Im Wohnzimmer setzte ich mich auf einen der beiden Sessel, während Dain sich aufs Sofa setzte. Was machen wir jetzt hier? Ich habe wenig Lust jetzt die ganze Zeit hier einfach nur zu sitzen. Vorsichtig sah ich Dain an und versuchte dadurch, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Es gelang mir sogar, denn er sah mich an. "Hast du vielleicht Lust etwas zu spielen? Wie wäre es mit verstecken, ihr habt doch so ein großes Haus", fragte ich vorsichtig. In Dains Augen funkelte es kurz bis er wieder auf den Boden sah. "Das darf ich nicht." Was? Habe ich mich gerade verhört? "Wie das darfst du nicht?"

"Mein Vater sagt, solche Kinderspiele lenken mich nur unnötig ab."

"Was machst du dann den ganzen Tag?"

"Ich bin zumeist mit meinem Vater auf dem Weingut und so-", ich unterbrach ihn. "Was ist ein 'Weingut'?"

"Oh, naja, mein Vater stellt dort Wein aus Trauben her. Die Flasche, die er gerade in der Hand hatte, hat er auf dem Weingut selbst hergestellt."

"Ist das seine Arbeit?", fragte ich leicht verwirrt. Er nickte, dann holte er noch einmal Luft, bevor er weiter sprach. "Wenn ich nicht mit ihm beim Weingut bin, dann lese ich zumeist."

"Das klingt langweilig." Als Reaktion auf meine Antwort, blickte er wieder auf den Boden und legte seine Hände in seinem Schoß zusammen. "Naja, manchmal mache ich auch etwas anderes," er blickte mich eindringlich an, dann sprach er weiter, "aber du darfst das keinem erzählen. Besonders nicht meinem Vater." Verdutzt sah ich ihn an. "Ehm, ok."

"Gib mir dein Wort." Was will er denn jetzt von mir? Ich stand auf und beschloss, es auf meine Art und Weise zu machen. Ich hielt ihm meinen kleinen Finger hin. Er sah mich verwundert an. "Kennst du das etwa nicht?" Daraufhin schüttelte er seinen Kopf. "Ich schließe mit dir einen kleinen Finger Schwur und diesen Schwur darf man unter keinen, aber auch wirklich keinen, Umständen brechen. Dein Geheimnis ist also bei mir sicher." Ich lächelte ihn aufmunternd an. Dain stand auf und verhakte seinen kleinen Finger zusammen mit meinem. Dann löste er sich abrupt wieder und setzte sich. Ich tat es ihm gleich. "Naja, also, ich schleiche mich gerne von zuhause weg."

"Was?", ich war geschockt über sein Geheimnis. Warum tut er das? "Nicht wie du denkst. Ich gehe nur gerne an einen kleinen See hier in der Nähe und zu häufig mache ich es ja auch nicht." Er sah bedrückt aus. "Wann machst du das denn?"

"Wenn meine Eltern sich mal wieder streiten, das tun sie total häufig. Meine Mutter möchte, dass ich ein normales Leben als Kind habe, aber mein Vater will mich jetzt schon darauf vorbereiten, seine Firma irgendwann zu übernehmen." Oh, damit habe ich jetzt nicht gerechnet. "Das tut mir leid", sagte ich kleinlaut.

