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Mit einem schlechten Gefühl räumte Christian dann seinen Koffer aus. Robert war kurz aus dem Raum verschwunden. Er hatte allerdings keine Ahnung, wo er hin wollte. Naja, Robert konnte auch nicht wirklich mal still halten. Das hatte er schon des Öfteren gemerkt. Als er seinen MacBook auspackte, viel ihm auch wieder der Brief in die Hand. Er würde ihn Robert zurück geben. Auch wenn es ihm irgendwie schwer fiel. Denn vielleicht wäre dieser Brief irgendwann das letzte, was ihm von Robert noch blieb. Aber es wäre Robert nicht fair gegenüber. Auch wenn es ihn doch mehr getroffen hatte, was Robert eben zu ihm gesagt hatte, als er gedacht hätte.

In einer Stunde müssten die beiden los und Robert hoffte, dass er Christian dann nicht die ganze Zeit sehen müsste. Das war sonst wirklich zu viel für ihn. Eigentlich war jede Sekunde mit Christian zu viel. Denn natürlich würde er am liebsten einfach wieder diese Gefühle zusammen mit Christian erleben, wie zu dem Zeitpunkt, als sie zusammen waren. Natürlich möchte Robert das. Er liebte Christian immerhin nach wie vor. Aber der richtige Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Es hatte sich doch nichts getan. Eigentlich stand Robert nur kurz an einem Ende ihres Zimmers und konzentrierte sich auf sein Handy. Er musste noch einmal die Nachrichten durchschauen. Als plötzlich Christian nah hinter ihm stand. Er musste sich nichtmal umdrehen, er spürte seine Wärme. Wie er es immer gespürt hatte. Immer.

"Christian, was...", fragte Robert irritiert.

"Ich glaube, der gehört dir.", sagte Christian leise und drückte Robert den Brief in die Hand. Und sorgte damit gleichzeitig dafür, dass sich ihre Hände verschränkten. Robert war so überrascht, sodass er nicht reagieren konnte. Sie standen wieder so nah beieinander. Und Christian hatte das bewusst provoziert. Doch beide konnten sich nicht voneinander lösen. Sich nicht abwenden. Viel zu sehr waren sie voneinander gefesselt. Von dieser atemberaubenden Nähe, die sie nach so langer Zeit wieder spürten. Von diesen Gefühlen, die auch nach der Trennung nicht vergangen waren. Roberts Atem ging schnell und unruhig. Er wusste nicht, was er denken sollte. Er konnte wahrscheinlich gar nicht mehr richtig denken. Seine Gefühle verdrängten mal wieder Alles. Und das bedeutete nichts Gutes, wenn sie nicht alles wieder einreißen wollen würden.

"Vermisst du es?", fragte Christian plötzlich, ohne sich auch nur einen Millimeter von Robert zu entfernen. In Christians Blick lag etwas, was Robert die letzten Monate nicht mehr gesehen hatte. Und was er tatsächlich sehr vermisst hatte.

"Was soll das, Christian?", fragte Robert verunsichert. Er fühlte sich merklich unwohl in dieser Situation. Eigentlich müsste er Christian wegschieben, ihre Distanz vergrößern. Aber gleichzeitig wollte er am liebsten seine Nähe spüren. Warum war es nur so kompliziert?

"Beantworte doch einfach meine Frage." Christian wollte es einfach hören. Er musste es hören. Er wollte wissen, ob Robert nach wie vor die Gefühle hatte. So wie er.

"Christian, natürlich. Wie könnte ich es nicht vermissen. Jede Sekunde, in der ich dich sehe, wünsche ich mir, dass es wieder so sein könnte. Du weißt doch genau, was du mit mir machst. Und wenn du so nah vor mir stehst... man Christian, du machst es so doch nur noch schwerer. ", erklärte Robert verzweifelt. Doch Christian bewegte sich keinen Millimeter weg, er sah die Verzweiflung in Roberts Augen. Und die Liebe, die nach wie vor da war. Er legte seine rechte Hand an Roberts Wange und verringerte ihre Distanz so noch mehr. Robert war wie in Trance. Und er genoss die Nähe natürlich, auch wenn er es nicht sollte. Aber wie könnte er die Gefühle verdrängen?

"Christian...", sagte er schon beinahe verzweifelt, wurde dann jedoch von Christian unterbrochen, der einfach einen Finger auf seine Lippen legte. Die Berührung hinterließ ein warmes Kribbeln auf ihnen. Robert konnte nicht mehr klar denken. Und als er plötzlich die warmen Lippen Christians auf seinen spürte, da konnte er einfach nur noch daran denken, wie sehr er diesen Mann liebte. Noch immer. Die Gefühle explodierten in ihm. Robert spürte sofort, wie sehr er diese Nähe zu Christian vermisst hatte. Wie sehr er sich nach dieser sehnte. Wie sehr er sich nach Christian sehnte.

