox, hast du mittlerweile einen hübschen Freund gefunden?«
Fast verschluckte ich mich an meinem Essen und noch bevor er oder ich, was sagen können, meldet sich mein Vater zu Wort.

»Was? Du bist immer noch schwul?« murrt er und verzieht angewidert das Gesicht.
»Bi eigentlich und ja. Sowas geht eigentlich nicht wieder weg...«
»Elektroschocktherapie hilft. Oder Kloster. Würde ich mir mal gut überlegen, Bursche. Die können dich reparieren.«

Lenny sagt nichts mehr; schluckt nur schwer.
Ich bin Streits so leid und müde geworden, besonders mit dummen Menschen.

»Er braucht nicht repariert zu werden, weil er nicht kaputt ist.«
Mein Vater seufzt schwer und schüttelt enttäuscht den Kopf. »Du nur wieder...« murrt er und mittlerweile ist mir das Essen echt vergangen.
Gut, so muss ich diese Kalorienbombe nicht weiter anschauen.

»Ich bin satt.« sage ich und stehe auf.
Ich hab den Satz nicht mal ausgesprochen, da quietscht Lenny's Stuhl neben mir schon und er sagt in Lichtgeschwindigkeit: "Ich auch."

»Sicher? Ihr habt doch kaum was gegessen.« murmelt meine Mutter aber ohne den Blick von meiner Schwester zu heben.
»Äh ja, Käse, Sahne und so machen echt satt. Danke fürs Essen.« sagt Lenny und bevor meine Mutter uns noch Dessert anbieten kann, schiebe ich Lenny in mein Zimmer.

Trotz geschlossen Tür hören wir wie sich meine Mutter an meinen Vater wendet.
»Musste das sein? Du hast sie vergrault.«
»Die sind einfach verrückt. Alle in dieser Familie sind das.« nuschelt er zurück und zumindest mit dem letzten Satz hat er zur Abwechslung mal Recht.

Wir lassen uns rückwärts aufs Bett fallen und ich kuschel mich an ihn.
»Sorry, dass du dir das gehen musstest.«
»Passt schon. Du warst ja da.«
Danach chillen wir an unseren Handys und ich schaue auf den Vertretungsplan für morgen.
»Vier Stunden Mathe?! No way. Lenny, wir schwänzen, okay? Wie waren jetzt eh lange genug am Stück da.«
Lennox, der Mathe abgrundtief hasst, scheint mit sich zu ringen.

»Ich will eigentlich möglichst wenig Fehltage...«
»Es ist nur ein Tag.«
»Ich weiß nicht..«
»Ich zwing' dich nicht. Ich kann dich vor der Schule absetzen und mir alleine einen Bubble Tea holen und in kreativen Shops chillen.«
Damit hab ich ihn. »Okay, okay, aber das ist nh Ausnahme!«
Ich kichere leicht und freue mich über meinen kleinen Sieg.

Firefly | Eren x Reader [Pausiert]Kde žijí příběhy. Začni objevovat