2

201 16 14
                                    

Mit einem mulmigen Gefühl fuhr Christian am nächsten Morgen Richtung Wirtschaftsministerium. Nicht, dass er das in den letzten Monaten nicht häufig genug getan hatte. Aber es war doch jedes Mal wieder eine Herausforderung. Eine Herausforderung, Robert so nah zu sein. Aber er versuchte, trotzdem Distanz zu wahren. Und Robert nicht zu zeigen, wie sehr er noch immer verletzt war. Und Christian fand, dass ihm das ganz gut gelang. Er hatte eine Mauer um sein Innerstes errichtet, die auch Robert nicht mehr einreißen konnte. Durch keine Begegnung. Und er war wirklich froh, dass er das geschafft hatte. Denn so war es dann doch deutlich einfacher im Umgang mit ihm. Doch er wusste wahrlich, was er in den letzten Monaten mitgemacht hatte.

7 Monate zuvor

Mit geröteten Augen stand Christian vor dem Spiegel. Er konnte diesen Anblick nicht mehr aushalten, weshalb er sich lieber abwandte. Er sah schrecklich aus. Überhaupt nicht gepflegt und mit zerknitterten Klamotten, die er schon Tage trug. Er war absolut am Ende. Es war zwar jetzt schon einige Tage her, dass sie sich getrennt hatten. Aber seitdem war die Welt für Christian stehen geblieben. Heute war sein Geburtstag. Doch es hatte keine Bedeutung. Denn Robert war nicht bei ihm. Was hatte solch ein Tag dann noch für einen Sinn? So erging es ihm auch an Weihnachten, Silvester und Neujahr. Er wollte gar nicht mehr daran denken. Doch so legte er sich dann auch an diesem Tag wieder in sein Bett und starrte vor sich hin. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte. Tags zuvor war er noch auf einer Veranstaltung der FDP, da hatte er nichts gegessen. Und an diesem Tag auch nicht. Wahrscheinlich konnte man es ihm so langsam schon ansehen. Aber auch das war Christian egal. Wenn er Robert nicht hatte, dann brauchte er auch keine Nahrung. Er brauchte Robert. Das war alles. Er erwartete keinen Besuch an diesem Tag, doch trotzdem klingelte es an der Tür. Aber Christian ignorierte es zuerst. Die Rollläden seiner Wohnung waren eh alle runter gezogen, damit niemand wusste, dass er da war. Und weil es im Dunkeln viel angenehmer war. Dann sah man nicht sofort, wie erbärmlich es ihm ging. Wie er sich fühlte. Doch die Person ließ nicht nach und klingelte immer weiter. Also raffte sich Christian doch irgendwann auf und begab sich zu seiner Tür. Er konnte in der Kamera sehen, dass es Marco war, der dort stand. Genervt seufzte Christian auf. Er hatte echt keine Lust, sich mit ihm auseinander zu setzen. Sie sollten ihn doch alle mal in Ruhe lassen. Es war doch schon schwer genug. Trotzdem öffnete er die Türe.

"Hey, Oh Gott Christian, wie siehst du denn aus? Aber ich wünsche dir natürlich trotzdem erstmal Alles Gute zum Geburtstag. Kann ich rein kommen?"

"Mh ja danke, nur ist es hier nicht gerade ordentlich."

"Deshalb bin ich unter anderem auch hier. Ich hab das Dreikönigstreffen gestern ja nur im Stream verfolgt, aber Bijan hatte mir kurz geschrieben. Er meinte, dass du wohl sehr schlecht gelaunt warst und auch sonst irgendwie schlecht aussahst. Und da hab ich eins und eins zusammen gezählt und wollte wenigstens mal nach dir schauen. Und wie ich sehe, scheinst du dich hier ja wirklich etwas zu verriegeln."

"Ja, ich weiß. Es ist nicht so einfach.", seufzte Christian und musste aufpassen, dass er nicht wieder anfing zu weinen. Wie so oft in den letzten Wochen, Tagen und Stunden.

"Ich kann einfach nicht mehr."

Marco zog ihn in eine Umarmung und fragte sich, seit wann Christian so dünn geworden war. Das war ihm vorher noch nie so sehr aufgefallen.

"Hey komm, ich lasse hier mal etwas Licht rein und dann sorge ich dafür, dass wir etwas zu Essen bekommen. Und dann hast du vielleicht mal etwas Ablenkung."

"Ja, nur weiß ich nicht, was ich noch da habe."

Marco platzierte Christian auf dem großen Sofa, währenddessen er Licht in die Wohnung ließ. Dann schaute er in den Kühlschrank und fragte sich, von was Christian eigentlich gelebt hatte. Er fand nicht wirklich etwas, was er verwerten konnte. Besorgt schaute er wieder zu Christian, der mit gesenktem Kopf und leerem Blick aus dem Fenster starrte.

