Fünfundzwanzig

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{Kira}

Es war endlich so weit. Linn hatte heute Geburtstag und wir wollten sie etwas aufheitern nach allem, was die letzten Wochen und Monate schon bei ihr abgelaufen ist. Gefeiert wird aber erst am Samstag, weil das heutige Event uns allen einen Strich durch die Rechnung zog. Es wird Vollmond sein - was bedeutete, dass es wieder einmal Zeit für echte Werwölfe wird.

Freudestrahlend starrte ich auf meine Decke hoch und ignorierte die LED-Lichterkette, die sich selbstständig machte und schon halb hinabhing. Heute musste besonders werden. Immerhin sprachen wir hier von Linn. Sie war eine der wenigen mit der ich mich vom ersten Moment an richtig gut verstanden habe und mit der ich die Stunden in unserem gemeinsamen Extra-Kunststunden an der Schule genoss. Kichernd rollte ich mich zur Seite, wobei ich aber glatt vergessen hatte, dass Alex ja gar nicht neben mir lag und mich abfangen konnte, weswegen ich dann mit einem dumpfen Knall auf den Boden landete. Und eine Minute liegenblieb, bis ich verstand, warum ich gerade runtegefallen war.
Alex hatte ja gestern Abend einen Familienabend und ist Zuhause geblieben.

"Kira?", hörte ich meinen Vater fragend durch das Haus rufen.
"Alles okay!", rief ich automatisch zurück.
"Schon wieder vergessen, dass er nicht da ist?"
In seinem Tonfall war etwas neckendes, was mir nicht gefiel. Es war ja nicht so, dass ich ständig vom Bett fiel, wenn Alex nicht da war. Obwohl... so rückblickend... Beleidigt bließ ich die Wangen auf. "Du bist blöd!"
Worauf er schadenfroh drauf los lachte, sodass die Wände bebbten.

Ausatmend setzte ich mich auf und fuhr mir planlos durch die Haare. Mein vierter Wecker schrillte auf und ich fasste genervt unter mein Bett, um mein Handy hervorzufischen und den Wecker auszuschalten. Wenn mein Handy nachts oder frühmorgens in Griffreichweite lag, dann würde ich im Halbschlaf die Wecker ausschalten und weiterschlafen. Und Papa musste spätestens nach meinem siebten Wecker gehen, also lag die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wenn ich bis dahin nicht aufgestanden bin Alex eine Vermisstenanzeige aufgeben würde.

In üblicher Gewohnheit schaltete ich alle restlichen Wecker aus und verband mein Handy mit dem Lautsprecher in meiner Zimmerecke. Mein Musikgeschmack variierte ziemlich und manchmal höre ich Lieder, die älter als meine Gedanken sind, aber es störte mich nicht sonderlich. Gerade blies Copines von Aya Nakamura durch meinen Lautsprecher und obwohl ich durch meinen Vater etwas französisch konnte, kam ich mit dem Text singen kaum nach. Egal. Hauptsache es war Musik.

Tanzend zog ich mich dann auch um und verschwand im Bad um mich weiter fertigzumachen. Irgendwann brach meine Musik ab und ich griff genervt zu meinem Handy. Mein Vater rief mich an.
"Ja?", fragte ich unschuldig in den Hörer.
"Peux-tu baisser un peu la musique s'il te plait? Les murs tremblent déjà.", sprach er ganz locker, während ich ihn zwischendurch Kaffee schlürfen hörte.
"Nochmal auf Deutsch bitte.", verlangte ich verloren. Papa ist zweisprachig aufgewachsen, weil seine Mutter aus Frankreich war. Mein Französischlevel lag irgendwie zwischen seinem und dem eines Anfängers - an guten Tagen war es besser an manchen anderen reden wir nicht darüber.
"Kannst du die Musik bitte leiser drehen? Die Wände wackeln schon.", wiederholte er lachend.
"Und was ist, wenn ich meine Musik nicht leiser machen will?" Obwohl es zugegebenermaßen wirklich laut war und ich nur testen wollte wann er mir heute sagt die Musik leiser zu machen, denn ja nachdem konnte ich abschätzen ob er den Morgen gut gelaunt oder gereizt war. Vier Lieder. Heute scheint ein guter Tag zu sein.

"Dann werde ich Miriam wohl zurückrufen müssen und ihr sagen, dass du heute leider nicht zu ihr zum Frühstück kannst, weil du gerade in deiner ersten Konzerthälfte bist."
Gespielt empört riss ich den Mund auf. "Du würdest meiner Tante sagen, dass ich nicht zu ihrem Frühstück kommen will? Papa, willst du sie wirklich zum Weinen bringen." Und danach lachten wir beide.
Tante Miriam liebte es zu kochen und andere zu bekochen. Man lehnte nicht einfach so eine Einladung zum Essen von ihr ab. Das nahm sie persönlich. Und ich nahm es auch jedem persönlich, der ihr Essen ablehnt. Ich bin mit ihrem Essen die letzten Jahre praktisch aufgewachsen. "Ich beeil mich schon.", versprach ich schließlich und trat auch schon zeitgleich aus dem Bad.

ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt