Kapitel 4

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Enolas geballte Hand verharrte in der Luft.

"Was mache ich hier?"

Langsam sank ihr Arm wieder an ihre Seite.
Sie konnte sich doch nicht ihrem Bruder so die Blöße geben.

Die junge Detektivin verharrte vor der Tür. Sollte sie oder sollte sie nicht?

Sie sollte nicht.

Schon wollte sie sich wieder umdrehen und nach Hause gehen. Bestimmt wird sie es auch ohne die Hilfe ihres großen Bruders hinbekommen. Sie kam schließlich gut allein zurecht.

Genau in den Moment öffnete sich die Tür.

"Möchtest du noch ewig hier draußen rumstehen? Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du Hilfe brauchst."

Ein amüsiertes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Enola konnte förmlich die Belustigung, die er in dieser Situation empfand, spüren.

Sie fühlte die Wellen der Freude von ihm abstrahlen, als währe er eine Sonne, die nur im Spott leuchtete.

Um nicht weiter dem Hohn ihres Bruders ausgesetzt zu sein drängelte sie sich an ihm vorbei in die wie immer unordentliche Wohnung.

Obwohl Watson jetzt bei ihm lebte, hatte er das Chaos, was Sherlock als Inspirationsquelle bezeichnete, immer noch nicht zähmen können.

Sie manövrierte sich kunstvoll an alten Speiseresten, hohen Bergen von Akten und ein paar mikrigen Pflanzen vorbei in Richtung der Coach.

Als sie sich auf das Polster des in die Tage gekommenden Möbelstückes setzte, war sie prompt an den Tag erinnert, an dem sie Sherlock nach Hause gebracht hatte und durch einen glücklichen Zufall somit das erste Mal in seiner Wohnung war.

Im Hintergrund hörte sie den berühmten Detektiv leise vor sich hin lachen.

Und prompt bereute sie ihre Entscheidung, hierher zu kommen.

Sherlock ließ sich auf einen der zwei Sessel fallen. Seine Arme legte er auf die Lehnen an und verschränkte seine Beine.

Sobald er mit seiner Position zufrieden war, schaute er Enolas erwartungsvoll an.

Enola durchbrach die Stille.

"Wie viel muss ich dir noch erzählen?"

"Ich muss gestehen, eigentlich nichts. Nur den Grund für dein Kommen, aber den kann ich mir auch denken."

"Kannst du mir also helfen?"

"Ich denke."

Enola starrte Sherlock für eine Weile an.

"Was soll ich dir zuerst sagen?"

"Immer ruhig, wir haben Zeit. Lass mich zuerst alles zusammenfassen, was ich weiß."

Sherlock nahm sich eine Pfeife vom Tisch und zündete sie an.

"Er kam zu dir. Namen, eine 'Stadt mit ö' und eine Beschreibung waren das einzige, was er dir als Hinweis gegeben hat. Namen waren eine Sackgasse, ebenso wie der Landkreis, denn Dörfer gibt es ja schließlich mit Ö nicht."

Sherlock nahm einen Zug von der Pfeife.

"Zu aller erst, wie sah er denn aus?"

"Er war groß. Felix musste sich bücken, um überhaupt durch die Tür zu kommen. Er hatte ein Tattoo auf der Schulter. Sein Kleidung war gepflegt. Ich meine mich an ein paar außergewöhnliche Ohrringe zu erinnern. Und am eine Narbe. Am Halsansatz. Kann aber auch nur ein Schatten gewesen sein. Seine Haare waren ein Haselnussbraun. Seine Stimme war sehr geschmeidig und seine Mimik sehr ausdrucksvoll. Er hatte auch einen Ehering."

"Was war das für ein Tatoo?"

"Ich weiß es nicht. Ein bisschen hat es mich an eine Schildkröte erinnert."

Die junge Detektivin erinnerte sich genau an ihren Mandanten.

"Er hatte ein sehr feminines Gesicht. Ein bisschen so wie ich."

Sherlock schmunzelte.

"Wie hat 'Felix' seine Schwester denn beschrieben?"

Enola dachte kurz nach. Mit einem Mal war sie in der Vergangenheit. Vor ihr der Fremde, neben ihr ein Aktenstapel. Seine Worte waren verschwommen, sie fühlte sich, als wäre sie Unterwasser.

Seine Stimme war ein rauschen, seine Umrisse nur schemenhaft erkennbar.

Mit einem Mal kam die gesamte Unterhaltung wieder auf sie zu. Wie eine Welle erfasste sie Erinnerungen und ihr würde etwas bewusst.

"Er hat sie wie mich beschrieben. Der Hund. Die Hosen. Unser Dorf gehört zu einem Landkreis mit ö."

Mit einem Mal realisierte sie etwas.




"Er hat mich beschrieben."

And suddenly there were four (Enola Holmes Fanfiction)Where stories live. Discover now