"Christian, wovon hast du dich eigentlich in den letzten Tagen ernährt?", fragte Marco wirklich besorgt. Christian zuckte nur mit den Schultern, die Situation war eh schon unangenehm genug für ihn. Deshalb schaute er auch bewusst nicht zu Marco.

"Okay, dann eine Planänderung. Wir bestellen einfach was und du solltest Morgen dringend einkaufen und das Essen nicht so vernachlässigen. Das solltest du wirklich nicht tun. Es hilft doch niemanden, wenn du nachher vor Entkräftung umkippst oder Ähnliches. Damit zeigst du auch Robert nicht wirklich, dass du gut mit der Sache umgehen kannst."

Wieder zuckte Christian nur mit den Schultern. Es tat weh, wenn jemand Roberts Namen aussprach. Jeder Gedanke an ihn tat weh. Als sich Marco neben ihn setzte, da schaute er ihn wieder so besorgt an. Und auch ihm tat es weh, Christian, seinen guten Freund, so neben der Spur zu sehen. Er kannte nicht die Einzelheiten der Trennung. Er wusste nur, dass sie geschehen war und dass es einfach keine Zukunftsperspektive für sie gab. Mehr wusste er nicht. Aber er spürte, dass er für Christian da sein sollte. Und das versuchte er jetzt auch.

"Christian, du musst damit nicht alleine sein. Du musst das ganze nicht alleine durchstehen. Wenn du mit mir redest, dann bin ich für dich da. Egal, um was es geht. Ich weiß doch eh schon genug. Aber so machst du dich noch weiter kaputt."

"Ich weiß. Aber es tut verdammt nochmal weh. Jede Erinnerung ist eine zu viel. Aber du hast Recht, ich mache mich so kaputt. Marco, ich konnte dir das bisher nicht sagen. Wenn ich allein schon darüber nachdenke, dann...ja, dann merke ich wieder, was ich alles für diese Beziehung gegeben hätte. Marco, ich hätte alles aufgegeben für Robert. Mir war meine Karriere so egal, ich hätte sie für ihn aufgegeben. Damit wir problemlos zusammen sein können."

Diese Erinnerungen an die letzten Monate waren noch unfassbar präsent in Christians Kopf. Und sie hatten ihn gelehrt, dass er nicht mehr so verletzlich auftreten wollte. Denn das war absolut nicht hilfreich. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Und er wollte Robert gegenüber zeigen, dass er mit ihrer Trennung fertig wurde. Dass es ihn nicht geschwächt hatte. Doch als ihm die Tür zu Roberts großem Ministerbüro geöffnet wurde, da musste er für einen Moment schlucken und an all das denken, was zwischen ihnen passiert war. Und das tat so wahnsinnig weh. Genauso wie er nach wie vor merkte, was Robert mit seinem bloßen Anblick in ihm auslöste. Er war seinem Charme immer noch absolut erlegen. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass sich das in absehbarer Zeit ändern würde. Roberts Mitarbeiterin ließ sie nach kurzer Zeit alleine und es war ein unangenehmer Moment zwischen ihnen. Sie musterten sich beide abwartend. Christian stellte fest, dass Robert wirklich gut aussah. Die paar Tage Auszeit, die sie sich alle gegönnt hatten, hatten ihm wohl gut getan. Doch trotzdem konnte er in seinem Gesicht erkennen, wie sehr die letzten Monate an ihm gezehrt hatten. Er war ja auch gefühlt rund um die Uhr wach gewesen, um die politischen Herausforderungen zu meistern. Und gleichzeitig war auch er wahrscheinlich nicht so einfach über die Trennung hinweg gekommen.

Wie so oft versuchte Christian Robert souverän entgegen zu treten. So, als ob nie etwas passiert wäre.

"Und, schönen Urlaub gehabt?", fragte Christian etwas abschätzig. Es war nach wie vor komisch, sich mit Robert über private Dinge zu unterhalten. Aber Christian wollte es ja nicht noch schwerer machen.

"Ja, ich konnte immerhin mal etwas Zeit mit meiner Familie verbringen. Das ist in letzter Zeit doch etwas zu kurz gekommen. Und du? Hast du dich gut amüsiert? Man hat ja so einiges mitbekommen...", spielte Robert auf die Schlagzeilen an, die man in der Öffentlichkeit so mitbekommen hatte.

"Ich wüsste nicht, was es dich angeht. Aber ja, es tut gut, einfach mal tun und lassen zu können, was man auch wirklich will."

Diese Worte versetzten Robert einen Stich. Natürlich spielte Christian auf ihre Beziehung und ihre Trennung an. Und ihm tat es jedes Mal weh.

Es geht weiter :) Ich wünsche euch allen frohe Ostern und ein paar angenehme Feiertage bei diesem schönen Wetter!

Die Leere in uns Where stories live. Discover now