Mondfinsternis

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Serrin hält die Hand ausgestreckt. Mit dieser Geste will sie Moondrop auf Abstand halten. „Was denn? Bin ich dir nicht liebenswert genug? Du böses Mädchen~", raunt er. Langsam geht Moon einen Schritt auf sie zu. „Bleib weg von mir!" Wegen der Dunkelheit stolpert Serrin über etwas, weshalb sie schmerzhaft auf ihrem Hintern landet. „Heehehehe..." Sein dunkles Lachen löst in ihr Panik aus. „Nein, geh weg!" Sie rappelt sich wieder auf und lässt ihn dabei nicht aus den Augen. „Heehehehe...du kannst mir nicht entkommen. Du hast deine Bettzeit verpasst..." Plötzlich kommt Moon frontal auf sie zugerannt. Aus einem Reflex heraus dreht sich Serrin um und rennt vor ihm davon. Um Himmels Willen – wieso hat sie nicht auf Sunny gehört? Dann würde sie nun nicht in dieser Situation stecken. Serrin achtet nicht darauf wohin sie läuft weshalb sie mehrmals stolpert. Es scheppert laut. Sie hat gerade etwas umgeworfen. „Grrr...aufräumen...aufräumen...", kann sie es Moon sagen hören.

Während der Nachtwächter damit beschäftigt ist das Chaos zu beseitigen, schafft es Serrin sich in einem der Klettergerüste zu verstecken. Vor lauter Angst kann sie ihren eigenen Herzschlag im Kopf pulsieren hören. Sie muss dringend ihren Atem beruhigen. „Serrin, wo bist du?~", schnurrt er. Die Weißblonde hält den Atem an, als ihr Verfolger dicht an ihrem Versteck vorbeiläuft. Als er weg ist, traut sie sich heraus und will sich an einem anderen Ort verstecken. Serrin hält inne. Sie lauscht in die Dunkelheit hinein. Es ist still. Zu still. Sein bösartiges Lachen ist verstummt. Eigentlich ist das ein gutes Zeichen, doch es ist genau das, was sie beunruhigt. Sie schluckt einmal bitter und will sich umdrehen, als die Weißblonde plötzlich den Boden unter den Füßen verliert. „Heehehehe...hab ich dich, Starlight...~"

Serrin schreit und strampelt, versucht sich zu befreien. Doch je mehr sie sich wehrt, umso fester wird sein Griff. „Lass mich los, du Freak!" Sie ist kurz davor eine Panikattacke zu bekommen. Erst jetzt macht sich Serrin darüber Gedanken, wie Moon es eigentlich schafft durch die Luft zu schweben. „Hehehe...sicher?~" Anders als ihre sind seine Augen perfekt an die Dunkelheit angepasst. Anscheinend ist ihr nicht bewusst, dass Moon sie einige Meter in die Luft gezerrt hat. Aus dieser Höhe würde sie zwar nicht sterben, sich aber definitiv alle möglichen Knochen beim Aufprall brechen. „Nein, lass mich nicht los", jault sie. Moon starrt ihr grinsend mit seinen rot leuchtenden Augen entgegen. „...Wie du willst...Starlight...", lacht er und lässt sie los. „Böse Mädchen müssen bestraft werden.~" Ihr Schrei ist gellend, als sie ungebremst in die Tiefe stürzt. Serrin kann nicht einschätzen wie weit der Boden noch entfernt ist. Es ist diese Ungewissheit wann der Aufprall stattfindet, sodass sie sich nicht einmal auf den Schmerz vorbereiten kann. Eine schier endlose Dunkelheit fügt ihr in dieser Sekunde mehr psychisches Leid zu, als was sie ihr ganzes Leben erdulden musste. Insgeheim hofft sie danach sofort tot zu sein, um nicht unnötigen leiden zu müssen. Doch bevor sie überhaupt den Boden erreicht, hat sich ihr Verstand soeben verabschiedet. Alles um sie herum ist komplett schwarz geworden. Sie hat das Bewusstsein verloren.

