45

136 18 1
                                    

"Aber nein jetzt mal im Ernst, wie hättest du reagiert, hättest du erfahren, dass Christian dich betrügt hätte?"

Robert seufzte. Wahrscheinlich wäre er am Boden zerstört gewesen. Hätte nicht mehr klar denken können. Hätte alles in Frage gestellt. Ihm war klar, dass er sich nicht sonderlich anders als Christian verhalten hätte. Wahrscheinlich hätte er ihm auch Vorwürfe gemacht. Vielleicht hätte er nicht solch beleidigende Dinge gesagt. Er war sich eigentlich sicher, dass er es nicht getan hätte. Aber gut, da unterschieden er und Christian sich einfach. Aber er hätte ihm wohl auch nicht vertraut und wäre unfassbar sauer gewesen, wenn er solch ein Bild von Christian gesehen hätte. Oder? Vielleicht hätte er auch erstmal abgewartet, was Christian ihm dazu sagt. Nein, wahrscheinlich nicht. Robert wünschte sich wahrscheinlich, dass er in so einer Situation ruhig bleiben könnte. Aber realistisch betrachtet war es klar, dass er Christian wahrscheinlich auch nicht vertraut hätte. Und das schmerzte auch Robert. Aber gleichzeitig hatte Jakob ihm gerade die Augen geöffnet. Er hätte kaum anders reagiert. Also musste er eigentlich Verständnis zeigen für Christian. Vielleicht nicht für alles, aber im großen Ganzen dann doch.

"Mir wäre es nicht anders ergangen. Ich hätte wahrscheinlich nicht großartig anders reagiert. Ich sollte Christian nicht zu große Vorwürfe machen. Danke Jakob, du hast mir die Augen gerade etwas geöffnet. Ich hab ja schon wieder gezweifelt. Aber das sollte ich nicht tun."

Beruhigt schaute Jakob zu ihm. Er wollte ja auch nicht, dass es seinem Vater schlecht ging. Und wenn er irgendwie dazu beitragen konnte, dass es nicht so war, dann tat er das auch. Auch wenn es um Christian ging. So ganz akzeptiert hatte er es zwar nach wie vor nicht. Aber er wusste genau, wie viel Christian Robert bedeutete. Also blieb ihm doch eigentlich nichts anderes übrig, als sie zu unterstützen. Und ein Zurück in ihr altes Leben gab es doch sowieso nicht mehr.

Robert wurde klar, dass er die ganze Sache nochmal mit Christian klären musste. Ihm sagen musste, dass er ihn versteht. Dass die ganze Sache nicht zwischen ihnen stehen sollte. Dass es nichts änderte. Ihre Beziehung musste stark genug sein, um auch solch ein Missverständnis zu überstehen. Auch wenn Robert sich nach wie vor fragte, wieso Christian so wenig Vertrauen in ihn hatte. Und wieso er dachte, dass er zu Andrea zurückkehren würde. Wahrscheinlich lag es daran, dass Andrea's und seine Beziehung noch wirklich gut war. Und es klar war, dass sie sich beide immernoch viel bedeuteten. Vielleicht verunsicherte Christian das. Robert würde es zumindest verstehen. Aber was sollte er dagegen tun? Einfach den Kontakt zu Andrea einschränken? Sicherlich nicht. Das konnte und wollte Robert nicht. Und das wäre auch nicht fair. Er hatte Christian ja auch nicht davon abgehalten, weiter mit Franca Kontakt zu halten. Also musste er dafür sorgen, dass Christian einfach nicht mehr an ihm zweifelte. Und es einfach akzeptieren, dass Christian unsicher war.

Aber trotzdem war Robert noch ziemlich verletzt. Nachdem, was Christian ihn da an den Kopf geworfen hatte. Das hätte wirklich nicht sein müssen. Das musste er auf jeden Fall nochmal mit Christian persönlich klären. Am Handy war das sowieso alles schwierig. Aber Robert war sich mittlerweile sicher, dass Christian und er auch das überstehen würden. So hart es auch für ihn war, wenn er an Christians Worte dachte. Aber er liebte Christian. Und ihre Beziehung würden sie beide so schnell nicht mehr aufgeben.

Christian hingegen saß in seinem Hotelzimmer in den USA. Es war Mittags und er hatte eine kurze Pause, bevor er weiter zu seinem nächsten Termin musste. Und diese Pause brauchte er auch wirklich. Seitdem er gestern Morgen losgeflogen ist, hatte sich seine Welt mal wieder um 180 Grad gedreht. Und jetzt schien wieder alles seinen Platz gefunden zu haben. Zumindest schien es so. Aber so ganz war Christian nicht wieder in der Spur. Er fühlte sich unfassbar schlecht. Dass er so schnell an Robert gezweifelt hatte. Dass er ihn solch beleidigende Dinge an den Kopf geworfen hatte. Dass er sofort geglaubt hatte, dass Robert zu Andrea zurück ist. Es war auch einfach zu realistisch. Diese Vorstellung war doch immer irgendwie bei Christian da gewesen. Dass Robert sich am Ende doch gegen ihn entschied und wieder zurück zu Andrea ging. Und plötzlich war es so real.

