Ein neues Familienmitglied

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Es klingelt. Evelyn eilt zu ihrer Haustür, um sie sogleich zu öffnen. „Hallo! Schön, dass ihr es einrichten konntet." Susanne und Thomas sind zu Besuch gekommen. Eine Woche ist seitdem Besuch am Strand vergangen. Die kleine Emely grinst die Hausherrin von unten fröhlich an. „Guten Tag, Miss Pierce", sagt sie. „Awww, bist du süß." Evelyn könnte die Kleine einfach nur knuddeln. „Bitte, kommt doch herein." Sie geht zur Seite und lässt ihre Gäste herein. „Wahnsinn, was für ein schönes Haus. Wir haben zuerst gedacht wir sind zur falschen Adresse gefahren. Kaum zu glauben, dass ihr mitten am Meer wohnt." Thomas hat einen Karton dabei, den er auf den Küchentisch abstellt. Er öffnet ihn und holt den Inhalt heraus. „Wir haben euch eine schöne Zimmerpflanze mitge...-" Thomas schweigt. Susanne schaut ebenfalls ziemlich dumm aus der Wäsche und Cain steht für ein paar Sekunden der Schweiß auf der Stirn. „Was ist denn mit der Pflanze passiert?" Sie ist tot und vergammelt. „Als wir sie eingepackt haben war sie noch in Ordnung gewesen. Wie peinlich..." Evelyn beginnt sich am Kopf zu kratzen. „Das muss an der starken, salzhaltigen Luft liegen. Uns ist das auch schon oft passiert, daher haben wir es irgendwann aufgegeben." Es tut ihr Leid die beiden belügen zu müssen, doch sie kann ihnen das Geheimnis von Cain und Alvaro nicht verraten. „Das ist eine plausible Erklärung, immerhin vertragen nicht alle Pflanzen das Meeresklima und die salzige Luft." Susanne stöhnt einmal. „Das ist wirklich ärgerlich. Aber zumindest scheint unser anderes Geschenk nicht betroffen zu sein."

Die junge Mutter öffnet ihre Handtasche und holt eine Verpackung heraus. „Hier, Cain. Wir haben dir extra eine Packung an glutenfreier Kekse gekauft." Sofort steht dem Schwarzhaarigen wieder der Schweiß auf der Stirn. „Ähm...wow...danke. Das wäre doch nicht nötig gewesen." Zaghaft nimmt er die Plastikverpackung an sich. Sofort dreht er sie um und überfliegt die Zutatenliste. Maismehl. Na großartig – er kann die trotzdem nicht essen. „Ich lege sie zu den anderen." Cain flitzt schnell die Treppe nach oben und legt die Kekse im Lager ab. Die kann Evelyn später essen. Er will gerade wieder nach unten gehen, als es aus dem Kinderzimmer plötzlich poltert. „Papa!", ruft Alvaro aus seinem Bettchen nach ihm. Cain kommt herein und nimmt seinen Sohn auf den Arm. „Na, hast du dein Mittagsschläfchen beendet?" Seit sie am Strand gewesen sind, ist Alvaro ein kleines bisschen aufgeblüht. Er redet nun zumindest ein bisschen und wird sogleich nach unten gebracht. Als der kleine Junge seine neue Freundin sieht, lächelt er sogar kurz. Alvaro und Emely spielen zusammen, während ihre Familien einen Kuchen essen und Kaffee trinken. Cain hat sich eine Tasse mit Milch gefüllt und Susanne scheint verwirrt zu sein, da er ebenfalls von dem Kuchen isst. Evelyn ist ihr Blick nicht entgangen. „In dem Käsekuchen ist kein Mehl", sagt sie und lächelt. Er ist komplett pflanzenfrei, was die beiden jedoch nicht wissen müssen. Sie unterhalten sich über verschiedene Dinge und reden über belanglose Sachen, um sich besser kennenzulernen.

„Wir haben darüber nachgedacht uns einen Hund zu holen. Großmutter ist der Meinung, dass Alvaro ein tierischer Gefährte gut gefallen würde." Cain lächelt einmal schmal. Bis vor einem Jahr hat er nicht gewusst was ein Hund überhaupt ist. „Darüber haben wir auch schon nachgedacht, allerdings ist unsere Wohnung dafür zu klein." Es ist einfach schön einmal ausgelassen mit anderen Menschen quatschen zu können. Evelyn blickt zu ihren Sohn, der völlig ungestört mit Emely spielt. Die beiden Kinder scheinen sich wirklich sehr gut zu verstehen. Es steht jetzt schon fest, dass er das aufgeweckte Mädchen zu seinem dritten Geburtstag einladen wird. Es ist ein wirklich schöner Tag und am Abend hat Evelyn ein reichhaltiges Essen aus Fisch und Meeresfrüchten zubereitet. Susanne ist wirklich beeindruckt. „Tonio hat mir das Fischen beigebracht. Wir leben viel von den Dingen wo das Meer uns schenkt", erzählt Cain den beiden. Normalerweise gibt es auch noch Gemüse und Brot dazu, doch Evelyn will unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen, da ihr Freund das Gemüse nicht essen kann. Cain hat sich schon oft darüber geärgert und fragt sich bis heute noch wie all diese Dinge wohl schmecken würden. „Und wo habt ihr beide euch kennengelernt?"

