Nervös blickte ich nach links und rechts, hoffte dass niemand ihre Anspielung gehört hatte. "Leo", zischte ich und sie grinste zufrieden.

"Was läuft da zwischen euch? Muss ich das wirklich erst über andere erfahren?"

Meine verdammten Mitschüler hatten wirklich nichts besseres zu tun. "Gar nichts", flüsterte ich zurück. "Unsere Väter arbeiten zusammen und wir haben uns irgendwie... angefreundet"

So in etwa konnte man das definieren.

"Ach natürlich", antwortete sie und ihre Stimme triefte vor Ironie. "Silas De Clare läuft den ganzen Tag durch die Gegend und schließt Freundschaften, besonders mit so hübschen Mädchen wie dir" Sie ließ ihre Augenbrauen tanzen und ich wandte meinen Blick von ihr ab.

Vollkommen überfordert von ihrer Antwort blätterte ich weiter durch das Buch, was offen vor mir lag.

"Weißt du, vielleicht ist Daniel doch eher auf Platz Nr. 3", flüsterte sie irgendwann. Irritiert folgte ich ihrem starren Blick.

Saint lief den Gang entlang, direkt auf uns zu. Er hielt ein Buch in der Hand, über eine Schulter hing sein Rucksack und hinter ihm liefen zwei weitere Typen, die ich des Öfteren zusammen mit ihm und Silas gesehen habe.

Er lächelte sein schönstes Lächeln, das auch Emma schon zum Dahinschmelzen gebracht hatte. "Hi Melody", begrüßte er mich. "Hey Saint McLaren", antwortete ich, machte mir seit jeher einen Spaß daraus, ihn bei seinem vollen Namen zu nennen.

In dem selben Moment kam Daniel zurück an unseren Tisch. Saint und seine Gruppe musterten ihn akribisch und er tat es ihnen gleich.

Den Blick, den Saint aufgesetzt hatte, kannte ich bisher nur von Silas. Skeptisch, kalt, warnend.

Daniel lächelte schwach und setzte sich zu uns. Leonora stand durch dieses Spektakel der Mund offen und ich zog nervös die Lippen ein.

Was zum Teufel ging hier vor? Es gab keinen Grund, Daniel so anzusehen.

Das alles passierte innerhalb von wenigen Sekunden, dann setzte sich die Gruppe von Saint wieder in Bewegung. Zum Abschied zwinkerte er Leonora zu und diese sah ungläubig zu mir.

"Weißt du was, Leo?", fragte ich und sie schüttelte den Kopf. "Ich glaube, du hast recht"

Dann lachten wir und Daniel schaute irritiert zwischen uns hin und her.

~

( S i l a s )

Silas bereitete Gin Tonic zu, während Melody das Sushi auf dem Tisch ausbreitete, der an den Fenstern des Gemeinschaftsraumes stand.

Eigentlich war das keine gute Kombination, aber sie wollte Gin trinken und er hatte den Drang, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.

"Wann musst du dein Referat halten?", fragte er beiläufig, während er die Flasche Tonic öffnete.

"Wie konnte Saint so schnell sehen, dass es um ein Referat geht? Er hatte doch bloß Augen für Daniel", scherzte sie und er schmunzelte, auch wenn er den Namen Daniel nicht gerne aus ihrem Mund hörte.

"Oh, nicht Saint, Love. Jeder muss nach den Herbstferien bei Mrs. Miller ein Referat halten. Aber wo du gerade damit anfängst: Wer ist dieser Daniel?"

Melody warf ihm einen unschuldigen, wissenden Blick zu, als er ihr das Glas reichte und sich gegenüber von ihr an den Tisch setzte.

Sie stießen an und sie nahm einen großen Schluck, bevor sie antwortete.

"Daniel Casson. Er ist neu in unserer Klasse. Wie kommt es, dass du nichts von ihm weißt? Du weißt doch sonst über alles Bescheid, was an dieser Schule passiert?"

"Vorsichtig, Missy", warnte er sie mit einem Schmunzeln. Seine Augen funkelten sie an, doch sie funkelte zurück.

"Leonora konnte sich gar nicht entscheiden, wen sie besser findet: Saint oder Daniel" Sie nahm zwei Stäbchen in die Hand und bugsierte das Sushi von der Platte auf ihren Teller.

"Und wie lautet dein Urteil?", fragte er und nahm sich ebenfalls die Stäbchen. Melody sah ihn irritiert an. Ihre Augen wanderten über sein Gesicht, auf dem sie einen ruhigen, ernsten Ausdruck erkennen konnte.

"Silas", begann sie ruhig und räusperte sich. "Was ist hier los?"

Silas schnalzte mit der Zunge. "Nichts, ich habe dir eine Frage gestellt"

Er spürte, wie sie sich anspannte. Melody hatte gelernt, wann es an der Zeit war, nicht mehr zu scherzen. Sie hatte so viel gelernt, ohne dass es ihr bewusst war. Silas versetzte dieser Gedanke stets einen Stich. Nie hätte er gedacht, dass es zwischen ihnen so gut funktionieren könnte. Es war nicht einfach, das war es nie für ihn, doch mit ihr war es wenigstens ein bisschen einfacher. Und nie hätte er gedacht, dass es ihn so stören könnte, dass es ein Verfallsdatum gab...

"Ja, und die möchte ich nicht beantworten", gab sie zurück und nahm einen weiteren, großen Schluck von ihrem Gin Tonic.

"Interessant", knurrte er und wandte seinen Blick ab. Er wollte sich zusammenreißen, doch dieses Mal funktionierten seine Vorsichtsmaßnahmen nicht so gut.

In unangenehmer Stille aßen sie das Sushi. Melody rieb sich immer wieder über den Oberschenkel, während Silas mit seinem Bein unter dem Tisch wippte.

"Wir sind Freunde, oder?", fragte sie nach einer Weile.

"Ich habe keine weiblichen Freunde", antwortete er ohne von seinem Teller aufzusehen.

"Und was bin ich dann für dich?", fragte sie, die Enttäuschung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Silas atmete schwer aus.

Er wusste, dass es unangemessen war, doch das war ihm egal. Absolut scheiß egal. Silas hasste es, wenn er einen anderen mit Melody sprechen sah. Er hatte jedem klar gemacht, dass sie sie in Ruhe lassen sollten.

Und nun war da Daniel, mit dem er bald ein dringendes Gespräch führen sollte.

Melody hatte nicht das selbe gesehen, wie Saint und Matteo; wie Daniel sie durch das Regal angesehen hatte.

"Ich will nur eines klarstellen: Die Abmachung steht noch. Das bedeutet kein Kontakt zu anderen Männern"

Melody ließ die Stäbchen fallen und schob ihren Stuhl einige Zentimeter von dem Tisch weg. Sie verschränkte ihre Arme und warf ihm einen wütenden Blick zu, der ihn nicht weniger interessieren könnte.

"Du bist also eifersüchtig, weil ich einer Gruppe mit einem Jungen zugeteilt werde? Darf ich überhaupt noch in den Unterricht gehen?"

Empört stand sie auf und Silas tat es ihr gleich. Er lief ihr hinterher, packte sie an ihrer Taille und wirbelte sie zu sich herum.

Ihre Atmung ging schnell und sie schaute mit großen Augen zu ihm hoch.

"Du wirst bald heiraten, Silas", keuchte sie.

"Ich weiß", antwortete er.

Dann presste er seine Lippen auf ihre.

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWhere stories live. Discover now