Nach diesem Tag haben Dain und ich uns immer häufiger getroffen. Seine Mutter Valentina war mir gegenüber total nett und backte uns meist auch Kekse wenn ich vorbei kam. Dains Vater wiederum fand es nicht gerade schön, dass ich so oft da war. Ich glaube auch, dass er mich gar nicht da haben wollen würde. Er redet nicht mit mir und sieht mich immer grimmig an. Ich kenne nicht einmal seinen Namen. Der See an den Dain sich manchmal schleicht, ist wunderschön. Er hat ihn mir nach fast einem halben Jahr gezeigt und seitdem treffen wir uns die meiste Zeit dort. An dem See wirkt Dain irgendwie aufgeweckter, er lächelt und macht sogar Witze. Doch an einem Tag, an dem wir gerade nach Hause gehen wollten, passierte etwas, was definitiv nicht geplant war. Als wir aus der Böschung heraus kamen stand Dains Vater und ein anderer Mann vor uns. Er sah wütend aus und packte Dain am Arm. "Vater, bitte, ich kann das erklären", versuchte Dain zu sagen, aber sein Vater riss ihn nur an seine Seite und sah mich wütend an. "Du. Du bist Schuld an all dem hier!" schrie er. "Mein Sohn war immer vernünftig gewesen und hat nie etwas verbotenes getan, aber seitdem meine Frau dich und deine Eltern eingeladen hatte, benimmt sich Dain nicht so wie er soll." Dann drehte er sich zu seinem Sohn. Er hatte Dain immer noch am Arm gepackt und schien auch nicht locker lassen zu wollen. Dains Gesicht war vor Schmerz verzogen. Bei dem Anblick kamen mir Tränen. "Vater, bitte lass los, das tut weh." Ich stand einfach wie angewurzelt da. Was soll ich tun? Er tut Dain weh. Ich machte einen kleinen Schritt nach vorne. "Wag es dich ja nicht zu bewegen!" Jetzt sah er mich wieder an. Inzwischen liefen mir die Tränen über die Wangen. "Ich will dich nie wieder in der Nähe meines Sohnes sehen. Hast du mich verstanden?" Vor Angst nickte ich schnell und versuchte mir irgendwie die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. "Hör auf zu heulen balg. Und du komm mit!" Er zerrte Dain hinter sich her und ließ mich hier stehen.

Ich ging danach sehr oft zu dem See, aber Dain habe ich nicht mehr gesehen. Ohne ihn verlor der See seine Besonderheit. Ich wollte hier nicht mehr sein, aber ich hatte die Hoffnung, dass Dain eines Tages wieder vor mir stehen würde. An einem Tag saß ich zusammengekauert am Ufer, als ich hinter mir Schritte hörte. Ich drehte mich um und erwartete jeden oder alles, aber nicht ihn. "Was machst du, denn hier?"

"Ich wollte dich wieder sehen, Kylie. Ich habe oft genug versucht, von zuhause wegzukommen, aber meine Eltern haben mir ein Kindermädchen organisiert. Sie passt von morgens bis abends auf mich auf."

"Aber-", ich brach ab, um mich zu sammeln. Dann fiel ich ihm um den Hals. "Oh Gott, Dain, wenn dein Vater dich wieder hier findet oder man bemerkt, dass du weg bist. Du wirst so viel Ärger bekommen."

"Das ist es mir wert." Ich kralte mir fester an ihn. Ich will ihn einfach noch nicht loslassen. Was ist, wenn er dann wieder geht und ich ihn nicht mehr sehen kann? Dains Hand legte sich auf meinen Kopf und der andere, noch freie Arm, schlang sich um meinen Rücken. Dain blieb an dem Tag nicht lange, aber wir einigten uns darauf, dass wir uns mindestens einmal in der Woche hier treffen würden. Wir hatten allerdings vergessen, einen Tag auszumachen, weswegen ich die Woche darauf, jeden Tag zu unserem Treffpunkt ging, bis er auch da war.

Ein halbes Jahr ging das so, danach war er einfach ohne etwas zu sagen weggezogen. Ich war am Boden zerstört, als ich dies herausfand und schwor mir, dass ich ihn irgendwann finden würde, um mit ihm zu reden und wieder alles so sein würde wie früher.

*Rückblick Ende*

Ich wischte mir über die Wangen, als ich aus meiner Tagträumerei erwachte. Ehrlich gesagt vermisse ich wirklich die Freundschaft zwischen mir und Dain, aber ich habe so das Gefühl, dass egal was passiert es nie wieder so sein wird. Wenn ich an das Treffen in ein paar Tagen denke, dann werde ich nervös. Ich weiß nicht ganz genau, wie er auf was reagieren wird. Was ist, wenn er mich einfach wieder rausschmeißt? Er könnte, auf der anderen Seite, aber natürlich auch total nett mir gegenüber sein. Ach, ich mache mir zu viele Gedanken. Um mich davon abzulenken, schaltete ich meine Serie aus und machte eine andere an.

Ich will dich nicht verlierenNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