Kapitel 20

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Bis ich endlich das Gefühl hatte, meinen kompletten Magen entleert zu haben sodass nichts mehr kam, dauerte es mehrere qualvolle Minuten in denen Jaels Hand ununterbrochen über meinen Rücken streichelte.

Die Berührung fühlte sich hauchzart auf meinem bebenden Körper an. Sie enthielt aber gleichzeitig etwas sicheres, beschützerisches.

Leicht verschwitzt richtete ich mich wieder auf, fest davon ausgehend in seinen Augen Ekel oder sogar Abscheu vorzufinden. Nichts von dem.

Warum ich an solche negativen Reaktionen geglaubt hatte, wusste ich nicht genau.

Vielleicht war es Teil meiner Natur, von allen Menschen stets das Schlechteste zu warten. Dann konnte man nicht so sehr enttäuscht werden.

Eine der vielen Lektionen, die ich ebenfalls lernen musste auf eigene Faust. Durch Selina, meine erste, einzige und letzte Freundin.

Sie war die Neue in der Stadt gewesen, die Unbekannte mit der seltsamen Kleidung und der düsteren Aura.

Warum wir Freundinnen geworden waren? Keinen Plan. Es hatte sich einfach so ergeben als wir in derselben Wäscherei aushalfen.

Anfangs hatten wir voneinander nicht viel gehalten und die Stille während der Arbeit bevorzugt, doch irgendwie schien die gegenseitige Neugier schlussendlich gesiegt zu haben.

Möglicherweise hatten wir uns so verstanden, weil wir dasselbe Schicksl teilten, Leidensgenossen sozusagen. Auch sie war arm und hatte nur ein Elternteil übrig, ihren Vater.

Zeitweilig stahlen wir sogar zusammen. Sie glich einer Schwester, die ich nie hatte.

Wenngleich sich unsere Freundschaft sich größtenteils auf die Wäscherei begrenzen ließ, konnte ich nicht behaupten, dass sie dadurch weniger innig war.

Es gab wohl kaum etwas, was Leute mehr zusammenschweißte als ein gleiches Schicksal. Niemand von uns beiden musste sich je erklären, denn die Andere verstand ohne Worte.

Ein solches Band war so gut wie unzerstörbar, sollte man meinen. So hatte ich auch gedacht, bis sie mich allein ließ, in der Dunkelheit.

Von einen auf den anderen Tag war sie weg, verließ mich in meiner Einsamkeit deren erstickendes Gewicht mit ihr zusammen einer Feder geglichen hatte.

Noch heute gab es keinen Moment der verging, an dem ich nicht nach einem guten Grund suchte, dem ich alles in dir Schuhe schieben konnte.

Sie musste verunglückt sein oder entführt...

Daran musste ich ganz sicher glauben, andernfalls müsste ich mir eingestehen, die einzige Freundin, die ich je hatte, vermutlich vergrault zu haben.

Auch wenn mich Selinas Verschwinden mich tief bestürzt hatte, war da gleichzeitig noch die nagende Enttäuschung gewesen.

Mit ihr kamen die Schmerzen und aus denen wiederum war ich noch stärker als zuvor geworden. Wie ein Phönix, der aus der Asche aufersteht.

Denn so war das Leben nunmal ein Prozess vorangetrieben von der Zeit und ihren Schmerzen, die sie bereithielt...

"Alles okay, Flämmchen?", ertönte Jaels Stimme wie durch Watte zu mir durch.
Perplex bringe ich ein kraftloses Nicken zustande.

Ich fühlte mich, als wäre mein Innerstes ebenfalls ausgekotzt worden und nun herrschte an dessen Stelle eine klaffende Leere.

"Das wird schon wieder. Es ist okay, die Höhenluft nicht so gut zu vertragen. Ich mag dich immernoch, keine Sorge", er versuchte wirklich mit aller Kraft mich zum Lachen zu bringen und mir ein besseres Gefühl zu geben.

Am Ende war jedoch die Entschlossenheit mich zum Strahlen zu bringen, der Grund warum sich ein verstohlenes Lächeln auf mein Gesicht stahl.

Ein ehrliches.

Between Hell and  Heaven Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora