Kapitel 9~Gib mir keinen Grund

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Im Palast schrillten die Alarmsirenen jetzt so laut dass man es selbst noch einige hundert Meter entfernt, auf dem Landeplatz eines Hotels, hören konnte. "Sie müssen die beiden Gardisten gefunden haben.", Yeona ließ hastig die Einstiegsrampe herunter. Im Raumschiff warf sie sich sofort in den Pilotensessel, während Basilia einfach an der Wand des Cockpits herunterglitt und auf ihre Hände starrte: "Was hab ich getan, was hab ich getan, was hab..." Ihr Gemurmel wurde von Schluchzen unterbrochen, die Szene war gerade zu in ihre Netzhaut gebrannt, seine verzweifelten Hilferufe, die Tränen, der letzte Blick den er nun für alle Ewigkeiten tragen musste. Nicht voll Hass oder Ärger, wie sie es von einem Verräter erwartet hatte, sondern Angst, er hatte solche Angst, er war so...menschlich. In all den Geschichten von Helden waren die kleinen Bösewichte, die unbedeutenden Helfer des Schurken, nie so menschlich gewesen, sie hatten keine Angst, keine Gefühle, keine Bedeutung, sie waren einfach nur böse. Aber dieser Mann, ja eher dieser Junge, war ein Mensch, kein böser Soldat der nur da war um gegen den Helden zu kämpfen, er hatte ein Leben, eine Familie, Gefühle, Hoffnungen und Träume, und sie hatte ihn getötet, hatte all das in einem Wimpernschlag ausgelöscht, hatte all das ausgelöscht was er hätte sein können, hatte ein Loch aus Schmerz in die Leben seiner Familie und Freunde gerissen. Ohne dass sie es merkte hatte Yeona sich neben sie gesetzt, auch ihre Augen waren gerötet. Sanft legte sie eine Hand auf Basilias Schulter, sie sagte nicht, sie hatte gesehen was geschehen war, was sie getan hatte. Sie saßen einfach nur da und schwiegen, vor ihnen das Schwert wie eine Erinnerung das sie wichtigeres zu tun hatten als in Selbstmitleid zu versinken, aber sie ignorierten es. Saßen einfach nebeneinander, spendeten einander Trost. Eine Ewigkeit schienen sie so zu verbringen bis eine Durchsage sie aus ihrer stillen Zweisamkeit riss: "Hier spricht die imperiale Garde, öffnen sie ihre Schiffe und kooperieren sie!" Ihr Blut schien zu gefrieren, genau davor hatten sie beide Angst gehabt, eine Verfolgungsjagd, aber egal was sie jetzt taten war es nun unausweichlich. Yeona sprang auf und kehrte in den Pilotensessel zurück: "Ich werde kaltstarten müssen, dein Anzug ist im Schrank der zweiten Kajüte." Alle Monitore im Cockpit erwachten zum Leben, auf einem davon waren ein halbes Dutzend Gardisten zu sehen die über den Landeplatz streiften. Basilia rannte in die Kajüte, ihr Herz schmerzte immer noch, aber im Angesicht der Gefahr konnte sie es temporär ausblenden. Das Schiff ruckelte als Yeona es in die Luft brachte. Sie riss den Schrank auf, und da sah sie den Anzug, obwohl die Welt gerade um sie herum zu zerfallen schien, musste sie kurz innehalten und ihn bestaunen. Die Metallteile waren bronzefarben, der Anzug selbst war karmesinrot, auf der Brust prangte das Zeichen der Göttin.

