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Hier startet nun die Fortsetzung von "Der ganze Lärm um uns". Ich hoffe, ihr seid alle noch dabei und seid genauso gespannt wie ich, wie es mit Christian und Robert weitergeht. Jetzt aber erstmal viel Spaß beim Lesen :)

Acht Monate waren vergangen. Ganze acht Monate. In denen Robert versucht hatte, die Trennung von Christian zu verarbeiten. Und obwohl so viel Zeit vergangen war, tat es jedes Mal weh. Jedes Mal, wenn er Christians Namen hörte. Wenn er an ihn dachte. An ihre gemeinsame Zeit. Und insbesondere dann, wenn er Christian gegenüber stand. Wenn sie ganz normal miteinander umgehen mussten. Obwohl es kein 'Normal' für sie gab. Das spürte Robert auch an dem kleinen Stück Papier, was er immer mit sich herum trug. Entweder in der Hosentasche, in seiner Jacke oder in seinem Hemd. Er konnte ihn immer bei sich fühlen. Den Brief, den er an Christian adressiert hatte. Am Abend ihrer Trennung. Der Gedanke daran riss erneut einen tiefen Schmerz in Robert auf. Obwohl er es in den letzten Monaten versucht hatte, damit umzugehen. Aber es war nicht leicht. Gerade weil sie so eng zusammen arbeiteten. Zusammen arbeiten mussten.

Doch den Brief trug er immer bei sich. Denn er gab ihm Halt. Es war das letzte Stück, was ihm von Christian geblieben war. In gewisser Weise eine Erinnerung an ihre Zeit, an diese wunderschöne, aber doch so schwierige Zeit. Und gleichzeitig wollte er den Brief nicht einfach irgendwo ablegen, denn er wollte nicht, dass man ihn fand. Es war solch ein intimer Moment, als er ihn geschrieben hatte. Es waren solch emotionale Worte, die dort standen. Niemand sollte diesen Brief finden. Auch Christian nicht. Nein, Christian schon gar nicht. Es waren Roberts ganz persönliche Erinnerungen.

Und so spürte er auch das kleine Viereck in der Tasche seines weißen Hemdes, als er bei bestem Wetter im großen Garten von Andreas und seinem Hof saß. Es war Ende Juli und er hatte sich eine kurze Auszeit aus dem politischen Alltag verdient. Die letzten Monate waren anstrengend gewesen. Politisch, es war so viel unvorstellbares passiert, aber auch privat, durch die Trennung von Christian. Und dieser Ort war der Inbegriff einer Auszeit. Und auch seit Andreas und Roberts Trennung waren nun einige Monate vergangen. Robert musste auch das erst einmal aufarbeiten. Denn diese Trennung war ebenfalls unfassbar schlimm für ihn gewesen. Das hatte er erst nach der Trennung von Christian so richtig realisiert. Natürlich war es auch für Andrea nicht einfach. Doch ihre Verbundenheit war so tief, dass sie sich nicht mehr lange sauer sein konnten. Sie hatten es geschafft, einen Weg zu finden, wie sie gut miteinander umgehen konnten. Auch wenn es vor allem für Andrea immer noch ein ganz komisches Gefühl war, nicht mehr mit Robert zusammen zu sein. Doch da sie sich nach wie vor so gut verstanden, saß Robert nun wie in alten Zeiten zusammen mit ihr auf der Terrasse ihres Gartens.

Er würde noch an diesen Abend wieder zurück nach Berlin fahren müssen. Morgen standen wieder einige Termine an. Doch zumindest hatte er auch gestern seinen jüngsten Sohn und seine Freundin gesehen. Er war froh, dass zumindest seine Söhne glücklich waren. Und mit ihren Beziehungen umgehen konnten. Nicht so wie Robert. Morgen würde er Christian wiedersehen. Und schon jetzt zeriss es ihm das Herz. Er spürte jedes Mal eine gewisse Kälte, wenn er in Christians Augen sah. Wahrscheinlich zurecht. Denn am Ende ist es an ihm gescheitert, nicht an Christian. Und er sah auch den Schmerz, den Christian empfand. Man merkte es in jeder Verhaltensweise, die er ihm gegenüber zeigte. Er war abweisend, zeigte ihm aber trotzdem, wie sehr er ihre Beziehung vermisste. Und Robert wusste, dass es auch Christian nicht gerade gut mit diesen Umständen ging.

"Robert, hast du das gesehen? Christian soll angeblich etwas mit irgendeiner Journalistin am Laufen haben. Man hat sie wohl zusammen gesehen und jetzt gibt es diese Spekulationen."

Schockiert schaute Robert zu Andrea. In den letzten Monaten hatte es oft solche Spekulationen gegeben. Und oft auch dazugehörige Bilder. Jedes Mal wenn Robert davon hörte oder die Schlagzeilen sah, dann war er wie in Trance. Er konnte und wollte nicht glauben, dass Christian schon wieder neue intime Beziehungen eingehen konnte. Und es offensichtlich auch wollte. Und es tat Robert wirklich weh. Denn natürlich wollte immer noch er es sein, der mit Christian zusammen war. Aber das war natürlich nicht möglich. Und gleichzeitig fragte sich Robert dann jedes Mal, ob Christian vielleicht doch schon über sie hinweg war. War es so?

