15 - Interne Ermittlungen

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Den Neuling hatte er erstmal beschäftigt. Jetzt konnte sich Rose in Ruhe den wirklich wichtigen Ermittlungen widmen. Seit er Jan Böhm am Flughafen in Frankfurt abgeholt hatte und sie ein paar Worte gewechselt hatten, fragte er sich wer der neue Kollege eigentlich war. Wo kam er so plötzlich her und was hatte er vorher gemacht? Es musste eine verantwortungsvolle Stelle gewesen sein, da war sich Rose sicher, andernfalls konnte er sich diese Arroganz nicht erklären. Dieser junge Bursche war dermaßen von sich selbst überzeugt, während er zumindest in Sachen Mordermittlungen ein blutiger Anfänger zu sein schien.
Wie konnte so ein Kerl in diese Position rutschen? Und das auch noch, ohne, dass die Leute das groß in Frage stellten...
Diese Geheimniskrämerei ließ ihm keine Ruhe und deshalb musste er ein wenig Licht ins Dunkel bringen - Antworten finden auf diese brennenden Fragen.

Er hatte mitbekommen, dass Lechner heute ganztägig eine wichtige Sitzung in der Augustinerstraße hatte. Das war die Gelegenheit!
Er machte sich auf und schlurfte den Gang entlang. Die Tür zum Vorzimmer des Kriminaldirektors stand offen.
Rose steckte den Kopf durch die Tür. Gözde Yildirim saß an ihrem Schreibtisch und war mit ihrem Smartphone beschäftigt. Als sie den Besucher bemerkte, schreckte sie auf und legte es mit einer schnellen Handbewegung vor sich auf den Tisch.

„Ach, du bist das, Max! Erschreck mich doch nicht so", sagte sie und lächelte in ihrer unnachahmlichen Art.

„Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf den Tischen. Lechner ist ausgeflogen, da laufen die Dinge hier verständlicherweise etwas lockerer", entgegnete Rose und setzte sich lässig auf die Kante von Gözdes Schreibtisch, um so zu wirken als sei er nur zufällig vorbeigekommen um einen Plausch zu halten. „Was hast du denn da grad geschaut?"

„Oh, ich hab gerade ein Video von einer Influencerin geschaut. Jess Mess zeigt die Modetrends für dieses Jahr. Knallige Farben und auch so manche Modestücke aus den 80ern erleben ihr Revival. Voll abgefahren, oder?"

„Ohja, in der Mode kommt echt alles wieder. Da traut man sich gar nichts wegzuwerfen." Rose musste innerlich lachen, denn solche Dinge interessierten ihn nicht die Bohne und er konnte kaum glauben, dass diese Worte eben aus seinem Mund gekommen waren. Er musste jetzt aber so tun, um den Schein des beiläufigen Smalltalks zu wahren.

„Ich war eben in der Kantine", fuhr er fort, „Was die Kutzmann heute wieder trägt, ist echt mutig. Sie hat ihre ganze Masse in ein enges Kleid gezwängt." Rose wusste, dass Beate Kutzmann so etwas wie die Todfeindin von Gözde war und aufgrund ihrer üppigen Körperfülle natürlich auch jederzeit ein gefundenes Fressen für etwaige Lästereien. Der Köder war also ausgelegt. Würde Gözde auch anbeißen?

„Dieses Miststück! Das darf ich mir nicht entgehen lassen", entgegnete sie und erhob sich von ihrem Bürostuhl. Ohja, sie hatte den Köder gefressen!

„Ich komme gleich wieder. Bis später!" Mit eiligen Schritten verließ sie das Büro und ließ den findigen Kriminalbeamten allein zurück.

Das hatte gut geklappt. Jetzt war der Weg zu Lechners Zimmer frei. Es war nicht abgeschlossen. Sein Ziel war der Computer des Kriminaldirektors - der einzige im ganzen Präsidium, der an das Laufwerk angeschlossen war, auf dem sich die Personaldatenbank befand. Wenn man Geheimnisse über einen Kollegen herausfinden wollte, dann war dies die einzige Quelle dafür. Gözde würde etwa zehn Minuten brauchen um in die Kantine zu laufen, dort vergebens nach Kutzmann Ausschau zu halten und wieder zurückzukehren. Wahrscheinlich würde sie unterwegs noch jemanden für einen weiteren Plausch treffen, aber darauf konnte man sich nicht verlassen.

Zehn Minuten. Los geht's!

