Kapitel 4

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Ich hatte den Stuhl aus der Ecke vor das Fenster an Georges Bett hingestellt und mich darauf gesetzt. Ich starrte ihn ununterbrochen an, während tausend Gedanken durch meinen Kopf flogen, doch dieser sich auch gleichzeitig so verdammt leer und verloren anfühlte.

Zwei Wochen vergingen, seit meine Eltern mir erzählt hatten, dass wir umziehen würden. Da ich meinen Abschluss vor zwei Wochen auch hinter mir hatte, konnte ich somit von Morgens bis Abends meine Zeit bei George verbringen.

Vielleicht mochte das für den ein oder anderen schon zu viel vorkommen, doch wenn man bedachte, dass ich ihn schon sehr bald gar nicht mehr sehen konnte, war es alles andere als zu viel.

Meine Eltern hatten schon viel zu schnell ein neues kleines Haus gefunden. Es fühlte sich schon beinah so an, als wäre das Schicksal gegen mich. Ich hatte meine Eltern angefleht wenigstens nicht allzu weit weg nach etwas zu schauen, damit ich wenigstens an den Wochenenden zu ihm konnte, doch natürlich wollten sie, dass ich ihn gar nicht mehr sah. Das war laut ihren Aussagen auch der Sinn hinter dem Umzug.

Ich hatte noch vier Tage, bevor der Umzug stattfinden und ich mich am Arsch der Welt in Kentucky, weit weg von Florida, befinden würde. Meine Eltern meinten es zwar gut mit mir, doch mit der Entfernung hatten sie sich wirklich nicht zurückgehalten.

Ich seufzte, im selben Moment öffnete sich die Zimmertüre und Rebecca kam herein.
,,Jedes Mal, wenn ich den Raum betrete, schläfst oder seufzt du vor dich hin'' schenkte sie mir ein sanftes Lächeln.

Sie fing an, die Blumen auf der Fensterbank zu gießen und wie sonst auch die Werte von George am Monitor zu begutachten. Ich beobachtete sie still dabei.
,,Was bedrückt dich denn dieses Mal?'' fragte sie mich, während sie Georges Werte aufzuschreiben schien.

Ich fing an, ihr zu erzählen, was los war.
Sie hörte mir aufmerksam zu und musterte mich, nachdem ich fertig war.
,,Es wird nicht einfach sein loszulassen und das hat dir bestimmt auch niemand gesagt, aber es wird dir vermutlich sehr guttun'' sagte sie daraufhin. Wieso war nur jeder dafür?

,,Seit einem Jahr hängst du jeden Tag in diesem Raum, Clay'' fing sie an.
,,Du verpasst dein Leben, wenn du weiter so machst. Du bist momentan in deinen besten und letzten Teenager Jahren, wirf sie nicht einfach so weg mit deinem täglichen Zorn dir selbst gegenüber'' fuhr sie fort.

Ich starrte George an und versuchte nachzudenken, doch das konnte ich nicht.
,,Ich kann ihn nicht verlieren...'' nuschelte ich, während mir eine Träne die Wange herunterlief.
,,Das wirst du auch nicht'' sagte sie.

,,Wenn er aufwacht, bist du wahrscheinlich das Erste, wonach er fragen wird'' versuchte sie mir zu versichern.
,,Und genau dann bin ich nicht mehr hier...'' murmelte ich.
,,Er wird es verstehen, du bist jeden Tag hier gewesen, seit dem Unfall. Nicht jeder würde nach so einer langen Zeit noch am Bett des Betroffenen sitzen.''

,,Du bist ein guter Junge und das weiß er sicherlich'' widmete sie mir noch einmal ein sanftes und zuversichtliches Lächeln, bevor sie den Raum wieder verließ. Ich ließ mich auf dem Stuhl zurückfallen und schloss ein weiteres Mal seufzend meine Augen.

,,Du zerdrückst meine Wangen'' nuschelte ich zwischen meinen von Georges Fingern zusammengedrückten Wangen hindurch.
,,Du bist einfach zu süß und gut für diese Welt'' sagte er mit angehobener Stimme.
,,Du benimmst dich gerade wie meine Oma'' verdrehte ich grinsend meine Augen, während ich seine Hand hinunternahm.

,,Ich kann alles, was du möchtest, sein'' grinste er.
,,Was?'' lachte ich auf.
,,Gibt es da etwas, dass du mir vielleicht sagen willst?'' Ich legte meinen Kopf schief und musterte ihn grinsend mit angehobener Augenbraue.

,,Oh mein Gott nein so war das doch nicht gemeint'' kam es verlegen von ihm.
,,Wieso musst du immer sofort so dreckig denken'' lachte er.

,,Ich kann nur das verstehen, was du mir zu verstehen gibst'' zuckte ich neckend mit den Schultern. Nun verdrehte er seine Augen.

,,Ich nehme zurück, was ich vorhin gesagt habe'' schmollte er schon.
Ich legte meine Arme um ihn und zog ihn an mich heran.
,,Sicher?'' hauchte ich, während ich mich nur einen Zentimeter von seinen Lippen entfernt hielt.
,,Wie könnte ich'' gab er schneller als erwartet nach und küsste mich.

Ich öffnete meine Augen und starrte gegen die Zimmerdecke, ehe ich wieder zu George schaute. Wir hatten uns, wann immer sich die Möglichkeit geboten hatte, einander aufgezogen. Egal auf welcher Art und Weise. Ich vermisste es, ich vermisste ihn einfach so unglaublich.

Je mehr Zeit verging, desto älter wurde ich. Auch wenn es bisher nur ein Jahr war, hatte ich mich in diesem einen Jahr unglaublich stark verändert. Dieses ich, welches in meinen Erinnerungen mit George schwebte, fühlte sich so fremd an.

Ich war immer glücklich, keinerlei Spur von nur auch annähernd Negativität. Doch seit dem Unfall war es das komplette Gegenteil. Ich war in mich gekehrt, hatte Mauern um mich herum aufgebaut und verspürte andauern nur Hass mir selbst gegenüber sowie Traurigkeit.

So sehr ich mir ein Leben ohne George auch nicht vorstellen konnte, wusste niemand wann er aufwachen würde. Die Ärzte hatten ihm drei Jahre gegeben, welche nun nur noch zu zwei wurden, doch das auch nur mit sehr viel Glück. Es könnte durchaus auch viel länger dauern.

Vermutlich war der Umzug wirklich meine einzige Möglichkeit, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Die einzige Möglichkeit, weiter wachsen zu können - so sehr dieser Gedanke auch schmerzte.


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Ich glaube, das ist bisher der traurigste Anfang einer Ff, den ich je geschrieben habe, haha.
Ich muss halt wirklich sehr hineinfühlen, sonst könnte ich es nicht so schreiben, wie ich es schreibe. 👀

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