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Nach einiger Zeit lösten sich die beiden wieder voneinander. Robert lag mittlerweile auch mehr oder weniger auf dem Bett und dachte nicht daran, Distanz zwischen sie zu bringen. Er genoss einfach den Augenblick. So falsch es auch war. Aber gleichzeitig wusste er, dass er Christian nicht nochmal in solch eine Situation wie an diesem Tag bringen durfte. Er sollte also wirklich aufpassen, was er ihm sagte. Und auf seine Reaktion achten. Aber er wollte ihm auch nochmal klar machen, dass eine Panikattacke nicht einfach Nichts war. Er sollte das ernst nehmen.

"Christian?"

"Hm?"

"Bitte nimm das nicht auf die leichte Schulter, wenn du solche Probleme hast. Es ist in Ordnung, wenn du dir Hilfe holst. Du hast ja gehört, was der Arzt gesagt hat. Niemand wird dich dafür verurteilen und ich schon gar nicht. Ich merke ja jeden Tag selber, wie hart das alles ist. Diese ganze Situation."

Besorgt schaute Robert zu Christian. Dieser nickte nur leicht. Er wollte wirklich nicht darüber sprechen. Natürlich war es ihm höchst unangenehm, was passiert war. Und dann ausgerechnet vor Robert. Aber natürlich hatte Robert Recht. Er wollte nie wieder solch eine Situation erleben. Wenn er an dieses Gefühl dachte, da wurde ihm direkt wieder schlecht. Und das wollte er dann doch lieber vermeiden. Wahrscheinlich sollte er sich wirklich Hilfe suchen, um endlich mit all dem klar zu kommen. Oder es würde einfach nicht mehr diese Probleme zwischen ihnen geben.

"Du hast Recht. Irgendwie muss ich damit ja umgehen. Oder wir lösen die Probleme einfach.", sagte Christian mehr oder weniger ernst gemeint. Und natürlich verstand Robert, worauf er hinaus wollte. Deshalb seufzte er laut auf. Er würde doch auch so gerne wieder mit Christian zusammen sein. Aber wie sollte das bitte gehen?

"Christian, du weißt genau wie ich, dass das nicht geht. So gerne wir beide es auch hätten. Aber wir können einfach keine öffentliche Beziehung führen. Und alles andere wird dich nicht glücklich machen."

"Ich weiß. Und trotzdem weiß ich auch, dass ich nach wie vor so viel dafür tun würde, dass wir einfach wieder zusammen sein können. Und glaub mir, ich frage mich jeden Tag, ob es nicht falsch war. Dass ich zu viel gefordert habe. Dass wir vielleicht glücklicher wären, hätten wir einfach so weiter gemacht. So wie es jetzt ist, ist es auf jeden Fall überhaupt nicht gut. Ich weiß auch nicht mehr."

"Ich weiß es auch nicht. Nicht was richtig und was falsch ist. Aber ich weiß, dass wir nichts leichtfertig entscheiden sollten. Egal was wir letztendlich entscheiden. Und ich muss es leider so ehrlich sagen, dass ich dir nicht allzu viel Hoffnung machen will. Damit du nachher nicht enttäuscht bist. Aber momentan kann ich mir einfach nicht vorstellen, wie wir wieder zusammen sein können."

Robert sprach seine Gedanken aus und wirkte dabei so verzweifelt, wie es in den letzten Monaten so häufig der Fall gewesen war. Er hatte so oft eine innere Zerrissenheit gespürt und so auch jetzt. Was war richtig und was war falsch? Gab es überhaupt eine pauschale Antwort? Oder war dieses schwarz und weiß Denken ein Fehler? Wahrscheinlich schon. Denn einfache Antworten gab es so selten im Leben. Ja, eigentlich fast nie. Und das wusste auch Christian.

"Was hältst du davon, wenn wir uns einfach etwas Zeit geben, in der wir ehrlich miteinander umgehen und uns nicht mehr so komisch verhalten, wie in den letzten Monaten. In der wir einfach wieder normaler miteinander umgehen und in der wir vielleicht ein wenig unsere Gedanken und Gefühle sortieren können. Und eventuell wissen wir beide dann mehr."

Christian schlug dies vor, denn er wollte, dass Robert nochmal über alles nachdachte. Insbesondere darüber, dass es vielleicht doch noch eine Chance für sie geben könnte. Auch wenn er wusste, dass er damit viel von Robert forderte. Aber er wollte ihn wieder küssen. Wann immer er wollte. Auch wenn er sich definitiv eingestehen musste, dass allein dieser Kuss vorhin ihn wieder ganz verrückt nach Robert gemacht hatte. Aber in seinem Kopf schwirrte auch immer noch die Erinnerung an diese Panikattacke. Und das beunruhigte ihn doch wirklich mehr, als er gedacht hatte. Doch mit Robert hatte er die beste Ablenkung, die er sich wünschen könnte.