Der Alarm der ihn aus dem Bett geschüttelt hatte, der Weg zum Sonnenhof, die Verfolgungsjagd die letztlich im heiligen Nebel geendet hatte. Durch das alles waren sie angespannt gewesen, niemand wusste so genau warum, war es weil jemand in den Palast einbrechen konnte, oder war es die lebensechte Statur des jungen Gardisten dessen Herztracker stehen geblieben war, oder dass die Diebe plötzlich im heiligen Nebel gestoppt sind? Vielleicht alles davon, aber er war sich sicher was ihn jetzt unruhig machte. Die Gestalt genau vor ihm, sie trug den gleichen Anzug wie er, aber die Farben waren vertauscht. In ihren Händen lag das gestohlene Schwert. Auf ihrer Brust, eine Fläche die auf seiner Rüstung leer war prangte bei der Gestalt das Zeichen der Göttin, sie schien ihn geradezu auszulachen. Ihr Gesicht konnte er nicht sehen, aber ihr Blick war ihm eindeutig zugewendet, so schwebten sie nun schon seit einigen Sekunden, keiner machte den ersten Schritt. Seine drei Begleiter hingegen lieferten sich einen Kampf mit dem Raumschiff, dass entweder einen miserablen Schützen hatte, oder aktiv versuchte die Gardisten nicht zu treffen. Jetzt tat die Gestalt endlich etwas, sie flog von ihm weg in Richtung einer der vielen bunten Wolke. Das riss auch ihn aus seiner Starre, mit einer Salve goldener Energie im Ansatz preschte er hinter ihr her. Die Energie schoss an ihr vorbei ohne sie zu treffen, die nächste hätte sie getroffen, hätte sie sie nicht mit einem roten Schutzschild abgeblockt. Beide Gegner flogen um einander herum tauschten Schüsse aus, ihre waren aus roter Energie, aber sie waren kein Feuer, auch wenn sie so aussahen, im Vakuum konnte nicht einmal magisches Feuer brennen. Wer oder was war diese Gestalt? Beide Gegner beschossen einander, dann blockten sie die Schüsse des anderen ab, die Gestalt schien zögerlich, und wollte eindeutig lieber von ihm weg. Ihr Kampf wechselte in eine Jagd, sein Gegner war schnell und präzise, fast schon tänzerisch. Bunte Nebelschwaden zogen an ihnen vorbei, während sie einander beschossen. Es war frustrierend er wusste nicht wen er da bekämpfte, oder warum, er wollte zurück nach New Terra. Seine Angriffe wurden heftiger, trommelten auf die Verteidigung seines Gegners ein wie Hagelkörner. Wieder spürte er dieses schmerzhafte Knacken über seinem Brustbein. Als er sich wieder auf den Kampf konzentrierte flüchtete sein Gegner gerade. Verdrießen von diesem ganzen Kampf beschleunigte er, beide rasten mit einer beachtlichen Geschwindigkeit durch den Nebel, nach nur wenigen Sekunden konnten er die anderen Gardisten nicht mehr auf seinem Radar sehen. Goldene Schüsse schossen auf die Gestalt zu, kurz bevor diese sie treffen konnten änderte sie ihre Richtung. Rote Schlieren aus Energie griffen nach ihm, wurden von seinen eigenen Energie abgefangen. Beide Farben woben sich ineinander bis beide in einem großen Knäuel aus Magie gefangen waren. Beide kämpften um die Kontrolle, während sie weiter durch den luftleeren Raum rasten, mit einer Geschwindigkeit die ihnen erst klar wurde als sie plötzlich in die Atmosphäre eines Planeten eindrangen. Flammen zuckten um ihre Energiegebilde, wie aus Reflex lösten sich die beiden von einander, nur Sekunden bevor sie in die Oberfläche einschlugen.

Langsam stand er auf, obwohl sein Energieschild den Großteil des Aufschlags abgefedert hatte brannte sein gesamter Körper, und er war sich sicher dass einige seiner Rippen gebrochen waren. Cirillo blickte um sich, er stand in einem Krater, an den Ränder standen brennende Bäume und Gräser. Es war schmerzhaft den Hang hoch zu klettern aber er schaffte es trotzdem, sein Kopf brummte wie ein Schwarm wütender Hornissen. Um ihn herum brannte es, nur einige Dutzend Meter weiter weg sah er einen zweiten Krater, daneben stand die Gestalt in rot. "Warum machst du das hier?", sein Blut schien zu kochen während er auf seinen Gegner zu humpelte. Die Stimme die ihm antwortete war verzehrte, aber sie hatte etwas bekanntes an ihr: "Weil es das Richtige ist! Der Imperator und die Seherinnen haben sich gegen die Göttin gestellt und dich zum Auserwählten erklärt damit sie dich benutzen können um ihre Pläne durchzusetzen. Ich bin der wahre Campion der Göttin." "Unsinn!", Cirillo schrie so laut das seine Stimme fast brach, "Ich bin der Auserwählte!" "Du musst mir glauben, ich würde dich doch niemals anlügen.", die Stimme klang traurig, oh so traurig. Wieder spürte er diesen brennenden Schmerz in seinem Hals, diesmal war er stärker als jemals zuvor, wie auch sein Gegner krümmte er sich vor Schmerz. Und auf einmal, noch bevor sie den Helm abgezogen hatte wusste er wer darunter war. Cirillo sah ihr ins Gesicht, wie ein Spiegelbild seines eigenen stand es vor ihm, ernster als eines, ohne die kleinen Lachfalten, und mit Trauer in den braunen Augen. Sein Herz zerbrach in tausend Stücke.

