Vorwort

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Dies ist mein Beitrag zum diesjährigen Open Novella Contest (ONC). Das ist ein von Wattpad Botschaftern veranstalteter Wettbewerb, bei dem ich dieses Jahr das erste Mal mitmache. Es gibt 56 verschiedene Schreibvorschläge, von denen man sich einen aussuchen muss, über den man dann in vorgegebener Zeit eine Geschichte mit 20.000 – 40.000 Wörtern schreiben soll. Nur so wenig?, fragt ihr euch jetzt vielleicht. Ich weiß, meine Geschichten sind normalerweise sehr viel länger (160.000 – 270.000 Wörter)! Aber ich nehme die Herausforderung an und möchte es versuchen, einmal eine so kurze Geschichte zu schreiben. Mal sehen, ob ich es schaffe :-)

Erklärungen zum Thema:

Die Protagonistin meiner Geschichte ist gehörlos. Daher möchte ich ein paar Dinge zu diesem Thema erklären, sodass ihr Luisa und ihre Lebenswelt besser verstehen könnt und alle Begrifflichkeiten versteht, die ich in der Geschichte verwenden werde.

Gebärdensprache:
Das, was viele immer noch die „Zeichensprache" nennen, heißt eigentlich Gebärdensprache. Es ist die offizielle Sprache der Gehörlosen.

Lautsprache:
Was wir alle als selbstverständlich erachten, ist für Gehörlose alles andere als das. Gehörlose sprechen nicht in der Lautsprache. Wie soll man denn auch sprechen können, wenn man die gesprochene Sprache nicht hört? Wenn man nicht weiß, wie Laute und Worte klingen sollen? Früher nannte man Gehörlose deshalb taubstumm, doch diese Bezeichnung ist falsch, denn sie sind nicht stumm. Ihre Sprache ist nur anders. Lange Zeit wurden Gehörlose in Schulen sogar gezwungen, die deutsche Lautsprache zu lernen. Ein dunkles Kapitel der Hörgeschädigtenpädagogik. Heute ist das nicht mehr so. Die Sprache gehörloser Kinder und Jugendlicher ist die Gebärdensprache, nicht die Lautsprache. Auch in den Schulen wird mit ihnen gebärdet.

DGS:
Das ist die Abkürzung für die „Deutsche Gebärdensprache". So wie es deutsch, englisch, französisch usw. gibt, gibt es natürlich auch in jedem Land eine eigene Gebärdensprache.

Die DGS ist eine eigenständige Sprache mit eigener Grammatik. Diese unterscheidet sich wesentlich von der Grammatik der deutschen Laut- und Schriftsprache. Der Satzbau ist Subjekt, Objekt, Verb anstatt Subjekt, Verb, Objekt (z.B. „Ich Buch kaufen" (ohne Artikel, das gibt es in der DGS nicht) anstatt „Ich kaufe ein Buch"), bei Fragen kommt das Fragewort zum Schluss, z.B. „Du machen was?" anstatt „Was machst du?". Auch die Zeitformen werden selbstverständlich anders gebildet, denn in der Gebärdensprache kann man keine Verben deklinieren. Man kann deutsche Texte nicht wörtlich in DGS übersetzen. Die Deutsche Gebärdensprache ist viel bildlicher, hat wie gesagt eine vollkommen andere Grammatik und arbeitet darüber hinaus viel mit Mimik. Es ist wirklich interessant, sich näher damit zu beschäftigen.

(Hinweis: Wer Interesse daran hat, die deutsche Gebärdensprache zu lernen, kann das z.B. auf manimundo.de tun. Das kostet leider, aber man bekommt auch etwas für sein Geld. Man kann auf jedem Niveau einsteigen, bekommt viele Erklärungen und lernt nicht nur, Gebärden anzuwenden, sondern auch, sie in Dialogen zu verstehen.
Wer sich nur für einzelne Gebärden interessiert, kann sich z.B. die App „spreadthesign" aufs Handy laden. Das ist ein Wörterbuch für die Gebärdensprache, sogar mit Gebärden aus unterschiedlichen Ländern, aber es ist natürlich nicht vollständig, d.h. es gibt nicht zu jedem Wort ein Gebärdenvideo.)

Fingeralphabet:
Es gibt nicht für alle Wörter eine Gebärde. Auch wenn man sich das erste Mal sieht, muss man seinen Namen buchstabieren, dass der andere weiß, wie man heißt. Dasselbe gilt für viele Fachbegriffe, Städte oder Dorfnamen. Für diese Fälle braucht man das Fingeralphabet. Wenn Gehörlose etwas mit dem Fingeralphabet buchstabieren, nennt man das „fingern". Wenn dieser Begriff also in meinem Buch auftaucht, bedeutet das, dass etwas mit den Fingern buchstabiert wird.

Cochlea Implantate (CI) und Gehörlosenkultur:
Es gibt heutzutage auch für viele Gehörlose die Möglichkeit, mithilfe von moderner Technik hören zu können. Wer sich für die Funktionsweise von Cochlea Implantaten interessiert, kann das gerne im Internet recherchieren. Damit möchte ich hier niemanden langweilen. Was ihr jedoch wissen solltet: Um ein CI zu implantieren, braucht es selbstverständlich eine OP. Eine OP am Kopf. Vielen ist das nicht geheuer. Gehörlose Eltern entscheiden sich außerdem öfters gegen Cochlea Implantate für ihre Kinder, weil sie wollen, dass ihre Kinder als Teil der Gehörlosenkultur aufwachsen. Wenn die Kinder CIs bekämen, würden sie zu einem Teil der lautsprachlichen Kultur werden. Vielen Gehörlosen bedeutet die Gehörlosenkultur sehr viel. Auch die Protagonistin in meinem Buch hat aus diesem Grund keine CIs.

Ich hoffe, ich konnte euch einen guten Überblick verschaffen, sodass ihr Luisas Lebenswelt und ihre Schwierigkeiten in der hörenden Welt verstehen und nachvollziehen könnt. Falls ihr noch Fragen zum Thema Gehörlosigkeit habt, stellt sie gerne in den Kommentaren.

Hattet ihr denn schonmal Kontakt mit Gehörlosen? Wie war eure Erfahrung?

Nun wünsche ich euch ganz viel Spaß beim Lesen! <3

Ganz liebe Grüße <3
Eure Mary-Ann

Das Foto - EntzweitWhere stories live. Discover now