1. Kapitel - Holly

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Ich lag in meinem Bett. Die Musik dröhnte laut in meinen Ohren und betäubte meine Gefühle und Gedanken. Mein ganzer Körper brannte und ich presste die Augen fest zu um nicht zu weinen. Ich hätte schreien können. Aber dazu fehlte mir die Kraft. Ich wollte einfach nicht mehr diesen dauerhaften Schmerz in meiner Brust fühlen. Ich fühlte mich zerfetzt, so als hätte jemand mein Inneres einfach zerrissen und nichts übrig gelassen. Dieser dauerhafte Streit zwischen meinen Eltern raubte mir meine ganze Energie. Und vorallem stritten nicht nur sie, sondern auch ich mit ihnen. Und ich wollte nichts lieber als sie einfach zurückzulassen und auszuziehen. Nur leider war ich dafür noch zu jung. Deshalb war ich hier gefangen. Ich durfte auch nie sagen was ich dachte, weil sie es entweder bescheuert, dumm, sinnlos oder lächerlich fanden. Ich war es alles so leid.

Seufzend setzte ich mich in meinem Bett auf und sofort wurde mir schwindelig. Das passierte in letzter Zeit echt oft, wahrscheinlich war mein Kreislauf am Arsch. Ich schwang vorsichtig die Beine aus dem Bett und ging hinüber zu meinem Schreibtisch. Ich sollte jetzt wirklich mal lernen. Meine Noten waren in den letzten Monaten extrem abgestürzt, kein Wunder wenn ich mich die ganze Zeit halb tot fühlte. Aber nach der 5-6 in Mathe hatte ich dann doch entschieden, dass ich mich mal ranhalten sollte und etwas für die Schule tun bevor ich sitzen blieb. Ich war jetzt in der 10. Klasse und hatte überhaupt keine Lust noch 3 Jahre statt 2 in der Schule zu sein.

Ich setze mich an den Tisch und holte meine Unterlagen hervor, dann lernte ich für eine halbe Stunde. Oder naja, ich versuchte es. Aber nichts von den Zahlen und Zeichen wollte in meinen Kopf gehen, egal was ich tat oder wie oft ich es durchlas. Frustriert stöhnte ich auf und klappte mein Mathebuch zu. Es hatte einfach keinen Sinn. Ich war sowieso schon schlecht gelaunt und die Motivation zu lernen war jetzt auch verflogen, weil ich einfach nichts kapierte. Ich stand auf, holte ein Buch hervor und setzte mich auf mein Bett. Ich musste mich ein bisschen ablenken. Als ich die Seite aufschlug, bei der ich stehen geblieben war, beruhigte ich mich sofort. Ich liebte es mich in einer Geschichte zu vertiefen und tat das auch allzu gerne, besonders wenn die Realität mich wieder so sehr ankotzte, dass ich ihr entfliehen wollte. Ich hatte noch nicht mal zwei Seiten gelesen, da platzte plötzlich mein Vater herein.

Schon an seinem Gesichtsausdruck wusste ich das ich schon wieder Ärger bekommen würde, für was auch immer. Ich überlegte schnell ob ich irgendwas angestellt hatte, aber mir viel nichts ein. "Ich dachte du lernst", sagte er mit einem vorwurfsvollen Blick auf mein Buch. "Hab ich auch, aber jetzt brauche ich eine kurze Pause". An seiner Miene erkannte ich dass er mir nicht glaubte. "Hast du überhaupt schon angefangen zu lernen? Und du liest sowieso viel zu viel. Konzentrier dich doch mal auf die reale Welt, anstatt dich immer in diesen bescheuerten Geschichten zu verstecken". Ahh, das hatte ich also verbrochen. Ich las "zu viel". Ich hatte allerdings noch nie davor gehört dass es etwas Schlechtes war. "Vielleicht mach ich das ja, weil die Realität einfach scheiße ist", erwiderte ich schnippisch. "Ja ich weiß, du hast es ja so schwer. Wieso denkst du eigentlich immer nur an dich? Es ist dir ja komplett egal wie es anderen geht." Das war überhaupt nicht fair und die Anschuldigung traf mich tief. Ich hatte mich früher sehr wohl für andere interessiert, aber seit ich deshalb mehr als einmal verletzt wurde, hatte ich damit aufgehört. Wahrscheinlich war es eine Art Schutzinstinkt von mir. Ich wollte meinem Vater all das sagen, aber ich wusste aus Erfahrung dass es das nur noch schlimmer machen würde, also blieb ich still und hielt nur seinem wütenden Blick stand bis er sich kopfschüttelnd umdrehte und meine Zimmertür zuknallte.

Als er weg war seufzte ich und versuchte die Wut, die durch mich hindurchfloss zu zügeln und mich zu beruhigen. Leider funktionierte es nicht. In mir stieg das Bedürfnis auf, auf irgendetwas einzuschlagen. Ich schlug mit den Fäusten auf mein Kissen, schrie und schluchtzte, bis ich mich vor Erschöpfung auf mein Bett fallen ließ. Jetzt strömten die Tränen ungehindert über meine Wangen. Ich weinte bis die ganze Flüssigkeit versiegt war. Mit geröteten Gesicht, feuchten Augen und salzigen Wangen setzte ich mich langsam auf und sah mich im Spiegel an. Das Mädchen, dass mich ansah, erkannte ich fast nicht wieder. Die blonden Haare standen in alle Richtungen von meinem Kopf ab, die grünen Augen wirkten trüb und farblos und das Gesicht war aufgequollen und gerötet. Das Mädchen im Spiegel sah aus wie eine Verliererin, war eine Verliererin. Doch das wollte ich nicht sein. Ich wollte nicht so aussehen und ich wollte mich auch nicht so fühlen. Ich wollte stark und schön und unbesiegbar sein. Ich wollte eine Kämpferin sein. Doch ich schaffte es ja nicht einmal, gegen meine eigenen Emotionen anzukämpfen. Das musste sich dringend ändern. Ich konnte nicht so weitermachen, ich musste irgendetwas tun. Nachdem ich eine Weile einfach nur reglos in meinem Bett gelegen und nachgedacht hatte, hatte ich plötzlich eine Idee. Ich wusste, was ich tun würde.

From fighters to loversHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin