Kapitel 82 (Ende)

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Ich stand am Waschbecken, das Wasser lief aus den Hahn, klatschte ans Becken und spritze leicht hoch. Meine Hände wurden getroffen, die ich noch immer hinhielt, als würde ich sie noch immer Waschen wollen. Der Concealer, ich hätte wohl einen Wasserfesten kaufen sollen, war abgewaschen wurden. Meine Tränen waren wieder verstummt, doch ich tat nichts. Ich...Gott was sollte ich denn schon tun? Ich fühlte mich so verloren, so verlassen, ich hatte fast jeden verloren, der mir wichtig war. Man hatte mir mein verdammtes Leben ruiniert!

Ich trocknete meine Hände ab, versuchte tief durchzuatmen, versuchte ruhig zu bleiben. Als ich die Tür öffnete, traf ich aber auf jemanden, den ich nicht treffen wollte. Der Gang war sonst leer, niemand nur ich und die beiden Männer, die scheinbar gewartet hatten.

Aiden in Handschellen, das Hemd spannte sich über seine Arme, in der Hand hielt er die Schachtel, die Tyler mir geben sollte, welcher neben ihn stand.

"Du nimmst es also nicht an?" Seine Stimme war genauso rau, wie ich sie in Erinnerung hatte.

Nein. Nein das tu ich nicht. Ich wollte gehen, da stellte sich Tyler mir in den Weg. Ich wich zurück und damit an Aiden, der sich hinter mich gesellt hatte.

"B-bitte l-lass mich i-in Ruhe..." Stotterte ich.

"Dann nimm das Geschenk an." Bestand Aiden.

Ich wagte es nicht einmal mich umzudrehen, überhaupt zu rühren. Der volltattoowierte drückte es mir in die Hand und beugte sich zu mir runter.

"Sei ja brav." War das eine Drohung?

Ich wusste es nicht, doch in den Moment, als ich was erwiedern wollte, führte Tyler den Stäfling ab. Alleine, nur mit den Kästchen in der Hand. Ich traute es nicht, es zu öffnen. Zögerlich ging ich wieder zu Anette, auf den Weg dahin trat Tyler wieder zu mir, als wäre er mir nicht von der Seite gewichen.

"Ich weiß nicht wohin damit." Gab ich zu.

"Soll ich es in deine Jacke schmuggeln?" Fragte er.

Ich nickte nur und er nahm es wieder an sich. Wur trafen auf Anette, die mir aufmunternd zulächelte. Tyler verabschiedete sich und bekam ein kleines Dankeschön von der Frau.

"Wo wart ihr?" Wollte sie wissen.

"Ich musste nur auf Toilette." Lügte ich.

Sie sah mich an, ließ es aber dabei. Wir aßen belegte Brötchen und warteten, bis die Pause vorbei war. Als es soweit war, nahm ich wieder forne platz. Ich sah die Jungs nicht an, als sie hereingeführt wurden, doch der Blick des volltättoowierten brannte sich in meine Haut.

Der Staatsanwalt erhob sich, nachdem der Richter die Weiterführung verkündete.

Wärend der Anwalt der Angeklagten versuchte die Strafe zu vermindern, versuchte der Staatsanwalt alles mögliche, damit jede doch so höllische Tat der Kriminellen ans Licht kam.

Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, dass mich das Gespräch von vorhin nicht beeinflusst hat, ich zögerte, was nicht nur meiner Psychologin auffiel.

"Entschuldigen Sie, wenn ich so frage, aber kann es sein, dass Sie etwas für die Kriminellen Empfinden?"

Ich glaube, ich sah das erste mal auf. Geschockt in das Gesicht des Staatsanwalts.

"Wie bitte?!"

"Sie zögern, zwar haben Sie vorhin alles sofort erzählt, aber jetzt zögern Sie. Wieso?"

"Wa- i-"

"Entschuldigen Sie meine Störung, meine Patienten weißt keinerlei Anzeichen für Stockholmsyndrom auf."

"Ich will eine Antwort von ihr, Sie haben still zu sein!" Bescheichtete Herr Rauch.

"So ein Unsinn....!"

Ich hörte nicht zu, ich ließ meinen Blick senken, ließ die Beiden Erwachsenen Diskutieren, auch der andere Anwalt mischte sich ein.

Stockholmsyndrom. Das Opfer hat positive Gefühle zum Täter. Sind meine Gefühle positiv? Nein. Ich hasse sie, ich habe Angst. In keiner Sekunde habe ich sie vermisst. Ich wollte frei sein und war es nun auch. Ich...ich könnte niemals für einen dieser Männer etwas positives empfinden. Eher sterbe ich!

Die Richterin schlichtete die Diskussion auf, nachdem sich alle wieder gesetzt hatten, fragte sie, ob ich auf diese Frage antworten wolle.

"Wenn Angst ein positives Gefühl sein soll, dann ja. Aber ich denke nicht, dass Angst zu den Empfindungen gehören, die dafür sprechen." Antwortete ich leise, sodass es nur die Richterin hören konnte.

Diese war damit zufrieden. Zusammengekauert saß ich da, ließ die letzten Fragen über mich ergehen. Als alles vorbei war, wurden wir als erstes rausgelassen. Wir gingen zur Garderobe und holten unsere Sachen. Wir sprachen nicht weiter darüber.

"Danke, für alles." Wir standen draußen, sie zündete sich eine Zigarette an, wärend wir auf meine Mutter warteten.

Mir war kalt, ich hatte die Hände in den Taschen vergraben, darin die Schachtel. Ich musste Tyler nicht einmal sagen, was für eine Jacke ich getragen hatte.

"Hab ich gern gemacht. Ich hoffe, deine neue Therapeutin versteht dich."

"Brauch ich denn noch eine?" Wollte ich wissen.

Durch den Umzug könnte ich nicht mehr bei ihr zur Therapie gehen, müsste also zu jemand anderen.

"Ich rate es dir an. Es wird schwierig weiterzukommen, wenn du das Problem mit den Männern weiterhin hast." Behauptete sie.

Ich nickte nur verstehend. Das Auto meiner Mutter fuhr auf den Parkplatz. Ich verabschiedete mich von Anette und stieg ins Auto. Kurz unterhielten sich die beiden Frauen und dann hieß es weiter. Auch diese Fahrt dauerte gut zwei Stunden. Vier Stunden Autofahrt weg von der Heimat, weg von den Gräbern, weg von den Ort, wo das Übel angefangen hatte.

Die Wohnung war gemütlich, jeder hatte ein eigenes Zimmer und die Küche war offen zum Wohnzimmer. Die Kartons standen umher, aber die meisten Möbel waren schon aufgebaut. Ich hab ihr alles auf der Autofahrt erzählt, war nun müde, erschöpft. Es war zu viel passiert. Kaum waren wir in der Wohnung, bezogen wir mein Bett und ich machte mich fertig. In neuen Wänden schläft man schlecht, doch einschlafen tat ich sowieso nicht gut.

Ich hatte gelogen. Mein Gesicht war in den Kissen versteckt, wärend ich ein anderes in den Armen hielt. Ich hatte sie vermisst. Jeden Abend, kurz vor den Schlafen, wünschte sich ein kleiner, ganz kleiner Teil hinten in meinen Kopf, dass sie hier waren und mich so hielten, wie schon so oft, kurz vor dem Schlafen. Mein letzter Blick viel auf das Kästchen, es stand auf den Schreibtisch.

Geisel - kein EntkommenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt