56-/Hana

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Tomura PoV.

Es ist mir egal wie aufgeregt ich war als wir losgefahren waren und wie sehr ich mich gefreut hatte, wieder in irgendeiner Form an so etwas wie einem 'normalen Leben' teilzuhaben, jetzt grade bin ich einfach froh wieder in diesem Gebäude zu sein und mich zurückziehen zu können- allein.
Ich mag Dabi sehr, ich bin gerne mit ihm zusammen und habe ihn um mich- er wirkt beruhigend auf mich. Nicht einmal ihn möchte ich aber grade bei mir haben, geschweige denn in seinem Zimmer sein und auf seinem Bett herum sitzen.

Das erste was ich tue, nachdem ich zur abwechselung mal in meinem eigenen Zimmer verschwunden bin und sofort die Tür ins Schloss fallen lasse, ist einmal tief durchzuatmen und zuzulassen, das mir ein paar stumme Tränen über die Wangen laufen. Ich kann froh sein, dass ich mir diese so lange verkneifen konnte- dieser Laden war so überfüllt und kam mir so eng und verwinkelt vor, dass ich pausenlos das Gefühl hatte, kurz vor einer kleinen Panikattacke zu stehen. Hätte ich mich nicht ständig an Dabis Fersen geheftet und damit durchgehend einen Punkt gehabt, an den ich mich wenden und Orientieren kann, wäre ich verrückt geworden.

Ich lasse mich langsam auf der Kante des Bettes nieder, ehe ich mich überraschend ruhig auf meinen Knien abstütze und einfach zu Boden starre- das stört mich, diese ganze Situation eben stört mich, früher war ich nicht so empfindlich, früher hätten die ganzen Leute mir nichts ausgemacht... Ich war nie so rücksichtslos wie Akito, so aufgedreht wie Toga oder so offen wie Dabi, trotzdem aber war dazu in der Lage das zutun, was man eben machen musste- wenn ich mir jetzt aber bloß Vorstelle, dass ich es gewesen wäre, der den Einkauf hätte bezahlen müssen- dass ich das Kleingeld hätte aus dem Portemonnaie suchen müssen während alle hinter mir gewartet hatten, stehe ich kurz vor der Atemnot.

Das alles löst in mir ein Gefühl aus, welches ich schon lange nicht mehr hatte, zumindest nicht genauso... Ich komme mir absolut bescheuert vor mich so zu fühlen, ich habe es nicht einmal Dabi erzählt, oder es wenigstens angeschnitten- ich bin mir fast sicher dass er es nicht verstehen würde, schließlich weiß nicht mal ich was das alles soll...

Diesmal würde er mich sicher wirklich für ein nerviges, ungestümes kleines Kind halten, dass sich nicht einmal Vorstellen kann was das Wort 'Selbstständig' auch nur ansatzweise bedeuten soll.
Und dann auch noch meine bescheuerten Haare...

Bevor ich auch nur einen weiteren Gedanken fassen kann, stehe ich in windeseile auf, schreite unruhig Richtung Badezimmer und schließe dort gleich die nächste Tür hinter mir.
Ich zögere- es dauert peinlich lange bis ich mich dazu überrede vor den Spiegel zu treten und nach einer gefühlten ewigkeit, endlich wieder einen Blick in diesen zu riskieren.

Meine Augenbrauen verziehen sich reflexartig zu einer angespannten Miene als ich dem jungen Mann in die Augen schaue, welcher durch den Spiegel hindurch zu mir blickt. Er wirkt bedrückt und scheint mich genauso wenig sehen zu wollen, wie ich ihn.
Als nächstes richte ich meinen Fokus auf meine bald nicht mehr ganz so hellen Haare, nehme zweifelnd eine meiner Strähnen zwischen die Finger und grübele darüber, ob ich Hana gewinnen lasse oder nicht...

Ich hatte ihr immer damit gedroht meine Haare zu färben, wenn sie mich noch einmal als 'süß', 'putzig' oder 'absolut niedlich' bezeichnen würde, umgesetzt hatte ich es dann aber nie, nicht dass sie mir auch nur eine Sekunde lang geglaubt hätte... Ich finde es fast schon Schade dass ich diese genugtuung nie haben- und ihr meine gefärbten Haare nie werde unter die Nase reiben können, wobei sie wohl auch dann einen weg finden würde, mich zu ärgern und aufzuziehen. Wenn ich so darüber Nachdenke, erinnert Toga mich etwas an sie, das war mir vorher nicht aufgefallen.

Ohne es verhindern zu können, füllen meine Augen sich schnell ein weiteres mal mit Tränen, diesmal aber wische ich sie mir sofort grob mit dem Ärmel meines Pullovers weg und kann darüber nur grinsen- wieder mal führe ich mich auf wie ein Idiot, der einfach nicht loslassen kann. Die Sachen die geschehen sind, bevor ich auf die Straße geflohen bin und überzeugt davon war, mich umbringen zu wollen, habe ich eigentlich schon zig mal durchgekaut- sie können mich nicht schon wieder zum weinen bringen, das ist unfair.

Anstatt wieder in mein Zimmer zu flüchten und mich einfach mit all diesen ausweglosen Gedanken berieseln zu lassen, bleibe ich wie angewurzelt vor dem nicht mehr ganz so sauberen Spiegel stehen und starre meine Reflektion an-

Meine Augen kommen mir noch kein stück lebhafter vor, während die dunklen Ringe unter ihnen jedoch schon deutlich heller geworden sind. Mit diesen- und meinen teilweise schwarzen Haaren, komme ich mir fast so vor, als wäre ich wieder ein naiver Teenager- als würde mein Vater jeden Moment durch die Wohnung rufen, dass er von der Arbeit gekommen ist, oder meine Schwester, die gerne mal jedes Zimmer nach mir abgesucht hat nur um mir zu berichten, dass sie in der Schule sonst was erlebt hat...

Ich weiß nicht was sie sagen würde, könnte sie mich jetzt sehen- was sie über ihren kleinen Bruder denken würde, würde sie erfahren dass er doch irgendwie Schwul ist, nur werde ich das wohl auch niemals erfahren. Sie hätte mich schon nicht gehasst, oder? Wie hätte sie reagiert, und wie sah sie überhaupt nochmal aus?

Hier im Badezimmer zu stehen und mich wieder einmal mit Dingen verrückt zu machen, die schon längst keine bedeutung mehr haben sollten, zwingt mir sofort den Gedanken in den Kopf endlich diesen blöden Verband zu lösen und einen weiteren versuch zu starten mich zu verletzen, und damit etwas abzulenken, jedoch kann ich mich genau daran erinnern, wie absolut schrecklich ich mich beim ersten mal gefühlt- und wie sehr ich mich dafür gehasst habe, und es immer noch tue.

Keine chance. Zum glück habe ich nun eine andere, um einiges angenehmere Lösung zum stress abbauen gefunden.

Trainwreck -Shigadabi FF- Where stories live. Discover now