Kapitel 17

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Lucy

Es war Montag. Also etwas mehr als eine Woche war seit dem fast Kuss vergangen. Jason hatte mich mehr oder weniger ignoriert und auch die Nachhilfestunde war mehr ein unangenehmes Schweigen gewesen, als etwas anderes. Zu meinem Leidwesen schlug mein Herz immer noch schneller und mein Körper reagierte sofort, wenn Jason in der Nähe war. Langsam wurde das Kribbeln schmerzhaft und die Nähe zu Jason war kaum auszuhalten. Dieses Verlangen war inzwischen zu einem stetigen Ziehen in meiner Brust geworden, das mich fast um den Verstand brachte.

Langsam konnte ich mich nicht einmal mehr entscheiden, ob ich es nicht doch bereute, dass Jasons Mutter reinkam und den Kuss unterbrochen hatte. Erst war ich darüber froh gewesen, auch wenn mein Körper anderer Meinung gewesen war. Aber inzwischen war da dieses ständig drückende Verlangen, das mich ernsthaft überlegen ließ, ob ich nicht einfach zu Jason hinrennen und ihn küssen sollte. Fakt war, dass ich dringend auf andere Gedanken kommen musste, bevor ich noch irgendetwas dummes tat.

„Hey Lia." Ich stupste sie an. „Wollen wir heute Nachmittag nicht die geplante Shoppingtour machen?" Erwartungsvoll sah ich sie an, bis sie schließlich unauffällig zu mir drehte. „Sorry, ich muss heute meiner Mum beim Einkaufen helfen", flüsterte sie mit einem leidenden Gesichtsausdruck. „Aber du kannst ja gehen. Monic wird sich bestimmt freuen." Ich nickte und wandte mich wieder Herr Schmidt zu. Er hielt mal wieder einen Monolog. Doch da ich meine mündliche Note dringend verbessern musste, da ich die meiste Zeit damit verbracht hatte, Jason anzustarren, trug ich zu seinem Selbstgespräch ab und an etwas bei.

„Wer kann diese Gleichung an der Tafel lösen?"

Nach einem kurzen Blick, den ich einfach nicht lassen konnte, bemerkte ich, dass Jason überhaupt keine Ahnung hatte wie die Lösung war. Fast stöhnte ich genervt auf. Wir hatten genau dieses Thema letzten Freitag durchgenommen. Ich fragte mich wirklich, ob die Nachhilfestunden überhaupt zu etwas gut waren.

Herr Schmidt guckte immer noch durch die Reihen, in der Hoffnung jemand würde sich melden, obwohl dies eigentlich so gut wie nie der Fall war. Auch ich schaute den Rest meiner Mitschüler an. Die meisten kritzelten irgendetwas auf ihrem Block oder lümmelten gelangweilt auf ihren Plätzen. Manche gähnten sogar so übertrieben, dass ich befürchtete, sie würden gleich einschlafen. Als mir das ganze schließlich zu blöd wurde hob ich die Hand. Herr Schmidts blick schweifte durch die Reihen, aber ohne mich anzusehen.

„Niemand?"

Verwirrt wedelte ich mit der Hand, in der Annahme, er hätte mich einfach nicht gesehen. Doch schon wieder war es als würde ich gar nicht da sein.

„Herr Schmidt!", rief ich, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Verwirrt blickte er in meine Richtung. Er blinzelte kurz, als wäre ihm erst jetzt meine Anwesenheit aufgefallen.

„Da sind Sie ja, Miss Jackson. Würden Sie dann bitte die Aufgabe lösen?"

Etwas irritiert machte ich mich daran. Hatte er mich bis gerade eben nicht gesehen? Es war fast wie mit diesem Typen neulich im Bus, der sich fast auf mich gesetzt hatte, weil er mich nicht gesehen hatte. Auch heute im Gang wurde ich schon mehrfach angerempelt.

Bildete ich mir das nur ein, oder wurde ich tatsächlich von den Leuten einfach übersehen?

Plötzlich spürte ich einen bohrenden Blick im Rücken drehte mich, nur um direkt in Jasons Augen zu sehen. Doch er wirkte nicht so, als würde ihn die ganze Szene überraschen. Und wenn ich jetzt genau darüber nachdachte, dann war ich nicht die Einzige, die heute schon mehrfach übersehen wurde. Nicht nur, dass Jason einmal die Tür direkt vor der Nase zugeschlagen wurde, weil der Lehrer dachte, es wären schon alle da. Nein, auch als er vorhin bei Herr Solveigh, wegen offensichtlichen Schlafmangels, eingeschlafen war, hatte dieser überhaupt nicht reagiert. Und er war nicht einer dieser Lehrer, denen das vollkommen egal war. Normalerweise störte es ihn schon, wenn man nur den Blick auf etwas anderes richtete als ihn oder das Papier, auf dem man mitschrieb.

Verschwunden und VergessenΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα