Kapitel 22

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Im Dorf herrschte reger Betrieb, der alltägliche Wahnsinn ebend.

Händler standen mit ihren Ständen auf dem Markt und schrien um die Aufmerksamkeit schlendernder Passanten.
Tiere aller Gattungen gaben die buntestrn Laiten von sich, sodass on der Luft die verschiedensten Variationen von Geräuschen lagen. Menschen jedes Alters und Standes gingen ihrer täglichen Beschäftigung nach um ihr Brot zu verdienen.
Sogar die Alte Magarete vom Fischstand schimpfte wie jeden Tag munter über Gott und die Welt, während ein paar Spitzbuben der guten Frau einen Teil der Ware unter den Fingern wegklauten.

Alles war so vertraut, unverändert, so anders als ich mich fühlte.

Die Zeit bei Jael hatte sich wie eine ganz andere Welt angefühlt, eine bessere, doch nun in die Alte zurückkehren, in der immernoch die gleiche Einöde herrschte, hätte erschütternder nicht sein können.

Ein Schlag ins Gesicht um meine Sicht für die offensichtlichsten Dinge zu klären, zu denen numal dir Tatsache zählte, dass Mutter noch immer krank Zuhause lag und Jaels Geld keine langfristige Versorgung gewährleistete.

Das hier war kein Märchen in dem die gutherzige Protagonistin mit der rührseligen Geschichte auf den großmütigen Prinzen auf seinem Ross traf. Es gab kein Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...

Solche Sachen passierten einfach nicht im wahren Leben. Warum also wollte mein Herz das so standhaft verleugnen?

Für einen Moment hatte ich daran glauben dürfen, an meinen Helden auf seinem Ross, oder eher auf dem Pegasus.

Ohne Jaels Nähe verblasste er bloß zu einem weit entfernten Wunsch, dessen Erfüllung mir jedoch genauso wenig zustand, wie die Begierde nach mehr.

Mehr, aber was genau war dieses mehr? War es egoistisch nicht mit diesem jetzt zufrieden zu sein? Schamlos?

Eigentlich war dieses Mehr durch Jael in mein armseliges Leben getreten, doch wieder mit ihm zusammen verschwunden.

Mit ihm sein ist... war das größte Glück auf Erden, welches nun zu verschwinden drohte, wenn wir keinen Weg fanden.

Dennoch war dieses Mehr im Augenblick zu unerreichbar um relevant zu sein, Mutter allerdings nur ein paar Straßen weiter Zuhause.

Zuerst musste ich mich um sie kümmern, bevor ich über mein Glück nachdachte.

Schnellen Schrittes schlug ich den Weg Richtung Handwerksdreieck im Dämonenviertel ein. Man nannte es so, weil die drei Eckpunkte von der Tischlerei, der Schmiede und der Näherei begrenzt wurden, in deren imaginären Dreieck alle handwerklichen Stätten angesiedelt wurden.

Neben der Wäscherei, in der ich damals mir Selina ausgeholfen hatte, stand ein kleines Hotel, wie es offiziell hieß, trotzdem im Viertel immer nur Rostschuppen genannt wurde.
Zurecht.

Hotel wäre in keinem Fall der passende Name für diese Absteige gewesen.

Mit dem löchrigen Dach, dessen Schwachstellen ziemlich dürftig nur mit Holzbrettern vernagelt wurden und das zudem noch komplett schief war, konnte man nichtmal behaupten, ein richtiges Dach über dem Kopf zu haben.

Die Außenwände hatten vielleicht früher mal ein blütenreines Weiß aufgwiesen, heutzutage bröckelte der Putz unentwegt runter und das Weiß glich einem dreckigen Grau.

Von der Architektur erinnerten Dinge wie die Säulen im Eingangsbereich und die zersplitterten Mamorfliesen, die bei jedem Schritt knirschten, an die Antike.

Auch wenn es kaum hätte schlimmer sein können, waren die Mietpreise niedrig genug für uns. Außerdem hatte Mutter hart gearbeitet, damit wir uns wenigstens so eine Absteige leisten konnten.

Das wenig schmeichelhafte Zimmer im Westflügel, hatte wenigstens eine schöne Aussicht gen Sonnenuntergang, hatten Mutter und ich uns immer trösten wollen.

Eine Eigenschaft, die ich an ihr liebte. Ihr Optimusmus, immer so voller positiver Gedanken hatte sie auf die Welt geblickt in der dennoch alles gegen uns zu arbeiten schien.

Stets hatte sie das beste in uns gesucht, bei manchen gefunden, bei manch einem nicht.

Womöglich war das auch so bei meinem Erzeuger gewesen, der uns früh verlassen hatte. Warum wusste ich nicht genau, aber es war mir auch ziemlich egal. Was zählte war, dass er uns im Stich ließ und das war für mich etwas Unverzeihliches.

Ich dachte nur selten an ihn, denn jeder Gedanke über ihn wäre Verschwendung.

Die hölzerne Tür gab ein lautes Knarren von sich als ich sie öffnete. Nicht mal ihr Schloss funktionierte noch, sodass sie eigentlich stets unverschlossen war.

Hier zu leben reichte aber als Schutz, da niemand jemals so arme Leute wie uns ausrauben würde.

In der Wohnung lag wie immer der schale Geruch von Schimmel in der Luft und über den Boden sah ich eine Kakerlake weghuschen.

Wiederlich.

"Mom, ich bin wieder da", schrie ich lauthals in ihr Schlafzimmer, während ich mich meiner Kleidung entledigte.

Keine Antwort.

Wahrscheinlich schlief sie gerade. Ich ging in ihr Zimmer um ihr ein Küsschen zu geben, da sah ich sie.

Sie lag komplett reglos da. Ich rannte zu ihr und als ich mit meiner Hand ihre Wange berührte war dort keine Wärme mehr.

Sie war kalt.

Between Hell and  Heaven Where stories live. Discover now