"Ne, aber das wäre ja nichts ungewöhnliches. Und dass er etwas für Journalistinnen übrig hat, das weiß man ja auch. Also mich würde es nicht wundern, wenn das stimmen würde."

Andrea nickte nur und merkte, dass es Robert verletzte. Und ja, es war irgendwie komisch. Aber sie wollte auch für Robert da sein. Und das versuchte sie so gut es ging.

Christian verließ zwischenzeitlich die Wohnung von Bea, seiner aktuellen Affäre. So würde er es zumindest beschreiben. Er mochte sie wirklich gerne, sie war vor allem im Bett ziemlich gut. Aber sie war nicht Robert. Und da lag das Problem. Deshalb war sie nur eine Affäre unter einigen, die er seit der Trennung von Robert hatte. Und ihm war es absolut egal, was an die Öffentlichkeit drang und was nicht. Er wollte einfach mal nicht auf sein öffentliches Bild bedacht sein. So frei sein, wie er es mit Robert nicht sein konnte. Und gleichzeitig brauchte er dies auch wirklich als Ablenkung, um nicht dauernd an Robert zu denken. Wobei, er dachte dann doch eigentlich immer an ihn. So gut Bea auch war, an Robert konnte man nicht heran kommen. Und dieser Gedanke begleitete Christian immer, wenn sie miteinander schliefen. Am liebsten wäre er dann dort mit Robert. Aber die Chance war vertan. Und jetzt musste er sich eben anderweitig nehmen, was er brauchte. Auch wenn ihn dies nicht gerade selten schlecht fühlen ließ. Aber dann versuchte er es so gut es ging zu ignorieren. Genauso wie er es bewusst ignorierte, dass er sich mit diesen Affären nur von Robert ablenkte. Und das Vergangene nicht verarbeitete. Er wusste es genau. Aber genau das wollte er. Denn würde er sich wieder damit beschäftigen, mit ihrer Trennung, dann würde er wieder einem menschlichen Wrack gleichen. Aber diesen Zustand hatte er in der Zwischenzeit eigentlich schon hinter sich gebracht.

Er stand nun also in einem teuren Wohnbezirk in Berlin an diesem Sommertag. Es war wirklich perfektes Wetter, um noch eine Runde mit seinem Porsche zu fahren. Doch Christian wusste, dass er eigentlich längst noch Unterlagen für den morgigen Tag durcharbeiten müsste. Denn am kommenden Tag stand ein Meeting mit Robert an, wie so oft in den letzten Monaten. Und da wollte und sollte er natürlich nicht unvorbereitet rein gehen. Aber gleichzeitig wollte Christian den Gedanken an Robert lieber verdrängen. Also fuhr er doch noch eine große Runde mit seinem Porsche, bevor er sich auf den Weg nach Potsdam machte. Und er genoss die Freiheit, die er ohne ein Tempolimit erleben konnte. Was Robert wohl dazu sagen würde? Diesen Gedanken verdrängte er schnell wieder. Was interessierten ihn auch noch die Angelegenheiten von Grünen?

Bevor Christian dann tatsächlich anfangen konnte zu arbeiten, meldete sich noch seine Mutter bei ihm. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihren Sohn, seitdem die Trennung stattgefunden hatte. Christian hatte sich so verändert. Ist distanzierter und kühler geworden. Sie verstand es nicht. Warum konnte er denn seine Gefühle nicht zulassen? Warum verschloss er sich so? Und was sollte das eigentlich mit diesen ganzen Frauen Geschichten? Das nervte seine Mutter wirklich. Und so spürte Christian das dann auch.

"Christian Mensch, warum muss ich immer solche Dinge über dich im Internet lesen? Du scheinst ja eine Affäre oder Beziehung oder was auch immer nach der anderen zu haben. Hast du eigentlich überhaupt noch Anstand?", fragte ihn seine Mutter etwas dramatisch am Handy. Christian war klar, dass sie das Ganze nicht gut hieß. Aber letztlich war es ja nicht ihr Problem. Und sie überdramatisierte wirklich.

"Natürlich habe ich den. Ich mache doch nichts verbotenes und das was so geschrieben wird, ist mir auch ziemlich egal. Glaub du doch nicht einfach immer Alles. Und ja, ich habe eine Affäre. Und jetzt? Ist doch nicht weiter schlimm. Außerdem kann ich doch tun und lassen, was ich will."

"Und verdrängst damit nur das eigentliche Problem..."

Damit hatte sie es auf den Kopf getroffen. Er verdrängte die Trennung und seine Gefühle für Robert. Und das ganz bewusst. Aber wenn er Robert dann wieder gegenüber stand, dann konnte er nichts mehr so einfach verdrängen.

Die Leere in uns Where stories live. Discover now