Serrin blinzelt. Langsam kommt sie zu sich. Wie lang sie nach ihrem Sturz noch ohnmächtig war weiß sie nicht. „Mhm..." Wie seltsam, ihr tut gar nichts weh. Hat sie sich etwa die Wirbelsäule gebrochen und fühlt nun nichts mehr? Nein, sie kann ihre Hände bewegen. Und sie fühlen sich eigenartig steif an. Fast so, als würden sie festgehalten werden. „Na, bist du wieder aufgewacht, Starlight?~" Serrin reißt die Augen auf. Sie starrt entsetzt in dieses rot glühende Augenpaar, das ihrem Gesicht unheimlich nahe ist. Erst jetzt hat sie begriffen, dass sie an den Handgelenken gefesselt, und ihr Kopf in seinem Schoß gebettet ist. Serrin fängt an zu schreien. Sie will aufstehen, kann es aber nicht, da Moon sie festhält. „...Schhh...", macht er es leise und legt ihr sanft den Zeigefinger auf den Mund. „Alles ist gut, du bist bei mir in Sicherheit." Was ist denn jetzt los? Erst hat er sie gejagt und wollte sie umbringen und jetzt das? Besonders schlau scheint er ja nicht zu sein, denn Serrin misstraut ihm nun noch mehr als vorher. Verstört kann sie so nahe an ihm dran sein breites Grinsen sehen. „Was schaust du denn so? Hat dir mein Spiel etwa nicht gefallen?"

„Dein Spiel?" Es waren die erste Worte, die sie seit ihrem Erwachen mit ihm gewechselt hat. „Dein Spiel?", wiederholt sie. Am liebsten würde sie ihn ohrfeigen. „Nein, es hat mir nicht gefallen! Es war genauso toll wie am Sonntagmorgen von einem krähenden Hahn geweckt zu werden", sagt sie sarkastisch. Moon lacht. Er zeigt ihr dabei stolz seine spitzen Reißzähne. „Du wirst mir schon wieder viel zu frech, du ungezogenes Mädchen~", raunt er. „Anscheinend muss ich dich nochmal bestrafen." Serrin stockt. Ihre plötzlich erneuerte Angst amüsiert ihn. „Keine Sorge, Starlight, ich habe dir doch versprochen dich zu beschützen.~" Moon streichelt ihr sanft, beinahe zärtlich über die Wange. „Es ist einfach nur schön wenn man Jemanden hat, mit dem man spielen kann.~" Serrin ist sein zweideutiges Schnurren nicht entgangen. „Wenn du alle deine Besucher so behandelst dann wundert es mich nicht, dass dich keiner ausstehen kann." Das hätte sie besser nicht sagen sollen. „..Du ungezogenes, kleines, freches Mädchen..."

Moon presst ihren Mund zu einer Kussschnute zusammen. Während sie ihn mit Worten beschäftigt, versucht sie unbemerkt ihre Hände zu entfesseln. Ziehen und drehen, dann wird es gehen. Diesen kleinen Trick hat Serrin früher einmal in einem Cartoon gesehen. Und es funktioniert. „...Anscheinend muss ich dich...-" Er beugt sich mit einer akrobatischen Meisterleistung zu ihr herunter. „...Nochmal bestrafen...", beendet Moon seinen Satz. Serrin errötet. Sie hätte beinahe zu spät bemerkt, dass er sie küssen will. „Nein!", kreischt sie und knallt ihm in allerletzter Sekunde beide Hände ins Gesicht. Sie steht auf und stößt ihn dabei weg. Moon faucht einmal bösartig. „...Elendes Miststück....", heult er. Serrin fängt an zu rennen und versteckt sich nahe an einer Reklametafel. „Hör zu, du Spinner! Sunny ist derjenige, den ich mag." Moon knirscht seine mechanischen Kiefer aufeinander.