Die letzten Stunden waren hart gewesen für Christian. Es fühlte sich beinahe so an, wie kurz nach ihrer Trennung. So hatte sich Christian gefühlt. Es war schrecklich. Und jetzt fühlte er sich immer noch so. Warum hatte er nicht mal genauer nachgedacht? Warum nicht einfach abgewartet, was Robert zu all dem sagte? Er hätte sich so viel schlauer anstellen können. Aber das hatte er nicht. Und was bedeutete das jetzt für ihre Beziehung? Würde Robert es ihm übel nehmen? Oder konnte er darüber hinweg sehen? Würde er ihm wirklich verzeihen können? Christian wollte gar nicht daran denken, was wäre, könnte Robert ihm nicht verzeihen. Er musste es jetzt wirklich wieder gut machen. Und Robert zeigen, dass er ihm vertraute und er es nicht ernst gemeint hatte, als er ihn als schlechten Menschen bezeichnet hatte. Das war wirklich wahnsinnig dumm gewesen. Christian kannte es eigentlich gar nicht von sich, dass er so von Emotionen geleitet war. Aber jetzt war es geschehen. Und er musste es wieder gerade biegen. Und zwar dringend.

Und dann stand ja auch noch Roberts Geburtstag am Freitag an. Christian würde schon Morgens in Deutschland landen, weil er dann noch einen Termin hatte. Robert hatte ebenfalls Vormittags einen Termin. Und dann hatte zumindest Robert versucht, sich den Rest des Tages frei zu nehmen. Und wenn nichts außergewöhnliches passierte, dann sollte er dann auch frei haben. Und Christian hatte es genauso gemacht. Bisher hatte Christian nichts großartiges geplant. Er dachte, es würde reichen, wenn sie einfach den Rest des Tages zusammen verbrachten und er Robert ein wenig verwöhnte. Und er hatte schon ein Geschenk gefunden, ein Buch, von dem Robert des Öfteren gesprochen hatte und eine Uhr. Er hoffte wirklich, dass es Robert gefallen wird. Aber mittlerweile hatte Christian das Gefühl, dass er mehr machen musste. Dass er es wieder gut machen musste. Dass er Robert an seinem Geburtstag zeigte, wie sehr er ihn liebt und dass es ihm unfassbar Leid tut. Aber wie könnte er das machen? Was könnten sie gemeinsam tun, ohne in der Öffentlichkeit aufzufallen?

Langsam reifte eine Idee in Christian heran. So konnte er sich zumindest von der restlichen Situation ablenken. Denn heute würde Robert ihn sicherlich nicht mehr anrufen. Er brauchte ja Zeit. Also konnte Christian die Zeit, die ihm gerade noch blieb, für die Planungen für Roberts Geburtstag aufwenden. Am liebsten würde er einfach mit ihm in ein schickes Restaurant gehen und ihn einladen. Aber das war wirklich schwierig, wenn sie nicht auffallen wollten. Also fiel diese Möglichkeit weg. Auch wenn Christian wirklich traurig darüber war. Aber ihm fiel auch noch etwas anderes ein. Marco hatte ihm letztes von einem See erzählt, der ziemlich abseits von Berlin lag und den angeblich keine Menschenseele kannte. Er war auch nicht ausgeschildert. Wie groß war da die Wahrscheinlichkeit, dass man sie beide zusammen sah? Wahrscheinlich nicht sonderlich groß. Zumindest fand Christian, dass es ein Risiko war, was man eingehen konnte.

Er könnte Robert überraschen, ihn mit seinem Auto abholen und ihm dann erstmal nicht sagen wohin es geht. Dann müsste er allerdings im Vorhinein schon einiges vorbereiten. Sie könnten dort an dem See zusammen Essen, oder vielleicht etwas ähnliches wie ein Picknick machen. Nur ein wenig höherwertiger. Aber dann müsste Christian dies eben vorbereiten, damit alles fertig ist, wenn er zusammen mit Robert an dem See ankam. Im besten Fall brauchte er also Hilfe. Und da konnte Marco ihm vielleicht einen freundschaftlichen Dienst erweisen. Begeistert von seiner Idee wählte er Marcos Handynummer und dachte nicht daran, dass es in Deutschland ja schon spät Abends war. Er machte Marco also wach, was ihm aber ziemlich egal war. Immerhin war Marco nicht ganz unschuldig an der ganzen Sache. Er hatte ihm das Bild von Andrea und Robert ja immerhin erst zukommen lassen. Sonst hätte Christian es ja gar nicht gesehen. Also musste Marco da jetzt auch durch und die Sache ausbaden.

Und Robert saß währenddessen noch mit Andrea zusammen und erklärte ihr doch die Situation. Und grübelte darüber, wie er sich Christian gegenüber verhalten sollte. Was er ihm an nächsten Tag am Telefon sagen sollte. Wie es für sie weitergehen sollte.


Wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet Jakob derjenige sein wird, der Robert von seinen Zweifeln abbringt, nachdem er doch eigentlich nicht so aufgeschlossen den beiden gegenüber war ;) Da muss man sich wohl bei Jakob bedanken, wer weiß, was sonst passiert wäre.
Ich danke euch allen fürs Lesen und euer Feedback :)

Die Leere in uns Όπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα