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Langsam schalten sich meine Gedanken ein. Meine Lider sind zu schwer, um meine Augen zu öffnen und die Schmerzen im Kopf so groß, dass ich jegliche Geräusche nur gedämpft wahrnehme. Meine Handgelenke schmerzen , etwas drückt an ihnen und lässt mich meine Arme oben halten. Ich spüre eine warme, raue Hand, die sich unter mein Kinn legt und leicht zudrückt. Mein ganzer Körper schmerzt einfach, der Druck am Kinn ebenfalls. Mühsam ringe ich mich dazu durch, meine Augen zu öffnen und einen Blick auf meine Umgebung zu werfen. Das Licht blendet mich, da ich direkt in den Himmel blicke. Und als ich in ein paar braune, funkelnde Augen sehe, als ich meinen Kopf nach unten neige, wünsche ich mir sofort, es nicht getan zu haben - ich bin mitten im Lager der Piraten und direkt vor mir steht ihr Anführer, Vaas Montenegro. Ich bin an einen Pfosten gekettet, wie an einen Totempfahl in einem Western. Erst geschockt und dann wütend sehe ich ihn an, während er mich nur grinsend mustert und seinen Griff an meinem Kinn verstärkt. "Was habt ihr nur mit meinen Männern getan?", fragt er grinsend in einem bedrohlich flüsternden Ton. Ich schweige und beiße mir leicht auf meine Lippen, um meine Nervosität nicht hochkommen zu lassen. Warum zur Hölle musste sein Blick auch so bohrend sein? "Antworte mir!", schreit er und zieht seine Hand von meinem Kinn, nur um mir damit ins Gesicht zu schlagen. Ich keuche, da der Schlag echt nicht schwach gewesen war und kurz darauf fühlt sich meine linke Gesichtshälfte so an, als hätten einige Ameisen draufgepinkelt. Da ich nicht nochmehr Schmerzen haben will, antworte ich Vaas widerwillig. "Getötet", flüstere ich und merke, dass meine Stimme heiser klingt und mein Hals trocken ist. Ein weiterer Blick in den Himmel zur Sonne verrät mir, dass es schon weit nach Mittag ist und ich mindestens schon zwölf Stunden hier bei diesen Verrückten bin. Vaas grinst mich zufrieden an. "Na also, es geht doch." Dann hockt er sich vor mich, um auf meine Höhe zu gelangen. "Den Außenposten habt ihr zwar", sagt er ruhig, "aber das werdet ihr bitter bereuen!" Er grinst mich schon wieder breit an und ich kann vor Wut nicht anders, als ihm ins Gesicht zu spucken. Sofort springt er auf. "Hija de Puta!", beschimpft er mich und tritt mir in meine Magengrube, was mich sofort zum Husten bringt. Froh darüber, der spanischen Sprache vertraut zu sein, grinse ich ihn an, nachdem mein Hustenanfall beendet ist. "Callate la boca, hijo de puta. Quien crees que eres?" Erst schaut er mich überrascht an, dann wechselt sein Ausdruck wieder zu wütend. Letztendlich dreht er sich auf dem Absatz um und stampft davon. Ich keuche, da ich nun erst den starken Schmerz im Magen wahrnehme. Ich bemerkte, wie sich meine Sicht trübt und die schwarzen Schatten um meine Sicht sich weiter zuziehen. Dann schließe ich meine Augen und werde ohnmächtig.

Es ist bereits dunkel, als ich meine Augen wieder öffne. Die Schmerzen an den Händen sind nicht mehr so stark, außerdem liege ich nun auf etwas hartem und bin nicht mehr an den Mast gekettet. Ich reibe mir die Handgelenke, setze mich auf und sehe mich dann um. Ich liege in einem Käfig aus Draht und Brettern, inmitten einer großen Lagerhalle. Zwei Garagentore, die weit offen stehen und von zwei Männern bewacht werden, bereiten mir einen Ausblick nach draußen, wo einige Piraten um ein Feuer herum sitzen. In der Halle selbst stehen nur alte Kisten, Koffer und Möbel. Es ist kalt, der harte, dreckige Boden unter mir macht es nicht besser. Lediglich ein altes, schmutziges Laken liegt neben mir, dieses spendet jedoch kaum Wärme. Ich krieche in die hinterste Ecke des Käfigs, kauere mich zusammen und bedecke mich so gut es geht mit dem Laken, um mich wenigstens ein bisschen zu wärmen. Ich halte mir den Bauch, da er sich echt nicht gut anfühlt. Jeder Atemzug schmerzt, jede Bewegung verursacht ein Ziehen in meinen Armen. Ich kauer mich zu einem noch kleineren Häufchen Elend zusammen, als ich sowieso schon bin und weine. Ich weine sonst nie, aber dieses Mal lasse ich all meinen Schmerz und die Trauer auf diese Art und Weise heraus. Ich hatte versagt, wegen mir machen Dad und vielleicht sogar Jason sich Sorgen. Citra würde nicht viel Wert darauf legen, mich zu finden. Trotzt ihrer Freundlichkeit mir gegenüber bin ich mir ziemlich sicher, dass sie sich in allererster Linie darum kümmert, dass der Außenposten gesichert wird. Ich weine eine ganze Weile und denke über all das nach, als ich plötzlich Schritte vernehme. "Hey Kleine, wo bist du?" Ich schrecke auf und sehe mich um. Einer der Typen, die das Garagentor bewachen, kommt auf mich zu. In seiner Hand hält er eine Waffe, die zu gefährlich ist, als dass ich ihm diese abnehmen könnte, Außerdem würde der Lärm die anderen Männer auf mich aufmerksam machen und ich hätte bei der Anzahl von Piraten und bei meinem geschwächten Zustand sowieso keine Chance, zu entkommen. Ich sitze starr in meiner Ecke und beobachte den Kerl, der zu meinem Käfig kommt und sich dann direkt neben mich hockt. Er hält mir den Lauf seiner Waffe durch den Draht an die Stirn und grinst. "Also Kleines, du bist jetzt schön still. Vaas hat zwar befohlen, dass dich keiner anrühren darf, aber wenn du schön dein Maul hältst, muss ich meine Waffe nicht benutzen und wir können trotzdem ein bisschen Spaß haben." Geschockt reiße ich meine Augen auf und starre den Typen an. Langsam nähert er sich mit seinem Kopf der Stelle im Drahtgitter, wo sich mein Ohr befindet und flüstert unschöne Sachen. Völlig von Panik ergriffen, schlage ich mit meiner Faust nach hinten direkt auf seine Schläfe, kreische laut und ziehe mich in die gegenüberliegende Ecke des Käfigs zurück. Das ist mein Glück, dann kurz darauf ertönen Schüsse und ich sehe Funken in der Ecke, in der ich bis eben noch gesessen hatte. Dann geht alles ganz schnell. Das Licht in der Halle geht an, weitere Schüsse erklingen. Der Wachmann, der mich eben noch erschießen wollte, geht zu Boden. Aus einem Loch in seiner Stirn trieft Blut, nicht einmal einen Schrei hat er noch tätigen können. Mit einem dumpfen Aufprall landet er auf dem Boden. Erst jetzt bemerkte ich, dass Vaas mit den anderen Wachmännern neben dem Käfig steht und sie anbrüllt. "Warum habt ihr zwei Fickfehler ihn nicht gemeldet, huh?" Wütend erschießt er erst den einen und dann den anderen Wachmann, nun liegen alle drei auf dem Boden. Verängstigt sehe ich ihn an und krieche so schnell wie es geht weit von ihm weg. Er sieht mich ausdruckslos an, dann kommt er zum Käfig und öffnet ihn. "Komm. Bei diesen schwanzgesteuerten Bastarden kann ich dich nicht lassen." Meine Verwunderung nehme ich selbst nicht einmal genau wahr, zu schnell krieche ich zu Vaas, damit er nicht wütend wird. Ich richte mich außerhalb des Käfigs auf, nur um wieder umzukippen. Kraftlos war gar kein Ausdruck für meinen Zustand. "Es tut mir Leid!", schreie ich fast unter wimmern, nur damit Vaas nicht wütend wird. Ich habe höllische Angst vor ihm. Noch überraschender als alles andere ist, dass er mich nun einfach auf seine Arme nimmt und ohne ein weiteres Wort aus der Halle trägt. Den ganzen Weg, den er mich trägt, versuche ich so wenig wie möglich zu weinen. Natürlich sagen weder Vaas noch ich ein einziges Wort, aber alles andere hätte mir bestimmt nur noch mehr Angst oder Ärger eingebracht. Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit in einer Hütte im Lager ankommen, werde ich von Vaas in einen anderen Käfig gesteckt. Ich haste wieder in eine Ecke, unerreichbar für Vaas, vor dessen Schlägen ich mich fürchte. "Ich hatte mir ehrlich gesagt schon gedacht, dass die ihre Finger nicht bei sich behalten. Du bleibst jetzt hier bei mir." Er schließt meinen Käfig und hängt ein Schloss davor, dann verriegelt er die Tür seiner Hütte. "Und wehe, du verhältst dich unruhig!", zischt er und sieht mich wütend an. Ich nicke nur schnell und senke dann meinen Kopf. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis Vaas das Licht löscht und sich in sein Bett legt. Ich atme erleichtert auf und entspanne mich ein wenig. Wärmer als in der Halle ist es in der Hütte allemal, jedoch nicht warm genug, um meinen zitternden Körper zu beruhigen. Ich lege mich auf den Holzboden und ziehe meine Beine näher zu mir heran, damit ich nicht erfriere. Nach einer Stunde des Wachliegens schlafe ich dann endlich ein.

Between two worldsWhere stories live. Discover now