"Ja...das können wir machen. Aber wie gesagt, ich will dir nicht zu viel Hoffnung machen. Und ich brauche wirklich Zeit, um über all das nachzudenken. Die ganzen letzten Monate konnten mich meine Gedanken ja nichtmal überzeugen. Ich weiß also wirklich nicht, wie das jetzt alles funktionieren soll. Aber so kann es auch nicht weitergehen."

Robert machte eine kurze Pause, bis er erneut ansetzte. Er wollte Christian eine Bedingung setzen. Und hoffte, dass er es so ernst nehmen würde. Denn er wusste ja genau, wie dickköpfig er manchmal sein konnte.

"Aber das Ganze hat eine Bedingung. Versprich mir, dass du dir, wenn wir wieder in Deutschland sind, Hilfe holst und zu deinem Arzt gehst. Sonst kann und will ich das alles nicht verantworten."

Christian seufzte auf. Damit kam er also nicht um die Sache herum. Und wie könnte er Robert diese Bitte abschlagen? Das könnte er natürlich nicht. Nicht, wenn es die Aussicht gab, dass Robert nochmal nachdachte. Diese Möglichkeit wollte er natürlich nicht aufs Spiel setzen.

"Also gut. Dann werde ich das wohl machen. Auch wenn ich wirklich nicht davon begeistert bin. Heute war einfach eine Ausnahmesituation. So schlecht geht es mir wirklich nicht."

Robert nahm die Aussage einfach hin und schüttelte ein wenig den Kopf über Christians Uneinsicht. Aber er kannte ihn ja. Christian würde niemals zugeben, dass es ihm wirklich schlecht geht. Manchmal musste man ihn dann einfach zu seinem Glück zwingen.

"Robert, darf ich dich noch etwas fragen? Ich hab mir die ganzen Monate immer wieder eine Frage gestellt.", fragte er jetzt nun nachdenklich, was Robert ziemlich überraschte. Trotzdem nickte er. Sie wollten sich ja so normal wie möglich verhalten. Dann sollte er sich jetzt auch nicht vor Christian verschließen.

"Hast du es in den ganzen Monaten bereut, deine Familie für mich aufgegeben zu haben? War es ein Fehler, wenn du jetzt weißt, dass es mit uns nicht geklappt hat?"

"Nein. Also natürlich habe ich mich auch gefragt, ob es richtig war, diese Entscheidung so zu treffen. Und es tut nach wie vor weh, wenn ich darüber nachdenke, wie sich unser Familienleben verändert hat. Das ist beileibe nicht einfach und es war wirklich schwierig, nach unserer Trennung dann den Jungs und Andrea zu erklären, dass es tatsächlich nötig war, dass sich alles so geändert hat. Denn natürlich haben sie mir auch vorgeworfen, dass ich mit alldem zu leichtfertig umgegangen bin. Dass Andrea und ich uns zu schnell getrennt haben. Aber es war kein Fehler und leichtfertig habe ich diese Entscheidung schon gar nicht getroffen. Wie hätte ich mit Andrea weiter machen sollen, wenn ich gleichzeitig auch jemand anderen liebe? Auch wenn es wirklich ein hoher Preis war, den ich persönlich gezahlt habe. Dafür, dass wir zusammen sein konnten. Aber ich habe es nicht bereut und auch jetzt bereue ich es nicht. Es war eine besondere, unfassbar schöne Zeit mit dir. Also nein, ich habe es nicht bereut und tue es auch nicht. Abgesehen davon haben wir alle zusammen, Andrea, die Jungs und ich, eine wirklich gute Lösung gefunden, wie wir normal und gut miteinander umgehen können. Also alles gut."

Erleichtert schaute Christian zu Robert. Er war wirklich froh, dass er so dachte. Denn er hatte sich immer wieder Vorwürfe gemacht, dass er Roberts Familie so kaputt gemacht hatte. Auch wenn es natürlich letztendlich Roberts Entscheidung gewesen war. Aber er hatte sich oft deshalb schuldig gefühlt. Und es war beileibe kein gutes Gefühl, wenn man sich dafür verantwortlich machte, eine glückliche Familie zerstört zu haben. Doch offensichtlich war dies ja nicht der Fall. Das beruhigte ihn wirklich. Und es zeigte ihm erneut, wie sehr Robert wirklich hinter ihnen gestanden hatte. Wie sehr er ihn geliebt haben musste, damit er diese Entscheidung gegen seine Familie wirklich so durchzog. Bei diesem Gedanken empfand Christian wieder dieses flaue Gefühl, was ihm sagte, dass er diesen Mann, der da neben ihm saß, wirklich nach wie vor liebte.

Die Leere in uns Where stories live. Discover now