Ende

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Knall.

Der finale Schlag halt im ganzen Gerichtssaal wieder. 

Nach über vier Jahren haben die Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen endlich ein Ende gefunden. 

Doch das Urteil gibt mir nicht das erhoffte Gefühl. Immer noch scheint ein tonnenschweres Gewicht auf meinen Schultern zu liegen. 

Es ist vorbei. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. 

Immer und immer wieder sage ich mir diese Worte im Stillen. Aber warum zum Teufel fühle ich mich immer noch so scheiße? Die Angst, dass gleich jemand aus einem Lieferwagen springt und mich wieder entführt ist immer noch da. Das Misstrauen und der kalkulierende Blick mit dem ich jedem einzelnen Menschen auf der Straße begegne lässt sich nicht abschalten. 

Mein Psychologe sagt, dass es irgendwann besser werden wird. Ich soll einfach weiter meine Medikamente nehmen, die Übungen machen und einmal im Monat zur Therapie kommen. Aber wann ist dieses Irgendwann endlich? Am Anfang war noch die Hoffnung da, dass alles nur vom Schock kommt und bald wieder verschwindet. Doch es ist nicht verschwunden. Ganz im Gegenteil. Jedes Mal wenn ich die Augen schließe, sehe ich sein Gesicht. Jedes Mal wenn Wasser meine Gesicht berührt, habe ich Angst zu ertrinken. 

Sie alle haben gesagt, dass das normal ist und ich mich schon irgendwann wieder einkriege. Das ist nur eine Phase haben sie gesagt. 

Aber wann ist diese beschissene Phase endlich vorbei? Wann wache ich endlich wieder normal auf ohne vorher kurz wieder den Keller zu sehen? Wann hört der Film auf vor meinen Augen auf sich bei jedem lauten Geräusch abzuspielen? Wann hört alles auf so laut zu sein? Warum fühlt sich alles so taub an?

Ohne jegliche Emotionen blicke ich zur Angeklagtenbank. Trotz lebenslanger Haft hat er immer noch sein schmieriges Grinsen im Gesicht. So als ob er wüsste, dass ich ihn beobachten würde, dreht er sich zu mir um und lächelt noch breiter.

"Wir werden uns wiedersehen, Kleine."

Doch die von ihm erhoffte Reaktion meinerseits bleibt aus. Ich habe keine Angst vor ihm. Ich habe nur noch Angst davor, dass es mich nicht umbringt. 




Wie so oft schrecke ich aus einem Albtraum hoch. Wie immer ist es der gleiche und doch ist er jedes Mal anders. Dieses Mal hat meine Arbeitskollegin mir ein Messer in die Brust gesteckt. Auch wenn ich mich eigentlich an diese ganzen Träume gewöhnt habe, halte ich es nichtmehr aus. Dieser eine Traum war einer zu viel. Nach meinem einzigen Ausweg greifend, drehe ich mich zu meinem Nachtisch um. Normalerweise helfen mir die Tabletten klar zu sehen. Dieses letzte Mal ließen sie meinen Blick verschwommen wirken. Dieses eine Mal habe ich keine Angst vor der Dunkelheit, dieses eine Mal ist die Dunkelheit mein Freund. 




Ich habe es dann doch auch endlich mal zu einem Ende geschaft. Zwar nicht so wie am Anfang der Geschichte geplant, aber nicht alles verläuft im Leben nach Plan. Lasst euch das von mir gesagt sein. Versucht jeden Tag zu leben und genießt jeden Moment mit euren Freunden und Familie. Man weiß nie wann es die letzte Umarmung gewesen sein könnte. Behaltet trotzdem euer Lächeln und  haltet die Ohren steif.

-Wolkenwunsch

Whatever it takesWhere stories live. Discover now