Epilog | Nikan

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Die ersten Monate nach dem Vertragsabschluss mit Henry wollte mich das Gefühl nicht loslassen, dass jeden Moment jemand auftauchen könnte, der unsere schöne Illusion von Frieden zerstört. Bisher ist es nicht passiert und auch ich beginne langsam daran zu glauben, dass alles in Ordnung sein wird.
Es ist nun Herbst und vieles hat sich im Rudel getan. Für unsere Geldprobleme hat sich schnell eine Lösung gefunden, nachdem wir uns wieder auf uns konzentrieren konnten und nicht ständig patrouillieren mussten. Gelegentlich laufen wir unsere Grenzen ab, aber nicht mehr aus Angst vor Henry. Vielmehr um rechtzeitig erkennen zu können, wenn Fremde unser Land betreten oder Menschen sich im Wald verirrt haben.
Wir verkaufen weiterhin Holz aus unserem Wald. Antonio hat uns sogar kleine Visitenkarten designt und gedruckt und sie in der Kleinstadt in der Nähe verteilt. Das bringt uns ein kleines Einkommen. Ian hat sich in einem Tattoostudio beworben, wo er nun zweimal die Woche Aufträge annimmt und Olivia hat einen Platz in einem Friseursalon bekommen. River übernimmt kleine Babysitter Jobs und Len hilft gelegentlich in einer Arztpraxis aus. Von überall fließt nun Geld in die Rudelkasse, mehr als wir brauchen, denn alles was wirklich wichtig ist, können wir selbst herstellen oder lernen es selbst zu machen.
Wir haben angefangen eine zweite Siedlung zu bauen. Nicht so weit im Wald versteckt und näher an der Stadt, damit wir, wenn wir irgendwann Welpen haben sollten, sie auch an die menschliche Welt gewöhnen. Sie sollen in richtige Schulen gehen können und sich in die Gesellschaft integrieren.

Rivers Angst bezüglich ihre Familie im Redbone Rudel nicht mehr zu sehen, hat sich auch schnell gelegt. Seit Dean und Luke abgereist sind im Frühling, hat sie keinen mehr persönlich gesehen, doch sie telefonieren regelmäßig und sehen sich über Skype. Nächstes Jahr im März werden Olivia und Ian eine kleine Gefährtenzeremonie haben und da werden Olivias Freunde und Familie anreisen. River freut sich jetzt schon auf den Tag, fast mehr als Olivia könnte man meinen.

Heute war ein anstrengender Tag. Ich habe an unserem Haus weitergearbeitet. Es wird groß werden, denn wir werden weiterhin mit den ungebundenen Wandlern zusammenleben, doch die obere Etage soll nun ganz für uns sein. Viele Zimmer für viele Welpen. Zwei weitere Häuser werden auch noch errichtet. Eins für Jesper und Len und das andere für Olivia und Ian. Jesper und Lens Haus wird als erstes fertig werden, sie haben es verdient. Es wird am kleinsten sein, denn sie brauchen nicht viel Platz, weil sie nie Welpen haben werden. Ihre Worte, nicht meine. Es gibt für Wandler mit gleichgeschlechtlichen Gefährten Programme für einen Welpenwunsch. Wenn sie es sich also jemals anders überlegen sollten, haben sie immer Wahl.
Die Häuser werden hauptsächlich aus Stein erbaut. Es macht sie robuster und wir brauchen beim nächsten Sturm nicht mehr alles verriegeln. Dafür dauert der Bau eben länger, aber es sollen Häuser für die Ewigkeit werden, in denen auch noch die Generationen nach uns einen Platz zum Wohnen finden.

Jetzt bin ich auf dem Weg zu unserem derzeitigen Rudelgebäude. Der Wald ist Bund geworden. Laub in rot und orange versteckt den grauen Himmel, wenn es nicht bereits auf dem Boden gefallen ist. Es sieht wunderschön aus. Die perfekte Jahreszeit für ein gemütliches Date. River und mein erstes Date.
Als ich das Haus betrete und meine Stiefel ausziehe, begegnet mich ein warmer Geruch von Butter, Zimt und Äpfeln. Jesper backt in letzter Zeit viel. Es beschwert sich aber niemand. Wie könnten wir auch, wenn es so köstlich ist?
„Hey, was gibt es heute?", frage ich ihn, als ich zur Küche hineinschaue.
„Zimtschnecken mit karamellisierten Äpfeln. Möchtest du etwas?" Er schaut von seiner Arbeitsplatte zu mir auf. Sie ist überladen mit Gebäckstücken und man könnte meinen es würde Wochen dauern bis all das aufgegessen wird, doch so wie ich die anderen kenne, wird morgen früh schon nichts mehr da sein. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit nutzen, aber ich habe noch etwas vor.
„Nein danke, ich bin schon spät dran."
„Stimmt, dein Date. River ist vor einer halben Stunde nach oben verschwunden, um sich fertig zu machen."
„Dann sollte ich mal schnell unter die Dusche springen."
River ist fast verrückt geworden als ich ihr nicht sagen wollte, was ich geplant habe. Auf kreative Weise hat sie versucht mir Informationen zu entlocken. Fast hätte sie es geschafft als sie vor mir gekniet und meinen Schwanz in ihrem Mund hatte. Ich hätte ihr alles auf der Stelle gestanden, doch konnte mich zurückhalten, denn die Überraschung ist viel zu schön.
Wir werden zuerst in einen Buchladen gehen, sie wird sich ein Buch aussuchen oder vielleicht auch zwei. Dann werden wir zum Italiener gehen und anschließend eine schöne Stelle am Waldrand finden, wo wir uns hinten ins Auto legen können. Ich habe heute Mittag schon die Sitze umgeklappt, eine Matratze reingelegt und Kissen und Decken eingeladen. Dann kann sie mir aus ihrem Buch vorlesen und wir wissen genau, wie dieser Abend enden wird.