Basilia stand vor ihrem Zwillingsbruder, Flüsse aus Tränen liefen über sein Gesicht. Ihr gesamter Verstand war von Trauer überwältigt. In diesem Augenblick wollte sie nicht ihre Aufgabe zu Ende bringen, sie wollte einfach die Zeit zurückdrehen zu wenn sie beide noch Kinder waren. "Ich sage die Wahrheit!", ihre gesamte Selbstbeherrschung war nötig um sie nicht ebenfalls in Tränen ausbrechen zu lassen. "Nein!", Cirillo schwankte aus sie zu, seine Stimme zitterte, "Bitte nicht, Lia, tu mir das nicht an!" Auf wackeligen Beinen kam sie ihm näher: "Lilo, ich weiß dass es weh tut, aber bitte! Gib mir keinen Grund dich zu bekämpfen!" Ein Schrei, gefüllt mit Schmerz und Verzweiflung, zerriss die friedliche Idylle des Waldplaneten, als Cirillo sich auf sie stürzte. Beide fielen zu Boden, beide Geschwister teilten fast so viele Schläge aus wie sie Tränen vergossen. Das Handgemenge wurde bald gestoppt als sie beide wieder diesen stechenden Schmerz spürten, diesmal noch stärker als zuvor. Für fast eine Minuten konnte sich keiner der beiden mehr bewegen, während der Schmerz wie Stromschläge durch ihre Körper zuckte. Basilia kam als erste wieder auf die Beine, schwankend und nur noch von purer Verbissenheit zusammengehalten nahm sie ihren Helm vom Boden, setzte ihn auf und flog zurück in die Atmosphäre. Cirillo immer noch an ihren Fersen raste sie durch den heiligen Nebel zurück zu Yeona und der Eos. Schlieren aus goldener Energie griffen nach ihren Knöcheln, verfehlten diese immer um einige Zentimeter. Kurz bevor sie am Anfangsort des Kampfes ankamen schaltete sie schweren herzens den Kommunikationskanal zwischen ihr und Cirillo frei: "Lilo, du musst das hier nicht machen, du kannst mir helfen das hier alles zu beenden." Die Stimme die ihr antwortete war eher ein Schluchzen: "Lia, Lia, bitte. Ich weiß nicht warum du das denkst, aber es ist nicht wahr, wenn du dich jetzt stellst können wir immer noch zusammen bleiben. Bitte gib mir keinen Grund dich zu hassen." Alles erschien auf einmal so schwer, das Schwert in ihrer Hand, ihr Kopf, ihr Herz. Um sie herum lieferten sich die Eos und die drei Gardisten immer noch einen erbitterten Kampf. Dann kam der Schmerz zurück, er kam aus dem Tetrain über ihrem Brustbein, aber er erfüllte jeden letzten Millimeter ihres Körpers. Es fühlte sich an als würde sie bei lebendigem Leibe verbrennen, ihre Sicht verschwamm bis sie nur noch weiß sah. Sie nahm weder ihren Schrei noch die Yeonas besorgte Stimme war. Ihr Körper krümmte sich zu einem Ball zusammen, sie wusste nicht wie lange der Schmerz andauerte, aber als sie wieder klar denken konnte war alles was sie sehen konnte ein Netz aus roter und goldener Energie, dass sich plötzlich zu einer kleinen Kugel zwischen ihr und Cirillo verdichtete. Für einige Sekunden stand alles still, niemand wusste was los war, dann schossen lange Strahlen aus der Kugel. Einer traf sie in die Brust, der Schmerz war immens, aber ihr Kristall konnte die Energie absorbieren. Drei andere trafen die Gardisten, einer nach dem anderen verschwand als die riesige Menge Energie jede Zelle ihrer Körper zu Ionen zersetzte. Dann traf ein Strahl die Eos, durch die Lautsprecher konnte sie Yeona schreien hören, bis sie nur eine Sekunde danach nicht mehr da war. Das Raumschiff war weg, in Millionen mikroskopischer Teile zersetzt, und mit ihm ihre beste Freundin.

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