„Er hat mich beim arbeiten zu Tode erschreckt. Nicht wahr, Herr ich halte Sie von der Arbeit ab?" Cain schüttelt bloß den Kopf darauf. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du das echt nicht vergessen hast." Wie peinlich. Aber wer weiß wo er jetzt wäre, wenn er sie damals nicht erschreckt hätte. Wahrscheinlich würde er heute noch in seinem sterilen Zimmer hocken, das gleiche langweilige Essen essen und jeden Tag zu dieser gottverdammten Gewichtskontrolle gehen.

Cain ist einfach nur froh diese Zeit hinter sich gelassen zu haben. Er fragt sich oft was Dr. Andrew wohl macht und wie es ihm geht. Es ist ein sehr schöner Tag für die Kleinsten gewesen. Emely muss von ihrem Papa ins Auto getragen werden und auch Alvaro wird ins Bett gebracht. Der kleine Mann hat sich heute so ausgetobt, dass es ihn direkt nach dem Abendessen zusammen gebröselt hat. „Das nächste mal kommt ihr uns besuchen." Sie verabschieden sich voneinander und kehren dann in ihr eigenes Haus zurück. Der Schwarzhaarige stöhnt einmal sehr laut. „Meine Güte, sind die anstrengend..." Was tut man nicht alles für die Familie. Einfach unglaublich ist das. Am nächsten Tag hält Evelyn ihr Wort. Sie fahren mit Alvaro ins Tierheim, damit er sich einen Hund aussuchen kann. Auf dem Weg dorthin muss Quentin einen Umweg machen, damit er sämtliche Bäume umgehen kann. Alvaro ist auf dem Arm seines Vaters und schaut sich schüchtern die freundlichen und aufgeweckten Tiere an. Evelyn streichelt ihm über den Kopf. „Na komm, trau dich. Such dir den Hund aus, der dir am besten gefällt." Alvaro ist überfordert. Er ist gerade einmal zwei Jahre alt und soll schon so eine schwere Entscheidung treffen. Es hat fast zwei Stunden gedauert, doch dann hat der Junge anscheinend seinen neuen, vierbeinigen Freund gefunden. „Das ist Maya. Sie ist zweieinhalb Jahre alt und sehr kinderlieb." Ein schöner Golden Retriever hat Alvaro mitten in die Seele geschaut. Die blondgelockte Schönheit mag ihn auch. Sie schleckt ihn schwanzwedelnd ab, woraufhin Alvaro lachen muss. Evelyn ist nicht gerade begeistert, dass er sich so einen großen Hund ausgesucht hat. Aber versprochen ist versprochen.

Es muss noch die Wohnsituation überprüft werden und einige Papiere ausgefüllt. Zwei Tage später ist es dann soweit und sie können Maya in ihr neues Zuhause holen. Die Hundedame beginnt sofort zu schnüffeln und fängt an alles zu erkunden. Sie wuselt im ganzen Haus herum und als sie sich wieder beruhigt hat, wird sie erst einmal gefüttert. Es wird eine Weile dauern bis Hund und Mensch sich aneinander gewöhnt haben, doch Maya ist einfach nur froh, dass man sie aus dem Tierheim geholt und ein neues Zuhause gegeben hat. Cain steht am späten Abend auf dem Felsvorsprung seiner Terrasse und schaut gedankenverloren auf das Meer hinaus. Alica gesellt sich zu ihm und teilt seinen Blick. „...An was denkst du gerade, mein Junge?" Er antwortet nicht sofort, sondern seufzt bloß. „...In letzter Zeit...da habe ich immer so ein komisches Gefühl wenn ich mir das Meer anschaue. Es fühlt sich seltsam an. Es ist beinahe so, als ob ich es früher schon einmal gesehen habe. Vor vielen Jahren, als ich noch ein Kind war." Alica hört ihm zu. Sie lächelt, was sie noch älter aussehen lässt. „Verstehe...sagtest du nicht, dass du dein ganzes Leben in einem Labor verbracht hast? Bist du dir da auch wirklich sicher?"
„Nein, inzwischen nicht mehr. Ich habe immer öfter das Gefühl, dass meine früheren Erinnerungen irgendwo in den Tiefen meines Gehirns vergraben sind. Fast so, als ob man mir das Gedächtnis gelöscht hat." Das Großmütterchen runzelt darauf die Stirn. Allerdings nimmt sie seine Sorge darüber dennoch ernst. „Willst du mir erzählen, woran du dich noch von früher erinnern kannst?"

„Bevor ich Evelyn getroffen habe, wusste ich nicht einmal was eine Katze ist. Die ganze Zeit über hat man mir eingeredet da draußen wäre nichts. Als ob diese wunderschöne Welt nicht existieren würde." Cain legt den Kopf schief. „...Seltsamerweise konnte ich mich an Schafe erinnern. Und daran was ich meinem jüngeren Bruder angetan habe..." Cain ist sich durchaus bewusst, dass er am Zustand von Able Schuld ist. „...Ich habe versucht mit ihm darüber zu reden, doch er wollte mir nicht zuhören." Alica stützt sich müde auf ihrem Gehstock ab. „Jetzt hör mir mal zu, mein Junge. Es geht mich nichts an, was zwischen dir und deinem Bruder vorgefallen ist. Doch wenn ihr euch zerstritten habt, könnt nur ihr untereinander euren Krieg beenden. Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Er schaut die alte Dame überrascht an. „Und wie soll ich mich dann wieder mit Able versöhnen können?" Alica funkelt ihn geheimnisvoll an. „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt", sagt sie weise und klopft ihm liebevoll auf den Rücken. Dann dreht sie sich um und geht wieder ins Haus zurück. Cain muss tatsächlich darüber nachdenken, was Alica gerade zu ihm gesagt hat. Man merkt ihr an, dass sie alt und weise ist. Von der ganzen Nachdenkerei bekommt er Kopfschmerzen, weshalb er das besser auf Morgen verschiebt. Dennoch können ihn diese Worte nicht loslassen. So geht der Schwarzhaarige mit einem kreisenden Gedankenkarussell ins Bett. Er kuschelt sich an Evelyn und versucht verzweifelt einzuschlafen.


Das laute Motorengeräusch der rotierenden Helikopterflügel dröhnt Dr. Hawkin in den Ohren. Sie haben über eine Woche lang gewisse Dinge vorbereitet. Der leitende Forscher hat seine Nase in einen Bericht gesteckt. Irgendwann sieht er auf und blickt die Person ihm gegenüber an. „Was schaust du denn so dumm in der Gegend herum, D-15061987? Passt dir irgendwas nicht?" Andrew reagiert nicht. Der ehemalige Forscher schaut schweigend zum Fenster hinaus und beobachtet die Bäume, die in Rekordzeit an ihnen vorbei rasen. Dr. Hawkin schüttelt nur den Kopf darauf und schaut sich wieder seinen Bericht an. „Du hast es mir zu verdanken, dass du überhaupt noch lebst. Eigentlich hat der O5 für deinen Verrat die Terminierung angeordnet. Ich habe mich für dich eingesetzt, du solltest mir also dankbar sein." Nun löst Andrew seinen Blick und zupft einmal an seinem orangen Overall herum. „Sie sind verrückt, Hawkin. Tot zu sein wäre mir tausendmal lieber gewesen. Außerdem hat Cain es nicht verdient wieder eingesperrt zu werden."

Nun wird er von dem Forscher böse angeschaut. „Halt den Mund, Andrew. Es geht dich absolut nichts an, was ich mit 073 mache. Er gehört mir. Ich besitze ihn und ich will mein wertvolles Forschungsobjekt wieder zurückhaben. Außerdem ist da noch dieses Kind. Es muss einfach der Schlüssel zu seiner Anomalie sein. Ich will beide haben und du bist der Köder um ihn heraus zu locken." Dr. Hawkin lacht einmal. „Wer hätte gedacht, dass dieser gerissene Bursche so schlau ist und sich im Ausland versteckt? Ich bin gespannt, ob D-15031991 auch noch bei ihm ist." Andrew läuft ein Schweißtropfen über die Stirn. „Sie haben wirklich den Verstand verloren, Hawkin! Sie sind so besessen von ihrer hirnrissigen Idee, dass Sie den Bezug zur Realität verloren haben." Ein Mitglied vom Sondereinsatzkommando bringt Andrew zum schweigen. „Spare dir deine Kräfte für deinen Einsatz, du Verräter. Wir werden 073 mitten in der Nacht überraschen, einfangen und wieder nach Hause bringen." Und davon wird sich der verrückte Wissenschaftler auch nicht mehr abbringen lassen. Schließlich haben sie ihr Ziel erreicht. Der Pilot landet den Helikopter mit genügend Abstand, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. „Sehr schön. Unser Ziel ist zum greifen nahe." Dr. Hawkin wendet sich an den Einsatzleiter. „Bereitet die Fangnetze und das Betäubungsmittel vor. Die Frau ist mir egal, ich will lediglich 073 und das Kind haben. Tut alles was nötig ist um die beiden zu fangen. Verstanden?"
„Ja, Sir!" Der Einsatzleiter sammelt seine Truppe und sie sind bereit um das Haus zu stürmen. Dr. Hawkin weiß, dass sein Ziel zum greifen nahe ist. Er grinst einmal wie es nur ein Verrückter kann. „...Mögen die Spiele beginnen..."


Die verbotene Liebe zweier HerzenWhere stories live. Discover now