Teil 12

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Als ich schlafen gehe, sitzt er noch immer dort. Und in der Früh sehe ich, dass er wohl die ganze Nacht an seinem Laptop war.

Seufzend sieht er mich an und fragt: „Soll ich dich weggeben? Du fühlst dich doch eh nicht wohl bei mir und dann würde hoffentlich wieder Ruhe einkehren."

Die Worte treffen mich viel härter, als ich es mir je hätte vorstellen können. Er will mich also nicht mehr bei sich haben, weil ich eine Belastung bin.

Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Doch nach einem Moment des Schweigens, gebe ich zu bedenken: „Wäre das dann nicht wie ein Geständnis für das was dir vorgeworfen wird?"

„Ich habe keine andere Idee."

„Aber, was ist mit Akay? Du hast versprochen mich zu ihm zu bringen!", erinnere ich ihn mit Nachdruck.

„Ich werde dich nicht zu Akay bringen können. Es tut mir wirklich leid. Aber die Presse hat schon ein Auge auf uns und wartet nur auf die nächste Story. Wenn ich dich zu dem Alpha bringen würde, hätte ich nur noch mehr Probleme an Hals, die ich mir gerade wirklich nicht mehr leisten kann."

Ich wünschte in seinen Worten würde nicht so viel Ehrlichkeit stecken. Dann könnte ich nämlich nun so richtig sauer auf ihn sein. Aber ich kann nicht, da es ihm eindeutig aufrichtig Leid tut.

Außerdem ist meine Trauer größer als der Zorn. Mir kommen die ersten Tränen, als ich erwidere: „Aber du hast es mir versprochen! Ich hab' doch alles getan." Und er hat nichts falsch gemacht. Doch das ist den Leuten egal.

Ich hasse diese Gesellschaft. Ich hasse diese Menschen. Warum können die sich nicht um ihren eigenen Kram kümmern?

Er weicht meinem Blick, sammelt sich und meint: „Ich kann dir lediglich die Wahl lassen wohin ich dich bringe. Du kannst entweder in eine Psychiatrie für Omegas oder auf die Uni, wo sie immer Vorzeigeomegas brauchen, um Omega-Ärzte auszubilden."

Phillip meint es wohl wirklich ernst. Bestimmt hat er sich in der Nacht auch damit beschäftigt. Und wie soll ich eine Entscheidung treffen? Ich kenne beide Orte nicht. Sicher werde ich mich an keinem dieser Plätze wohl fühlen.

Also frage ich: „Was wäre für dich besser, um aus der Nummer raus zu kommen?"

Er zuckt mit den Achseln, was absolut keine Hilfe ist. 

Marcel meinte doch, es sein in einer Psychiatrie angenehm, schießt es mir durch den Kopf. Ob dort alle so drauf sind wie er ..?
Ist es dumm von mir, wenn ich das einfach vorschlage? Aber andererseits will ich lieber dorthin als ein Versuchsobjekt für angehende Ärzte zu sein. Hat sicher einen Grund warum die Omegas suchen.

Frustriert stöhne ich auf. Nun werde ich schon wieder eine Person verlieren, die mir Sicherheit gegeben hat und muss an einen Ort, den ich nicht kenne. Alles bekannte werde ich hinter mir lassen.
Warum nur?

Wäre ich doch nur im Heim geblieben...

Bereue ich den Ausbruch?

Ich kann es nicht sagen. Rückblickend betrachtet bin ich froh Alec kennengelernt zu haben. Aber ich habe mir alles anders vorgestellt.

„Dann bring mich in eine Psychiatrie...", entscheide ich mich. Ich hoffe das ist die richtige Wahl.


Während der Autofahrt sagt keiner von uns ein Wort. Es ist alles gesagt und so gut haben wir uns ja wirklich nie verstanden, oder? Ich bin komplett verunsichert.
Hoffentlich kann ich mich dort schnell einleben. Vielleicht treffe ich ja auch Omegas aus meinem Heim? Obwohl ich sehr betrübt bin, muntert mich dieser Gedanke zumindest ein bisschen auf.

Als das Auto stehen bleibt, befinden wir uns auf einem Parkplatz. Von diesem führt ein Gehweg über eine Wiese zu einem großen hellen Haus. Ist das eine Psychiatrie? Die haben ich mir nicht so... fröhlich vorgestellt – falls das das richtige Wort dafür ist.

Phillip führt mich hinein. Während er mich bei einer freundlichen Beta bei der Rezeption anmeldet, sehe ich mich weiter um. Hier sieht es viel mehr aus wie in einer Schule als... als was eigentlich?

Mein Blick bleibt kurz an einem blonden Mann im fortgeschrittenen Alter hängen. Als ich merke, dass er in unsere Richtung kommt, blicke ich doch lieber zu Boden. Zumindest in den letzten Sekunden will ich mich für Phillip gut benehmen.

Ich höre die Frau, mit der mein Alpha gerade spricht, in meine Richtung reden: „Ah, schön, dass du doch mithelfen kannst Lars. Bring Clemens bitte auf sein Zimmer."

Vorsichtig luge ich zur Seite, wo der Blonde steht. Lars heißt er also. Direkt merke ich, dass er auch ein Omega ist, was mein Interesse weckt. Wie er wohl hier hergelangt ist? Lars wirkt auf mich nicht wie ein Patient. Viel mehr wie ein Pfleger oder so. Aber...

„Gut, werde ich. Komm mit", kommt es von Lars freundlich. Ich schenke Phillip zum Abschied nur einen Blick, den er erwidert. Hoffentlich, wird sein Leben jetzt einfacher.

Ich atme tief durch und folge dem anderen Omega mit gesenktem Kopf. Das wird wohl der Beginn meines neuen Lebens.

EscúchameWhere stories live. Discover now