Kapitel 36

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( M e l o d y )

"Was war das für eine furchtbare Prüfung?", seufzte ich und ließ mich zu meinen Freundinnen auf die Bank fallen. "Ich möchte nicht darüber reden", presste Leonora geistesabwesend hervor. Sie war bloss und kaute auf ihrer Unterlippe herum. 

"Maria?", fragte ich und auch sie schüttelte den Kopf. "Frag mich gar nicht erst", kam es von Emma, die eher wütend als schockiert aussah.

Ich hatte eine Weile gebraucht, bis ich zurück zu meinem Alltag fand, doch meine Freundinnen waren eine große Stütze. Nach dem dritten Tag schaffte ich es, mit ihnen zu lernen und so trafen wir uns jeden Tag. Wir verbrachten jede freie Minute zusammen und abends, wenn es still und dunkel in unserem Zimmer war, erlaubte Emma mir einen Podcast anzumachen.

Die Stimmen halfen mir, meine Gedanken zu verdrängen und mich nicht allein zu fühlen.

Das einzige Problem war: Ich verdrängte nicht nur die Gedanken, sondern auch meine Gefühle. Jedes Mal, wenn ich allein war, brodelten sie unter der Oberfläche. Ich ging zur Toilette und kam fast heulend wieder. Ich ging den Flur entlang, um eines meiner Schulbücher zu holen, und musste stehen bleiben, weil mir die Luft weg blieb.

Drei Tage noch, dann würden die Weihnachtsferien beginnen. Zu Hause fühlte ich mich oft am einsamsten. Die zwei Wochenenden, die ich bisher wieder zu Hause verbracht hatte, waren furchtbar. Selbst Summer konnte mir nicht helfen, mich abzulenken.

Sie schien zu merken, dass etwas nicht mit mir stimmte, jedoch fragte sie nicht nach und dafür war ich ihr dankbar. Wie hätte ich meiner kleinen Schwester das auch erklären sollen?

Mein Vater sprach kein Wort mit mir. Nicht ein einziges.

Ich wusste lediglich von meiner Mutter, dass er sich oft mit irgendwelchen Geschäftsmännern traf und dabei die Konversation oft auch auf mich fiel. Er wolle mich schon bald mit einigen ihrer Söhne bekannt machen.

An Silvester würde eine Party stattfinden, an der ich teilnehmen sollte. Einer der Söhne, sein Name war Collin oder so, würde mich dorthin begleiten.

Ich versuchte das vollständig aus meinen Gedanken zu verdrängen.

"Das einzige, was mich gerade am Leben hält, ist unsere kleine Weihnachtsfeier", brummte Maria und holte mich aus meinen Gedanken zurück.

Wir vier haben überlegt, dieses Jahr zusammen eine Weihnachtsfeier zu machen, ehe wir zu unseren Familien zurück fahren. Das würde mir vermutlich eher ein besinnliches Weihnachtsfest sein, als das was mich zu Hause erwarten würde.

"Hat schon jemand Glühwein besorgt?", fragte Leonora und Emmas Blick wanderte zu mir. "Ich hab' Saint gefragt, er wird uns welchen reinschmuggeln", gab ich von mir ohne die anderen anzusehen.

Saint kam ab und zu vorbei, um nach mir zu sehen. Wir redeten nicht viel, aber das war auch gar nicht nötig. Keiner der Jungs tauchte mehr regelmäßig an der Schule auf. Es war, als wären sie nie wirklich hier gewesen.

Einmal hatte er mich gefragt, ob er etwas für mich tun könnte, da fragte ich ihn, ob er uns Alkohol in die Schule schmuggeln konnte. Er sah mich überrascht an, grinste und hielt mir dann eine gespielt ernste Standpauke über den Konsum alkoholischer Getränke in Bildungseinrichtungen wie dieses College.

"Perfekt. Ich hoffe, er bringt viele Flaschen mit", schnaubte Emma und kickte mit dem Fuß einen kleinen Stein zur Seite.

"Ich auch", flüsterte ich.


( S i l a s )

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWhere stories live. Discover now