„...Sunny...SUNNY...SUNRISE...", beginnt er wütend zu schreien. „Ich höre immer nur Sunny hier und Sunny da. Was hat er was ich nicht habe? Wieso lieben ihn alle so?" Serrin tastet hinter sich und bekommt tatsächlich etwas zu fassen. Was es ist weiß sie nicht, doch man kann es als Waffe gegen ihn einsetzen. „Sunny hat alles was ein guter Freund braucht. Er ist nett, er ist zuverlässig und fürsorglich und denkt immer an andere und nicht an sich selbst. Außerdem kann er gut mit Kindern umgehen, was man von dir nicht behaupten kann. Sunny muss man einfach lieb haben. Er war immer für mich da wenn ich Angst hatte oder traurig bin. Du hingegen legst ein rüpelhaftes Verhalten an den Tag, bist bösartig, egoistisch und gemein. Du solltest der Welt einfach einen Gefallen tun und für immer verschwinden! Dich würde ohnehin keiner vermissen." Woher sie plötzlich diesen Mut hat weiß sie selbst nicht. Allerdings spricht sein entgeisterter Gesichtsausdruck gerade Bände. „...Du...!" Seine Augenbraue zuckt einmal bedrohlich. „...Böses...kleines..." Solch einen krassen Korb hat er noch nie bekommen.

Serrin hätte ihre Wortwahl besser überdenken sollen, denn nun brennen ihm die Sicherungen durch. Moon stürzt sich schreiend und ohne jegliche Vorwarnung auf sie. Dabei erwidert sie seinen Schrei und benutzt nun den Gegenstand, den sie zuvor zu fassen bekommen hat. Es ist eine Taschenlampe, dessen heller Lichtkegel ihm direkt ins Gesicht leuchtet. Moon schreit diabolisch auf, hält sie die Hände vor die Augen und taumelt zurück. Selbst der Dümmste wäre nun darauf gekommen, dass der ehemalige Nachtbetreuer komplett lichtscheu ist. „Wie gefällt dir das?", höhnt Serrin und leuchtet ihn weiter an. Moon zieht sich fauchend weiter in die Dunkelheit zurück. „...Clever...aber die Batterie deiner Taschenlampe wird nicht ewig halten."
„Das mag schon sein, aber für den Moment mag sie dich vertreiben können." Serrin drängt ihn in die Ecke zurück. Jetzt wo sie seine Schwachstelle weiß, kann sie sich auch gegen ihn wehren. Moon gibt immer wieder grauenhafte Geräusche von sich, wenn der Schein der Lampe ihn erwischt.

So wie die Motte vom Licht angezogen wird, so wird er von der Dunkelheit angezogen. Doch bald hat ihn Serrin gar in die Ecke gedrängt, weshalb er nur wenige Fluchtmöglichkeiten mehr hat. „...Dafür wirst du bezahlen, du vorlautes Miststück", knurrt er. „Das wollen wir doch einmal sehen wer hier für was bezahlt du, Freak." Serrin wünscht sich eine Uhr zu haben. Sie weiß weder wie spät es ist, noch wie lange sie durchhalten muss. Auch für sie ist Flucht keine Option, da die Tür zur Kita abgesperrt ist. Ihr wird also nichts anderes übrig bleiben, als weiterhin gegen Moon zu bestehen. Langsam wird Serrin nervös, denn der Lichtstrahl der Taschenlampe ist schwächer geworden. Dadurch hat sich auch der Abstand zu diesem Monster verringert. „Heehehehe...bald hast du verloren...", kichert er und springt freudig von einem Fuß auf den anderen. Vielleicht wäre es besser sich jetzt schon einmal nach einem geeigneten Versteck umzusehen. Lange wird die Batterie der Lampe nicht mehr durchhalten. Nach einer weiteren Stunde ist sie so schwach, dass sie Moon nur noch einen Meter fern halten kann. Bis sie schließlich gänzlich den Geist aufgibt.