Rose betrat Lechners Büro, machte es sich auf dem ledernen Stuhl bequem und schaltete den Computer ein. Rose wusste, dass er hier Zugriff auf sämtliche Personalakten haben würde. Für die Anmeldung wurden Benutzerdaten gefragt. Er gab HEINLEIN als Benutzername und ein achtstelliges Kennwort ein. Die Daten hatte er vor einiger Zeit mal von Heß verraten bekommen. Dieser Heinlein schien mal ein Polizeidirektor gewesen zu sein. Offenbar hatte der Systemadministrator aber vergessen seinen Account zu löschen. Dieses Konto war daher noch aktiv und stellte somit eine inoffizielle und äußerst fragwürdige Möglichkeit der Informationsbeschaffung dar. Das war leider oft auch nötig gewesen, wenn Lechner mal wieder nur Bruchstücke der Informationen, die er vorliegen hatte, weitergab.

Der Login klappte einwandfrei und Rose hatte Zugriff auf die Personaldatenbank.

Jan Böhm, gab er in das Suchfeld ein. Der Rechner ratterte eifrig und spuckte drei Polizeiangehörige mit diesem Namen aus. Rose wählte den ersten aus. Die Akte wurde geöffnet und er erkannte sofort trotz des offenbar schon etwas älteren Fotos, dass es sich nicht um den gesuchten Kollegen handelte. Dieser war aktuell in Rosenheim tätig und auch das Geburtsdatum passte nicht.

Also wählte er den nächsten Kandidaten an und öffnete dessen Akte. Diesmal war es der richtige. Im Gegensatz zu der vorherigen Akte, waren aber weitaus weniger Informationen angegeben. Diese Akte schien jemand ordentlich frisiert zu haben. Ausbildung an der Polizeischule München. Danach waren mehrere unauffällige Stationen angegeben. Die letzte trug keine Bezeichnung. Merkwürdig, dachte Rose und klickte auf die letzte Tätigkeit.

ZUGRIFF VERWEIGERT! Sie haben keine Berechtigung dieses Element anzuzeigen. Rose blickte verwundert auf die Fehlermeldung. So etwas hatte er noch nie gesehen. Der gute Heinlein hatte bislang noch jede Info besorgen können.

Es musste doch noch eine Möglichkeit geben, dieses Geheimnis zu lüften. Rose überlegte kurz. In Kürze würde Gözde zurück ins Büro kommen. Er durfte hier auf keinen Fall erwischt werden!

Rose scrollte nach unten. Hier waren einige Erwähnungen Böhms im Intranet der bayerischen Polizei aufgeführt. Er überflog sie. Ehrungen, Beförderungen, jede Menge Bilder von Böhm, wie er mit strahlendem Gesicht in die Kamera lächelte. Meist waren auch noch andere Personen abgebildet, die ihm die Hand schüttelten oder irgendwelche Urkunden überreichten.

Was für eine Bilderbuchkarriere, dachte sich Rose und suchte auf den Fotos nach irgendwelchen Zusammenhängen. Das war wohl eine Art Berufskrankheit unter Ermittlern. Und tatsächlich stieß er dabei auf etwas, dass ihm auffiel: Auf mehreren Aufnahmen stand ein hagerer Mann mit Schnauzer hinter Böhm. Er trug die Uniform eines Polizeipräsidenten. Seine Gesichtszüge erinnerten ihn in gewisser Weise an den jungen Kollegen. Rose überflog den Text eines dazugehörigen Artikels.

Am vergangenen Sonntagabend ernannte Polizeipräsident Hubert Böhm im Rahmen einer feierlichen Gala den Polizeihauptmann Jan Böhm zum Polizeioberkommissar, welcher sich bisher durch hervorragende Leistungen und überdurchschnittliches Engagement für die Befähigung bewiesen habe. Der Polizeipräsident gab in seiner Rede an von besonderem Stolz erfüllt zu sein, da es sich bei Jan Böhm um seinen Sohn handelt.

Rose musste kein weiteres Wort mehr lesen. Er wusste jetzt Bescheid. Dieser Böhm hatte seine steile Karriere also seinem einflussreichen Vater zu verdanken! Soviel war klar. Die Frage war nur, was der Auslöser für seinen beruflichen Abstieg gewesen sein musste, der ihn hierher nach Würzburg geführt hatte.

Für heute gab Rose sich mit dem Herausgefundenen zufrieden. Gözde nahte sicherlich schon und er musste sich schleunigst aus dem Staub machen. Er drückte den Ausschalter des Computers für einen Moment und schaltete das Gerät aus, welches sogleich verstummte. Der Bildschirm erlosch. Nichts wies mehr über die eben noch betriebene kleine Recherche hin. Rose stand auf, verließ rasch das Büro und zog die Tür hinter sich zu.
Dann verließ er auch das Vorzimmer. Gözde war noch nicht wieder zurück und er traf sie auch nicht auf dem Gang. Er war sich sicher, dass sie jemanden zum Reden gefunden haben musste.

Katzenmorde - Kommissar Roses erster Fall (Krimi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt