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Komisch ist es schon. Das Leben hier. Du kannst dich nicht auf Familie oder Freunde verlassen, du hast keine Freunde. Du sagst es ihnen, sie sagen es dir, aber sie lügen. Den einzigen wahren 'Freund', den du hier hast, ist der Dschungel selbst. Gedankenversunken sitze ich am Fluss, der sich in der Nähe unseres Dorfes Amanaki durch den Dschungel kämpft. Eine Schlange windet sich um meinen Arm, doch ich lasse sie in Ruhe. Sie hat mir immerhin kein Leid zugefügt. Seit Stunden sitze ich nun hier, wie so oft, wenn ich meine Ruhe brauche und nachdenken muss. Der heutige Auslöser ist wohl der Streit mit meinem Vater, Dennis Rogers. Wieso sieht er nicht ein, dass ich bereit bin, zu kämpfen? Wir Rakyat leiden schon zu lange unter den Piraten und diesem Mistkerl Hoyt, warum also darf ich nicht für uns kämpfen? Er regt sich ständig darüber auf, dass ich einfach zu jung wäre. Na und? Nur weil ich erst siebzehn bin? Du könntest 100 Jahre alt sein, solange du nichts über den Dschungel weißt, wirst du behandelt wie ein Kleinkind. Und ich bin in diesem verdammten Dschungel aufgewachsen. Nachdem die Schlange sich von mir runter bewegt hat, gehe ich zurück in das Dorf. In unserer Hütte angekommen, finde ich meinen Dad jedoch nicht. Schulterzuckend mache ich mich auf den Weg in die Dusche und lasse das kühle Wasser auf mich niederprasseln. Nachdem ich mich angezogen habe, betrachte ich mich, wie so oft, im Spiegel: Ein kurviges Mädchen, um die 1.65 groß, grinste mich schief aus grauen Augen an. Das nasse, dunkelbraun bis schwarze Haar hängt an mir herab und reicht bis auf Höhe meiner Schulterblätter. Ein sanfter Karamellton umhüllt meinen ganzen Körper. Zufrieden mit mir selbst gehe ich in mein Zimmer und ziehe mich an. Danach krame ich den alten Koffer unter meinem Bett vor, in dem sich meine Waffen befinden. Es sind nicht viele, bloß ein altes Jagdmesser, eine Magnum und ein Bogen. Ich nehme mein Messer heraus und putze es sorgfältig, danach folgen die anderen beiden Waffen. Gerade als ich fertig werde, höre ich, wie Dad nach Hause kommt. Ich packe den Koffer weg und gehe raus in den Wohnbereich, doch zu meiner Verwunderung bringt er einen zweiten, fremden Mann mit. Wer zur Hölle ist das?

Misstrauisch mustere ich das Weißbrot. Er ist um einiges größer als ich, hat hellblaue Augen und braunes, wuscheliges Haar. "Wer ist das?", frage ich Dad, ohne ihn zu begrüßen. Zugegeben, das war ziemlich unhöflich, aber er versteht mich. "Das ist Jason Brody, ein wahrer Krieger!" Begeistert sieht Dad zu Brody. Dieser lächelt mich an und hält mir eine Hand entgegen, ich jedoch verschränke nur meine Arme vor der Brust. "So so, deine fast volljährige Tochter lässt du nicht kämpfen, aber ein Weißbrot, einen Fremden, willst du zum Krieger ausbilden? Willst du mich eigentlich verarschen? Fehlt nur noch, dass du ihn zu Citra bringst!" Wütend funkel ich Brody und Dad an, wobei Snow White's Lächeln einfriert und er langsam seine Hand zurück zieht. "Toto, beruhig dich! Erstens, ich selbst bin als Fremder hergekommen und wurde ebenfalls mit offenen Armen empfangen! Zweitens, Jason ist älter als du, stärker und einfach..." "Er ist nicht deine Tochter, hab's kapiert", schneide ich Dad das Wort ab und wende mich ab. "Ich geh jetzt. Weißbrot, halt dich von meinem Zimmer fern." Hastig hole ich eine Jacke und mein Jagdmesser aus meinem Zimmer und stürme dann, an den beiden vorbei, aus dem Haus. Draußen angekommen atme ich erstmal tief durch, dann laufe ich ein Stück in den Dschungel hinein. Ich muss mich erneut ablenken, das Ganze eben hat mich einfach einfachen wieder so wütend gemacht. Ich laufe einfach so lange weiter, bis ich an einem erst kürzlich umgefallenen Baumstamm ankomme. Ehrfürchtig stehe ich vor dem toten Koloss, der einst Lebensraum gewesen war. Ich danke kurz dafür, dass der Dschungel mir diesen Stamm geschenkt hatte, und merke mir, wie man am besten hierherkommt. Die anderen Rakyat werden freudig sein, über das Holz.

Between two worldsWhere stories live. Discover now