Kaum ist der Lichtstrahl erloschen, stürmt Moon auf sie zu. Er schlägt ihr das lästige Teil aus der Hand, um sogleich ihren dünnen Schwanenhals zu umfassen. „...Hab ich dich endlich...Starlight..." Sein perverses Grinsen wird noch breiter als er sie schmerzhaft gegen die Wand presst. „Böse Mädchen müssen bestraft werden.~" Serrin hat seine beiden Handgelenke umfasst. Sie hat begriffen, dass dieser gruselige Kerl ihr an die Wäsche will. „Lass mich los...", fiepst sie hilflos. Moon legt ihr seine mechanischen Lippen ans Ohr. „...Oder was...?" Sie schluckt. „...Oder ich...ich..." Sie röchelt und sein Griff festigt sich noch weiter. Serrin bekommt keine Luft mehr und fängt an blau anzulaufen. „Heehehehe...das dachte ich mir. Zuerst werde ich dich bewusstlos würgen und dann werde ich dich...-" Plötzlich hallt ein schriller Schrei von Moon durch den Raum. Er war so in Rage und von seinen Racheplänen besessen, dass er besser mal die Uhr hätte im Auge behalten sollen. Soeben sind die Lichter der Kita wieder angeschaltet worden. Moon fasst sich an den Kopf und will sich die Augen auskratzen. „Nein....nicht...jetzt...." Er wehrt sich dagegen. „Lichter aus...Lichter aus..."

Serrin ist auf die Knie gefallen. Ihr laufen ununterbrochen die Tränen aus den Augen und an ihrem Hals sind deutliche Würgemale zu sehen. „NEIN! Ich werde nicht..." Das unheimliche blau verschwindet. Die sternenbedeckte Schlafanzughose verändert seine Farbe und das freundliche, sonnige gelb erscheint wieder. Plötzlich wird Serrin an den Schultern gepackt. „Hat er dir etwas getan? Hat er dir etwas schlimmes angetan?" Sie hebt den Kopf und sieht ihren alten Freund tränenüberströmt an. „Sunny...", wimmert sie leise. Sein Blick fällt auf ihren Hals und auf die gut sichtbaren Würgemale. „Serrin, was ist das?" Es gefällt dem Sonnenmann gar nicht was er da sieht. „...Sunny...", wimmert sie wieder. „...Sunny..." Dann fällt sie ihm um den Hals und krallt sich an seinen Schultern fest. Er nimmt sie auf den Arm und drückt sie schützend an sich. „...Ich hab noch nie so viel Angst gehabt...er ist verrückt...vollkommen verrückt..." Sunny drückt sie sanft an sich. „Serrin, ich..." Er stöhnt einmal leise. Verheult löst sie sich von ihm. „Wieso...wieso...hast du mir das nicht erzählt...?"

Peinlich berührt weicht er ihrem Blick aus. „Weil ich...Angst hatte..."
„Vor was...?"
„Das du mich dann nicht mehr magst..." Er stöhnt einmal leise. „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern wie oder wann es passiert ist. Moon und ich teilen uns einen Körper. Immer wenn das Licht ausgeht übernimmt er die Kontrolle. Er ist ein Wesen der Nacht und verträgt kein Licht." Augenblicklich muss sie an die Taschenlampe denken. Deswegen ist er vor dem Schein geflüchtet. „Und sobald es wieder hell wird übernehme ich die Kontrolle wieder." Das ist einfach zu viel für Serrin. Sie lehnt ihren Kopf an seine Schulter und schließt die Augen. „Ich bin so müde, Sunny...ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen." Der Sonnen-Animatronic bringt seine alte Freundin in sein Privatzimmer und legt sie dort auf sein Bett. „Jetzt wird alles gut, er kommt erst heute Nacht wieder." Sunny deckt sie zu und lächelt sie freundlich an. „Versuch etwas zu schlafen, ich bin da wenn du mich brauchst." Müde kuschelt sie sich in sein Bett ein. „Okay...", sagt sie leise. Sunny geht nach draußen und will das Licht in dem Zimmer löschen. „...Nicht!" Er kann verstehen, dass sie nach diesem Erlebnis Angst vor der Dunkelheit hat. „Ich hoffe, dass du Moon nie wieder begegnen wirst. Aber sollte es doch nochmal so sein, dann tu so aus als ob du schlafen würdest. Das verwirrt ihn." Serrin nickt und lächelt. Erneut schmust sie sich in die Decke und scheint selbst bei Festbeleuchtung schlafen zu können. Kaum hat er das Zimmer verlassen, erwischt sie sich dabei wie sie ganz kurz einmal rot wird.


Moondrop weiß was du in der Dunkelheit tust (Abgebrochen)Where stories live. Discover now