Kapitel 1

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Clays PoV

Wir waren jung.
Zu jung, um das Leid ertragen zu müssen, welches uns widerfahren war.
Es war meine Schuld.
Meine Schuld, dass ich die Person, die ich am meisten geliebt, verletzt und verloren hatte.

,,Seid ihr sicher, dass man hier runterspringen darf?'' fragte George, während er einen kleinen Schritt auf die Klippe zu machte und einen Blick hinunter in das Wasser wagte.
,,Wir sind schon tausend Mal hier heruntergesprungen'' versicherte Nick ihm.

Ich legte meinen Arm um ihn und flüsterte ihm: ,,Du kannst mir vertrauen'' zu.
Er schaute mir tief in die Augen und nickte. Ich sah ihm seine Angst dennoch an.
,,Dann mach ich halt den Anfang ihr Angsthasen'' rief Nick und sprang als erster hinunter.

Von oben hörten wir nur seinen Aufprall ins Wasser.
Wir starrten zu ihm hinunter und sahen, wie er jubelnd wieder auftauchte.
,,So tief ist das Wasser nicht, aber tief genug, um von hier hineinspringen zu können'' entgegnete ich George.
,,Wir sehen uns unten.'' Ich gab ihm einen letzten Kuss und sprang als nächster.

Nachdem auch ich aufgetaucht war schauten Nick und ich zu ihm hoch, noch immer war er sich unsicher.
,,Es ist ungefährlich, George'' rief ich zu ihm hinauf.
,,Komm schon Gogs'' fügte Nick aufmunternd hinzu.

Selbst ohne sein Gesicht scharf von hier unten sehen zu können, wusste ich, dass er seine Augen verdreht, als Nick ihn Gogs genannt hatte. Er hasste es, wenn man ihn so nannte und schmollte dann immer, was mich zum Grinsen brachte.

Mein Grinsen verschwand jedoch, als ich an der Steinmauer vom Felsen bemerkte, dass das Wasser zurückgegangen sein musste. Man konnte klar die vorherige Wasserlinie sehen.
,,Nick'' entfuhr es mir besorgt.
,,Hm?'' machte dieser und schaute mich von der Seite an.

,,Das Wasser - ich glaube, es ist weniger geworden'' ich zeigte auf die Stelle.
Als er es ebenfalls gesehen hatte schaute er mich genauso besorgt an.
Ich blickte zu George hinauf, der plötzlich nicht mehr zu sehen war.

,,George'' rief ich mehrmals hinauf, doch er schien mich nicht zuhören.
,,Er darf auf keinen Fall springen'' entfuhr es mir nun noch besorgter.
,,Vielleicht ist er ja schon wieder heruntergelaufen'' kam es von Nick, doch im selben Moment war George wiederzusehen, wie er die Klippe hinuntersprang.

,,NICHT!'' rief ich so laut wie möglich, doch es war bereits zu spät. George war gesprungen und landete nur wenige Meter vor uns im Wasser. Nick und ich schauten uns zeitgleich an und bemerkten, dass er schon längst wieder hätte auftauchen müssen.

Sofort tauchte ich mit meinem Gesicht unter und was ich dann sah, werde ich nie wieder vergessen können. George schwamm bewusstlos im Wasser umher, während sich das Blut, welches aus seinem Hinterkopf lief, im Wasser auflöste.

Ich packte ihn und zog ihn an die Wasseroberfläche zurück zum Wasserrand.
,,Ruf sofort einen Krankenwagen!'' rief ich mit brennenden Augen zu Nick, da ich diese zu lange im Wasser geöffnet hatte.

,,George!'' rief ich seinen Namen, während ich versuchte ihn wach zu bekommen, doch er reagierte nicht das kleinste bisschen. Ich checkte seinen Puls, welcher mir viel zu schwach erschien. Ich versuchte selbst Reanimation, doch ich kannte mich damit nicht gut aus.

Neben ihm brach ich verzweifelt unter Tränen zusammen, während ich hörte, wie Nick zu mir rief, dass der Krankenwagen gleich da sein würde. Ich hätte ihn niemals zum Springen animieren dürfen, es war meine Schuld.

Ruckartig öffnete ich meine Augen, als ich einen starken Griff an meiner Schulter spürte.
Ich nahm die Krankenschwester Rebecca vor mir wahr.
,,Die Besucherzeit ist gleich vorbei'' entgegnete sie mir sanft.
Ich nickte ihr leicht zu, während ich mir über die Augen fuhr.
Ich hatte im Schlaf wohl wieder geweint.

,,Träumst du noch immer von dem Unfall?'' fragte sie mich vorsichtig, während sie am Monitor von George stand und nach seinen Werten wie jeden Abend schaute.
Zunächst wollte ich lügen, doch nach einem Jahr, welches vergangen war und ich hier so gut wie jeden Tag saß, kannte mich Rebecca mittlerweile einfach zu gut.

Sie drehte sich um und schaute mich an.
,,Gehst du noch zur Therapie?'' fragte sie nun.
Sie wusste, dass ich kurz nach dem Unfall in Therapie musste, da ich damit nicht gut klargekommen war.

,,Nein'' antwortete ich ihr.
Sie legte leicht irritierend ihren Kopf zur Seite.
,,Wieso nicht?'' fragte sie.
,,Weil der Mist doch sowieso nichts bringt - ''
,, - ihn bringt es auch nicht zurück...'' murmelte ich.

Sie kniete sich vor mir nieder und schaute mich an, da ich meinen Blick gesenkt hatte.
,,Was passiert ist, ist nicht deine Schuld'' versuchte sie mir zum tausendsten mal zu versichern, doch das war es.
,,Wessen sonst?'' zischte ich und blickte zu George zur Seite.

,,Es war ein Unfall, Clay'' sagte sie.
,,Der meinetwegen passiert ist'' nuschelte ich.
Ich hörte sie hoffnungslos seufzen.
Dasselbe seufzen, welches von meiner Mutter auch immer seitdem kam.

Ein Jahr war bereits vergangen.
Die Ärzte hatten dem ganzen drei Jahre - mit viel Glück, gegeben.
Ich ertrug das Ganze langsam jedoch nicht mehr.
Wie sehr er mir fehlte und wie sehr ich mir die Schuld für das alles gab, konnte ich nicht einmal in Worte fassen.


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Euer erster Eindruck dazu? ^^

Missing PartWhere stories live. Discover now