Doch etwas sagte ihm, dass es falsch war. In seinem Innersten wusste Robert, dass es in diesem Moment absolut falsch war, Christian zu küssen. Auch wenn dieser das offensichtlich nicht so sah. Denn er machte keine Anstalten, sich von Robert zu lösen. Doch als Robert mit seinen Gedanken so weit abgeschweift war und merkte, dass das hier nicht sonderlich schlau war, so gut es sich auch anfühlte, da schob er Christian sanft ein Stück von sich weg. Auch wenn ihm das unglaublich schwer fiel. Denn am liebsten hätte er niemals aufgehört. Aber sie waren nicht zusammen. Es ging doch einfach nicht.

"Christian, das...du weißt genauso wie ich, dass das falsch war."

Etwas verletzt schaute Christian zu ihm. Es war nicht falsch. Sie liebten sich nach wie vor. Wie konnte es dann falsch sein? Wieso konnten sie ihre Liebe nicht einfach zulassen? Natürlich gab es simple Antworten auf diese Fragen, aber Christian wollte diese Antworten nicht hören. Er wollte einfach wieder mit Robert zusammen sein, egal was es kostete. Egal, ob es jetzt falsch wäre oder nicht. Aber er wusste natürlich genau, dass es so einfach nicht gehen könnte. Denn Robert blockte es nach wie vor ab. Was er ihm auch wirklich nicht verübeln durfte. Denn immerhin waren sie getrennt. Da hatte er mit dem Kuss doch eine deutliche Schwelle überschritten.

"Wie kann es falsch sein, wenn du dich doch darauf einlässt? Ich kann einfach nicht anders, Robert. Ich habe es die ganze Zeit versucht, die ganzen Monate. Glaub mir, mir ging es unfassbar schlecht. Ich wollte wirklich über dich hinweg kommen. Aber wie soll ich das nur schaffen, wenn ich dich immer sehe. Und immer noch das selbe empfinde. Jedes Mal hab ich einfach das Bedürfnis, dich zu küssen, dir nahe zu sein. Ich vermisse dich. Und ich halte es nicht mehr aus, dir so nah zu sein, aber eben nicht mehr. Einfach an dir vorbei zu leben. Das hier", er deutete auf das Zimmer und das Doppelbett "hat das alles nicht besser gemacht. Überhaupt nicht. Ich kann mich einfach nicht länger zurück halten."

Verzweifelt sprach Christian die Worte aus, die ihm schon seit Ankunft in dem Hotel auf der Zunge langen. Und dieser Kuss mit Robert. Der hätte seiner Ansicht nach nie enden sollen. Jede Sekunde, die er auf diesen Moment gewartet hatte, hatte sich gelohnt. So schmerzhaft dann jedoch die Erkenntnis war, dass dieser Kuss vielleicht einiges zerstört haben könnte. Denn natürlich war es nicht schlau, jemanden zu küssen, von dem man sich getrennt hatte.

"Aber wenn du doch immer noch das selbe empfindest, wie kann es dann sein, dass du eine Frau nach der anderen nach unserer Trennung hattest? Zumindest wenn man der Berichterstattung glauben darf.", fragte Robert etwas gekränkt. Dieses Thema ließ ihn dann doch noch immer nicht wirklich los. Peinlich berührt schaute Christian zur Seite. Ja, er schämte sich tatsächlich etwas dafür, denn Robert hatte ja Recht. Er hatte sich wirklich nicht zurück gehalten.

"Ich sagte ja gerade, dass ich über dich hinweg kommen wollte. Ich wollte Ablenkung, vielleicht jemand anderen kennenlernen, mit dem nicht alles so schwierig gewesen wäre. Aber auch das hat nichts gebracht. Es hat mir nur gezeigt, dass du der einzige bist, den ich will. Sonst niemanden. Niemand kommt an dich heran, Robert. Das ist mir dadurch auch klar geworden. Auch wenn es wahrscheinlich eine befremdliche Lösung ist."

Christian fragte sich, ob das Robert vielleicht verletzt hatte. Denn das wäre ja ein Zeichen dafür, dass er ihn wirklich noch so liebte. Und dass er nicht wollte, dass es eine andere Person an seiner Stelle in Christians Leben gab. Doch anstatt ihm diese Frage zu stellen, stellte er Robert eine andere:

"Gab es bei dir denn jemanden in der Zwischenzeit seit unserer Trennung?"



Zum Abschluss eines schönen und gelungenen Tages noch ein Kapitel :) Ich hoffe, ihr hattet auch einen schönen Tag und viel Freude beim Lesen!

Die Leere in uns Where stories live. Discover now