15. Mit dem Tod unter einer Decke

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Ein leichter Regen setzte ein, als Tilda und der Tod durch die Straßen rannten. Nur in den Lichtkegeln der einsam stehenden Straßenlaternen konnte man ihn erkennen, ganz so, als wurde er von einem Filmprojektor angestrahlt. Richtig in Szene gesetzt. Voller Adrenalin und beinahe blind für diese Welt liefen sie ziellos von Lichtkegel zu Lichtkegel. Sie hatten nur Augen für einander und tanzten über den Bordsteig, als wäre er nur dafür gemacht. Tildas Samtkleid sog den Regen auf wie ein schwerer Schwamm und ihre Haare hingen nach wenigen Minuten wie leblos von ihrem Kopf. Aber es kümmerte sie nicht. Und dem Tod wäre es ohnehin nicht aufgefallen. Er starrte nur in ihre glitzernden Augen und sah ihr verstohlenes Lächeln. So leicht war ihr Gesichtsausdruck heute, so unbeschwert. Als hätte sie alles losgelassen, was sie sonst am Boden hielt.
Als aus Tildas Schuhen das Wasser bei jedem Schritt herausspritzte, entdeckte sie ein Taxi. Sie griff sein vom Regen dunkelgrau gewordenes Hoodie und zog ihn auf den Rücksitz. Als sie dem Taxifahrer in knappen Worten ihre Adresse nannte, fühlte sich ihre Stimme viel zu laut und viel zu schrill an. So verfielen sie wieder ins Schweigen, während sie zu ihr fuhren. Er hielt ihre Hand und Tilda warf ihm immer wieder vielsagende Seitenblicke zu, die nass glänzenden Straßen Wiens zogen rastlos an ihren Fensterscheiben vorbei.

Der Regen war stärker geworden, als sie am Ziel ankamen. Sie zahlte wortlos, zog ihn aus dem Auto und führte ihn zum Haus. Mit warmen, kribbelnden Fingern durchsuchte sie ihre Tasche nach den Schlüsseln und zog ihn schließlich in den dunklen Hausflur. Drei Stockwerke rannten sie hinauf, im düsteren Dämmerlicht der Straßenlaterne vor dem Haus, bis sie ganz außer Atem vor ihrer Tür standen. Tilda drehte den Schlüssel und stieß die Tür ungeduldig auf. Bereits bevor sie wieder ins Schloss fiel, spürte sie seine Lippen auf den ihren. Noch bevor sie wieder zu Atem kommen konnte.
Er drückte sie gegen die Tür, seine Hände in ihren nassen Haaren. Sein Hoodie auf ihrer feuchten Haut, sein Haar duftete nach Regen. Mit zittrigen Händen fuhr sie unter sein Hoodie und erkundigte seinen muskulösen Rücken. Während er sie mit allem küsste, was er so lange zurückgehalten hatte, öffnete er vorsichtig ihren Reißverschluss. Im dunklen Flur ließ Tilda das Kleid zu Boden fallen. Es war so schwer, dass ihr beinahe eine Last von den Schultern fiel, als es mit einem feuchten Klatsch zu Boden fiel. Sie ließ ihn los und lief, nur in völlig durchnässter Unterwäsche und vor Nässe schmatzenden Pumps, an ihm vorbei ins Schlafzimmer. Dort stieg sie aus den Schuhen, warf ihm einen vielsagenden Blick über ihre Schultern zu und kroch unter die weiche, trockene Bettdecke.

Regen prasselte gegen die Fensterscheibe, verdeckte ihren lauten, schnellen Atem. Und ihren Herzschlag, der so laut war, dass er ihn sonst sicher gehört hatte. Er sah sie für einen Moment aus dem Türrahmen an, wie sie sich unter der Decke streckte und ihn erwartungsvoll musterte. Dann zog er das tropfnasse Hoodie aus und ließ es wie zuvor ihr Kleid achtlos zu Boden fallen. Ihre Blicke verschlangen ihn, fuhren von seinem Hals über seine muskulöse Brust bis zu seinem flachen, definierten Bauch. Kurz fragte sie sich, wie er es wohl schaffte, so einen Körper zu erhalten, bei all der Arbeit, die er erledigte. Dann erinnerte sie sich daran, dass sie all den verquerrten Fragen doch abgeschworen hatte. In diesem Moment öffnete er seine Jeans und der Gedanke wäre so oder so verloren gewesen. Er ließ auch die Hose zu Boden gleiten, öffnete seine Sneakers und trat heraus. Nur in grauer Boxershorts bekleidet trat er einen Schritt auf sie zu. Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte er, ein dunkler Schatten auf seinem Gesicht. Dann hob Tilda die Decke etwas an, entblößte ihre langen, hellen Beine. Da gab er sich einen Ruck und kroch zu ihr unter die Decke.

Sein schelmisches Lächeln war zurück, als er zum stetigen Geräusch des prasselnden Regens ihren Kuss wieder aufnahm. Tilda drängte sich mit ihrer kalten Haut näher an ihn und schlag ihre Beine um ihn, versuchte ihn festzuhalten.

„Tilda", seufzte er tief. „Es gibt keinen Weg zurück nach heute Nacht."

„Es gibt auch keinen Weg nach vorne", sagte sie, während sie sich noch enger an ihn schmiegte. 

„Lass uns den Moment genießen, es ist alles, das uns bleibt." Kaum merklich nickte er und gab alle Zurückhaltung der letzten Jahrhunderte mit einem Mal auf. Seine Finger brannten auf ihrer Haut, wie Feuer.

Tilda und der Tod | ✔️Where stories live. Discover now