Mit einem Handtuch um die Hüfte geschlungen betrete ich unser Schlafzimmer und sehe River, die ihr Outfit im Spiegel betrachtet. Ein schwarzer kurzer Rock umschmeichelt ihre Oberschenkel. Die blasen Beine sind hinter einer schwarzen dünnen Strumpfhose versteckt, auf die ich mich jetzt schon freue, sie ihr nachher wieder auszuziehen und ihr Oberteil besteht aus einer dunkelgrünen halbdurchsichtigen Bluse. Meine kleine Waldfee. Ihre langen Haare fallen in weichen Wellen ihren Rücken hinab und als sie sich zu mir umdreht, trägt sie dieses strahlende Lächeln, dass ich mich gleich noch einmal in sie verliebe. Ich verliebe mich jeden Tag neu in sie. Wenn sie mir stolz die Fische präsentiert, die sie mit den Händen aus dem Fluss gefangen hat. Wenn sie mir ihre Ängste anvertraut und sie überwindet. Wenn sie sich mit Mato über das letzte Stück Pizza streitet. Einfach nur, wenn sie so lacht wie jetzt.
„Ich habe dich vermisst", murmle ich in ihre Haare, nachdem ich sie an meine nackte Brust ziehe und ihren lieblichen Geruch nach Wald und Regen in mich aufnehme.
„Wie lange war es denn jetzt?", fragt sie lachend. „Vier Stunden?"
„Ich vermisse dich jede Minute, jede Sekunde", gestehe ich und liebe es wie sie unter meinen Berührungen erschauert als ich meinen Mund über ihren Hals streife, ganz nah an ihrer Markierung.
„Verrätst du mir jetzt wenigstens, wo wir hinfahren?"
Ich lache, weil sie es einfach nicht lassen kann und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich mir selbst frische Klamotten heraussuche.
„Wer hat denn etwas von fahren gesagt?" Ich suche mir passend zu ihrem Outfit eine schwarze Jeans und ein ähnlich grünes Hemd heraus.
„Ich habe gesehen, wie du heute den Jeep beladen hast. Mit Kissen, Decken und allem." Sie sitzt nun auf dem Bett, die Beine übereinandergeschlagen und viel zu bezaubernd.
„Noch eine Weile. Es lohnt sich, versprochen."
Ich lasse mein Handtuch fallen und versuche ihren düsteren Blick zu ignorieren. Nicht, weil sie wütend auf mich ist, sondern weil sie gerade gar keine Gedanken mehr mit unserem Date verschwendet. Aber wenn ich jetzt nachgebe, kommen wir gar nicht mehr aus dem Schlafzimmer raus. Ich beeile mich also mich wieder zu bekleiden und ziehe River anschließend vom Bett.
„Ich liebe dich. Besonders wenn du mich so ansiehst, als würdest du mich auffressen wollen." Ich küsse sie kurz auf den Mund.
„Du bist auch wirklich zum Anbeißen", gesteht sie, stellt sich auf Zehenspitzen und fährt mit ihren Zähnen über meinen Hals. Gänsehaut breitet sich auf meinem gesamten Körper aus, doch ich schüttle das Gefühl ab, indem ich einmal meine Schultern nach hinten kreise und den Rücken durchstrecke.
„Na komm, es gibt Bücher, die auf dich warten." Ich ziehe sie an der Hand mit mir aus dem Zimmer.
„Bücher? Oh, Nikan du bist der Beste." Sie kann sich gerade noch zurückhalten nicht aufgeregt auf und abzuspringen und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
So und nicht anders stelle ich mir die Zukunft vor. River, unser Rudel und Frieden.

*

Damit endet Moonshadow. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, diese Geschichte zu schreiben. Es wurden viele neue Charaktere vorgestellt, jeder mit seiner eigenen Geschichte. Ich habe noch mehr Ideen für die Moon-Welt, doch werde mich erstmal neuen Projekten widmen. Bis dahin, fügt doch gerne mein Bonuskapitel Buch zu eurer Bibliothek hinzu, denn es wird auf jeden Fall noch das ein oder andere Bonuskapitel zu Moonshadow kommen.
Danke an jeden, der die Geschichte bis zum Schluss gelesen hat! ❤️

Update: 1. Bonuskapitel (Woodfairy) veröffentlicht

MoonshadowWhere stories live. Discover now